"Das Versprechen von Paris erfüllen" – so lautete der hintersinnige Titel des vom Bundesumweltministerium ausgerichteten internationalen Petersberger Klimadialogs, auf dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag die Hauptrede hielt. Jeder weiß doch: Der Pariser Klimavertrag von 2015 ist ein wichtiger Meilenstein.
Doch das allein nützt gar nichts, wenn die Politiker der Länder der Welt nicht umsteuern – konkret, praktisch, zupackend, mit Gesetzen, Maßnahmen, guter Klima-Kommunikation, zuhause in ihren Ländern, ihren Volkswirtschaften, bei ihren Bürgern. Und Merkel muss sich vorhalten lassen, dass sie das Versprechen von Paris nicht eingehalten hat.
Die "Klimakaiserin", pardon, "Klimakanzlerin", ist nackt. Eine alte Klage, für die es aber immer neuen Anlass gibt. Seit Beginn von Merkels Kanzlerschaft vor 14 Jahren ist der CO2-Ausstoß nur um wenige Prozentpunkte gesunken, zuletzt vor allem, weil der Winter so warm war und wenig geheizt werden musste. Das während ihrer ersten Amtszeit gefasste deutsche Klimaziel für 2020 wird meilenweit verfehlt, und um die Einhaltung des nächsten CO2-Limits für 2030 ist in ihrem Kabinett ein heilloser Streit entstanden.
Der Grund ist offensichtlich: Die tief hängenden Früchte bei der CO2-Einsparung sind geerntet. Das war der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor bis zur aktuellen Marke von fast 40 Prozent am Markt. Nun aber geht es ans Eingemachte.
Das heißt, die Strukturen in der anderen wichtigen Sektoren Verkehr, Gebäudeheizung und Landwirtschaft müssen grundlegend verändert werden. Und dazu braucht es Konzepte. Und wirksame Maßnahmen. Und politische Führung. All das fehlt in dieser Bundesregierung. Die ersatzweise geführte Debatte, ob Deutschland nun 2050 oder später klimaneutral sein soll, ist da zweitrangig.
Eine Groteske sondergleichen
Das Petersberg-Treffen wäre die ideale Plattform für Merkel gewesen, um in der aktuell heißesten klimapolitischen Debatte – das ist die über die CO2-Bepreisung – ein Signal zu geben. Doch Fehlanzeige.
Eine Groteske sondergleichen: Merkel lobte zwar die Fridays-for-Future-Bewegung mit ihren Schulstreiks. Die habe die Klimadebatte verändert, sagte sie. Die jungen Leute machten Druck auf die Politik, damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel endlich in politisches Handeln umgesetzt würden.
Ja, und nun, Kanzlerin? Was bewirkt das "Dampf machen" (Merkel) der FFF-Generation? Es verpufft ausgerechnet im früheren Klima-Vorreiterland, das von Merkel in den politischen Dämmerzustand geschaukelt wird.
Das alles ist schwer erträglich. Denn die Kanzlerin hat die Debatte über die CO2-Steuer, die auch von den streikenden Schülern vehement gefordert wird, ja selbst ausgelöst. Vor ein paar Wochen war das. Sie ließ fast en passant die Bemerkung fallen, man könne über eine Bepreisung der Treibhausgase in den Sektoren nachdenken, die nicht wie Industrie und Kraftwerke vom EU-Emissionshandel erfasst werden.
Da gebe es auch einen interessanten Vorschlag vom Klimaökonomen Ottmar Edenhofer. Dieser, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hatte zusammen mit dem Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, RWI-Präsident Christoph Schmidt, die bisher am besten durchgerechnete Blaupause für einen klimaangepassten Umbau (nicht: Erhöhung) der Energieabgaben vorgelegt.
Der Vorschlag hat alles, was es für einen verträglichen Umbau braucht: behutsamer Einstieg, klare Langfristperspektive, Verbilligung des Stroms, allmähliche Verteuerung von Sprit und Heizenergie, Pro-Kopf-Rückerstattung des Steueraufkommens an die Bürger, soziale Abfederung für ärmere Haushalte. Aber was tut Merkel, statt offensiv für dieses – oder ein ähnliches – Konzept zu werben? In der Öffentlichkeit, in der eigenen Regierung, in der Union?
Sie lässt zu, dass die Idee zermahlen wird. Die Ewiggestrigen vom CDU-Wirtschaftsflügel und aus der Dobrindt-CSU haben es geschafft: Der schon fast zum Greifen nahe scheinende Aufbruch in den Klima-marktwirtschaftlich überfälligen Umbau der Energiebesteuerung ist einstweilen vertagt. Und Merkel tut so, als habe sie damit nichts zu tun.
Wiedervorlage Ende Juni
Natürlich ist das Thema damit nicht tot. Es wird zurückkommen, denn um in der Versenkung zu verschwinden, dazu hat es zu viel Power. Will sagen, die Idee ist zu offensichtlich sinnvoll. Längst fordern nicht mehr nur führende Ökonomen, Klimaforscher und Umweltverbände das Signal einer CO2-orientierten Steuerreform, sondern auch wichtige Player aus der Wirtschaft.
Mit ihren jüngsten Ankündigungen einer klimaneutralen Produktion haben Daimler, Siemens, Bosch und Co die merkelsche Zauderpolitik zwar längst hinter sich gelassen. Doch deren Kalkulation geht nur eben dann auch wirklich auf, wenn der ökologische Steuer-Umbau kommt.
Nächster Termin: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat ihr Konzept für eine CO2-Bepreisung für Ende Juni angekündigt. Dann kommt es in Merkels "Klimakabinett" zum Schwur, es sei denn, die Kanzlerin grätscht hinein und räumt das Thema endgültig ab, um bis zum Ende ihrer Amtszeit nur nichts Zukunftsweisendes mehr beschließen zu müssen.
Die Wetten, wie das ausgeht, sind offen.