Einfahrbereich einer Tankstelle aus der Vogelperspektive.
Die Politik soll die Bürger nicht "reflexhaft" an der Tankstelle entlasten, sondern durch ein Klimageld, fordern Ökonomen. (Foto: Shell)

Ab heute gelten für drei Monate der Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket. Später im Jahr wird noch die Energiepreispauschale bei der Steuer berücksichtigt. Immerhin 16,5 Milliarden Euro wendet die Ampel-Regierung auf, um die Bürgerinnen und Bürger von den gestiegenen Energiekosten zu entlasten.

Umweltschützer, aber auch Ökonomen wie Clemens Fuest oder Jens Südekum kritisieren den Zuschnitt der Hilfen, weil reiche Bevölkerungsschichten überproportional profitieren. Motto: Es seien vor allem "Hilfen für SUV-Fahrer".

Und der Berliner Klima-Thinktank MCC betont nun sogar: Ein Festhalten am Fahrplan für eine steigende CO2-Bepreisung sei "mit Blick auf den Wohlstand" die richtige Strategie. Voraussetzung: Der Staat verteilt die Einnahmen weitgehend an die privaten Haushalte zurück – durch Steuersenkungen oder Transfers.

Es ist ein heikles Thema. Sollen fossile Brennstoffe mit der Begründung Klimaschutz weiter verteuert werden, obwohl die Preise für Sprit, Heizenergie und Strom wegen des Putin-Kriegs und der dadurch ausgelösten Energiepreiskrise ohnehin schon rasant gestiegen sind?

In Deutschland gilt für Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas seit Anfang 2021 ein CO2-Preisaufschlag, der bis 2025 schrittweise weiter ansteigen soll – von anfänglich 25 auf 55 Euro pro Tonne. Derzeit liegt der CO2-Zuschlag bei 30 Euro. Das verteuert zum Beispiel den Spritpreis um rund neun Cent pro Liter.

Das macht derzeit nur einen relativ kleinen Teil des Preisanstiegs aus. Ein Liter Super E10 kostete Ende 2020 rund 1,23 Euro, ein Liter Diesel 1,11 Euro. Nachdem die Kraftstoffpreise stark angestiegen und in den letzten Tagen nochmals auf über zwei Euro geklettert waren, pendelten sie sich für beide Spritsorten am ersten Tag des Tankrabatts unter der Zwei-Euro-Grenze ein.

Steigende Einnahmen pro Kopf zurückverteilen

Eine jetzt veröffentlichte Studie unter Federführung des MCC befürwortet die weitere Verteuerung eindeutig. Dabei geht das MCC-Team davon aus, dass die Energiekrise vorübergehend ist – also Teil der Schwankungen um einen langfristigen Preistrend.

Allerdings solle die Regierung rasch ein "Klimageld" einführen, das die steigenden Einnahmen gleichmäßig pro Kopf an die Bevölkerung zurückverteilt, betonen die Forscher. Dadurch würden ärmere Haushalte bessergestellt, da sie im Schnitt weniger für Energie ausgeben als reiche Haushalte. Für ein solches Modell hat sich jüngst Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ausgesprochen, allerdings nicht mit explizitem Bezug auf den CO2-Preis.

Für die Analyse untersuchte das Team die beiden "Kanäle", über die sich ein Energiepreisschock auf die privaten Haushalte auswirkt: einerseits die Kosten für Heizen und Kraftstoffe, andererseits das Klimageld als Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung.

Auf welchem dieser beiden Kanäle sich viel tut und wo eher wenig, hängt laut MCC von der Art ab, wie die Politik mit dem Preisschock umgeht. Im einen Extrem senkt sie den CO2-Preis so stark ab, dass sich Heizenergie und Sprit unterm Strich nur moderat verteuern. Dann müssen die Haushalte nicht mehr Geld ausgeben als geplant, aber sie bekommen weniger Klimageld als erwartet, weil die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sinken.

Im anderen Extrem lässt die Politik den CO2-Preis wie geplant steigen. Folge: Die Energie verteuert sich zwar unerwartet stark, doch müsste dann das Klimageld auch nicht empfindlich gekürzt werden.

"Entscheidend ist ein verlässliches Klimageld"

"Es zeigt sich, dass nach einem Energiepreisschock der Wohlstand am besten verteidigt wird bei einer CO2-Bepreisung wie geplant plus Rückerstattung der Einnahmen", erläuterte MCC-Forscher Matthias Kalkuhl, Co-Autor der Untersuchung.

Kalkuhl wertet die übliche Forderung, bei Spitzenpreisen staatliche Abgaben antizyklisch anzupassen, als "politischen Reflex". Dieser Reflex äußere sich derzeit im Tankrabatt.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität, also bei über die nächsten Jahrzehnte stark steigenden CO2-Preisen, sei für die Menschen wichtiger, "dass das Klimageld verlässlich fließt, als was Sprit und Heizung gerade aktuell kosten", so Kalkuhl.

Laut Umweltbundesamt betragen die tatsächlichen Klimakosten rund 195 Euro pro Tonne CO2. Eingepreist ist derzeit bei Sprit und Heizenergie aber nicht einmal ein Sechstel.

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