Hier ist ein Schaufelbagger im Brraunkohletagebau in Garzweiler in NRW zu sehen
Tagebau Garzweiler im Rheinischen Braunkohlerevier: Deutschland läuft seiner eigenen Energiewende hinterher. (Foto: Rolf Dobberstein/​Pixabay)

Insgesamt 31 Menschen gehören zur "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die am Mittwoch von der Bundesregierung eingesetzt wurde.

Abgesehen von den vier Vorsitzenden der "Kohlekommission" kommen sieben Mitglieder aus Industrie und Wirtschaft, fünf aus der Wissenschaft, drei von Umweltverbänden und drei aus Gewerkschaften. Weitere fünf Mitglieder sind Vertreter der Braunkohle-Regionen. Dazu kommt die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt, deren Beteiligung Innenminister Horst Seehofer (CSU) zuletzt noch durchgesetzt hatte.

Nur zehn der 31 Mitglieder sind Frauen. Die Männer stellen mit 21 Personen die Mehrheit.

Auch in anderer Hinsicht ist die Besetzung der Kommission wenig ausgewogen, etwa in der Altersstruktur. Personen jenseits der 50 sind stark in der Mehrheit – obwohl es um ein ausgesprochenes Zukunftsthema geht und Entscheidungen getroffen werden sollen, die Folgen für viele Jahrzehnte haben werden.

Überrepräsentiert ist auch die Union. Neun Mitglieder gehören ihr an (soweit die Parteizugehörigkeit öffentlich bekannt ist). Die SPD kommt auf fünf Mitglieder, davon sind drei Gewerkschafter mit eher konservativen Positionen.

Einige der Kommissionsmitglieder sind als Kohlelobbyisten bekannt, andere sind klimapolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Einige treten für einen raschen Kohleausstieg ein.

Vorsitzende

Matthias Platzeck

Matthias Platzeck, Jahrgang 1953, war bis 2013 Ministerpräsident von Brandenburg und SPD-Landesvorsitzender, bevor er aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Von November 2005 bis April 2006 war der gebürtige Potsdamer zudem kurzzeitig Chef der Bundes-SPD. In seiner Regierungszeit in Brandenburg machte sich Platzeck immer wieder für die Braunkohle stark, sie sei eine "Brücke, die wir unbedingt brauchen". Ein Kohleausstieg sei hingegen "energiepolitisches Harakiri" und werde "einen energie-, industrie- und sozialpolitischen Scherbenhaufen" hinterlassen.

Ronald Pofalla

Ronald Pofalla, 1959 in Weeze in Nordrhein-Westfalen geboren, ist seit 2015 im Vorstand der Deutschen Bahn, wo er für den Bereich Infrastruktur zuständig ist. Bis Ende 2013 war studierte Jurist und CDU-Politiker Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts. Pofalla gilt als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Barbara Praetorius

Barbara Praetorius ist Umweltökonomin und derzeit Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Zuvor war sie bis März 2017 stellvertretende Direktorin des Thinktanks Agora Energiewende. Sie ist damit das einzige Führungsmitglied mit ausgewiesener Expertise für Klima und Energiewende.

Stanislaw Tillich

Stanislaw Tillich, Jahrgang 1959, war bis Ende 2017 Ministerpräsident von Sachsen. Der CDU-Politiker stammt aus einem sorbischen Dorf in der Oberlausitz.

Mitglieder

Gerda Hasselfeldt

Gerda Hasselfeldt ist derzeit Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes. Zuvor war die CSU-Politkerin Bundestagsvizepräsidentin und Bundesbauministerin. Die 67-Jährige ist erst an diesem Montag als zusätzliches Mitglied benannt worden – wie vermutet wird, um die CSU zufriedenzustellen, die vergangene Woche die Einsetzung der Kommission hatte platzen lassen

Wirtschaft und Industrie

Steffen Kampeter

Steffen Kampeter ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Zuvor saß der 55-Jährige aus Minden in Nordrhein-Westfalen 26 Jahre lang für die CDU im Bundestag und war unter anderem parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.

Stefan Kapferer

Stefan Kapferer, Jahrgang 1965, ist Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Mitglied der FDP. Im vergangenen Herbst sorgte er für Aufsehen, als er für seine Partei an den Jamaika-Koalitionsverhandlungen teilnahm, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits Lobbyist beim BDEW war. In dem Verband sind rund 1.800 Konzerne vertreten, darunter Stadtwerke, die großen Energiekonzerne wie RWE und Exxon Mobil, aber auch Windparkbetreiber. In den Verhandlungen der Kohlekommission komme es besonders auf die gesicherte Versorgung und die Bezahlbarkeit von Strom an, erklärte Kapferer zur Einsetzung der Kommission. Außerdem dürften die Eigentumsrechte der betroffenen Unternehmen nicht beschnitten werden.

