Falls Ronald Pofalla vorhatte, mit seinem Vorschlag zum Kohleausstieg die Kohlekommission zu einen, ist das gründlich nach hinten losgegangen. Pofalla, der einer der vier Vorsitzenden der Kohlekommission ist, hatte laut dem Magazin Der Spiegel vorgeschlagen, die letzten Kohlekraftwerke zwischen 2035 und 2038 vom Netz gehen zu lassen. Bis 2020 sollten 5.000 bis 7.000 Megawatt vom Netz.
Geeint ist die Kommission höchstens in ihrer Ablehnung des Vorschlags: Weder die Umweltverbände auf der einen Seite noch die Wirtschaftsvertreter auf der anderen stimmen ihm zu. So fordert der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, eine Klarstellung der Vorsitzenden und der Bundesregierung darüber, dass die Veröffentlichungen keine Grundlage für die weitere Arbeit darstellen. "Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeit in der Kommission weiterkommt", sagte Vassiliadis.
Die Ausstiegsdaten, die Pofalla genannt hatte, hätten nichts mit den in in der Kommission besprochenen Sachverhalten zu tun, so Vassiliadis. "Solch einem Stil der intransparenten Hinterzimmergespäche und der Indiskretion werden weder die betroffenen Beschäftigten noch die Wirtschaft oder die Umweltverbände zustimmen."
Der IG-BCE-Chef hatte sich Medienberichten zufolge zusammen mit neun weiteren Mitgliedern der Kommission bereits gestern in einem Brief von den Vorschlägen distanziert. Zu den Unterzeichnern gehören demnach auch die Chefs der großen Wirtschaftsverbände BDI, DIHK und BDA, Dieter Kempf, Eric Schweitzer und Steffen Kampeter, die allesamt in der Kommission sitzen.
Kritik kommt auch von Andreas Scheidt, der die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in der Kommission vertritt. Der Gewerkschafter nannte den Vorschlag auf Nachfrage von Klimareporter° "nicht hilfreich". Man habe sich unter der Voraussetzung beteiligt, dass die Kommission ein eigenständiges Mandat habe und einen Raum für Sachklärung in politisch umstrittenen Themen biete. "Das Vertrauen in diese Zusage muss dringend wiederhergestellt werden, wenn die Kommission ein erfolgreiches Ergebnis haben soll", so Scheidt.
"Ausstieg entschlossen beginnen und moderat auslaufen lassen"
Aber auch die in der Kommission vertretenen Umweltverbände BUND, Greenpeace und der Dachverband DNR können sich nicht mit Pofallas Vorschlag anfreunden. Er sei nicht geeignet, die deutschen Klimaziele zu erreichen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Verbände. "Will Deutschland seine Verpflichtungen im Klimaschutz wissenschaftsbasiert umsetzen, muss die Kohleverstromung bis 2020 halbiert werden. Bis 2030 muss der Ausstieg aus der Kohle weitestgehend abgeschlossen sein", sagte DNR-Präsident Kai Niebert.
Zudem rede man nicht über Zieldaten, sondern über reale Emissionsbudgets. "Je entschlossener mit dem Ausstieg begonnen wird, desto moderater gestaltet sich deshalb das Enddatum", so Niebert. "Wir lassen uns weder von der unverantwortlichen Provokation im Hambacher Wald auseinanderdividieren noch werden wir uns durch angebliche Kompromisse irritieren lassen." Versuche, die Umweltbewegung zu spalten, würden scheitern.
Dem Spiegel zufolge hatte Pofalla alle Umweltverbände außer den BUND überredet, auch bei einer Rodung des Hambacher Forstes in der Kommission zu bleiben.
Weitere Räumungen im Hambacher Forst
Die Umweltverbände stünden geschlossen hinter dem friedlichen Widerstand im Hambacher Wald und forderten weiterhin ein Rodungs-Moratorium, sagte Niebert.
Im Hambacher Forst im Rheinischen Braunkohlerevier wurden am Wochenende und am Montag weitere Baumhäuser zerstört. Nach Angaben der Polizei Aachen stieg damit die Zahl der bis Montagmorgen geräumten Baumhäuser auf insgsamt 28. Im Laufe des Tages würden weitere fünf bis sechs dazukommen, so ein Polizeisprecher.
Weitere Räumungsaktionen sind für morgen angekündigt. Gleichzeitig soll morgen auch die Kohlekommission das nächste Mal tagen. Es ist die erste Sitzung, seit die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst am vergangenen Donnerstag begonnen hat. Pofallas Vorschlag dürfte nun für zusätzliche Konflikte sorgen.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Die machtlose Kohlekommission