Dieter Kempf

Dieter Kempf ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Dass von dem 65-jährigen Betriebswirtschaftler klare Signale für einen Kohleausstieg kommen, ist unwahrscheinlich. "Es wäre fatal, wenn sich die Kommission allein auf einen symbolpolitischen Ausstieg aus der Kohleverstromung fixieren würde", erklärte der BDI-Chef.

Claudia Nemat

Claudia Nemat, Jahrgang 1968, ist Vorstandsmitglied der Telekom. Die Physikerin arbeitete zuvor 17 Jahre lang bei der Unternehmensberatung McKinsey. 

Katherina Reiche

Katherina Reiche ist Hauptgeschäftsführerin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). Von 1998 bis 2015 saß sie für die CDU im Bundestag und war zuletzt parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Die 44-jährige Chemikerin stammt aus Brandenburg.

Gunda Röstel

Gunda Röstel ist Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden und Aufsichtsrätin beim Energiekonzern EnBW. Die 56-Jährige aus dem Landkreis Zwickau war von 1996 bis 2000 Bundesvorsitzende der Grünen.

Eric Schweitzer

Eric Schweitzer, Jahrgang 1965, ist Präsident des deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHT) und Vorstandsvorsitzender des Entsorgungskonzerns Alba mit Sitz in Berlin. Bis 2012 war Schweitzer FDP-Mitglied.

Regionen

Antje Grothus

Antje Grothus ist Mitglied der Initiative "Buirer für Buir" und wurde als Vertreterin der Braunkohle-Betroffenen im Rheinland in die Kommission berufen. Sie fordert, dass während der Arbeit der Kommission keine neuen Genehmigungen für Tagebaue oder Kraftwerke erteilt werden dürfen. "Nur so können wir sicherstellen, dass die Kohlebefürworter am Verhandlungstisch ohne Blockadehaltung und Verzögerungstaktik agieren und wir gemeinsam an einer ambitionierten Lösung arbeiten können", so Grothus. 

Hannelore Wodtke

Hannelore Wodtke sitzt für die CDU und die Initiative "Grüne Zukunft Welzow" in der Stadtverordnetenversammlung von Welzow in der Lausitz. Auf der Facebookseite der Initiative heißt es, sie sei zugleich Vertreterin des Netzwerks Bergbaugeschädigter und kämpfe für einen schnellen Kohleausstieg

Christine Herntier

Die parteilose Ingenieurökonomin ist seit vier Jahren Bürgermeisterin von Spremberg im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße. Zuvor war Herntier fast 20 Jahre lang Geschäftsführerin des von ihr mitbegründeten Textilveredlers Spremberger Tuche. Das Unternehmen musste 2012 schließen, die Region verlor ihren letzten Textilbetrieb. Was Strukturwandel bedeuten kann, weiß die 61-Jährige also aus eigener Erfahrung.

Michael Kreuzberg

Der CDU-Politiker Michael Kreuzberg, Jahrgang 1957, sitzt als ausgewiesener Regionalpolitiker in der Kommission. Der gebürtige Kölner ist seit 2013 Landrat des Rhein-Erft-Kreises im Regierungsbezirk Köln im westlichen Nordrhein-Westfalen. Zuvor war der studierte Sozialwissenschaftler 14 Jahre lang direkt gewählter Bürgermeister der Stadt Brühl, die im Rhein-Erft-Kreis liegt.

Reiner Priggen

Der Grünen-Politiker steht seit Ende 2016 an der Spitze des Landesverbandes Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW). Priggen, Jahrgang 1953, war bis zum vergangenen Jahr in der nordrhein-westfälischen Landespolitik aktiv, unter anderem als Fraktionschef seiner Partei. Seine Rolle in der Kohlekommission versteht der Diplomingenieur als "Stimme für die erneuerbaren Energien". Energiewende und Klimaschutz seien ohne einen Abschied von der Kohleverstromung nicht denkbar, betonte Priggen in einer Stellungnahme. "Besonders Nordrhein-Westfalen muss als traditionelles Kohleland den Wandel zu einem erneuerbaren Energiesystem stärker vorantreiben."

Gewerkschaften

Michael Vassiliadis

Vassiliadis, Jahrgang 1964, ist seit 2009 Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), also der Gewerkschaft, die die in der Kohleindustrie Beschäftigten vertritt. Der Erhalt gut bezahlter Industriearbeitsplätze ist das wichtigste Anliegen des Gewerkschaftschefs. Vassiliadis, der seit fast 40 Jahren der SPD angehört, spricht sich gegen einen "politisch beschleunigten Ausstieg aus der Kohle" aus. "Strukturwandel ist kein Sprint, sondern ein Marathon", so der IG-BCE-Chef. Nötig sei "ein Einstieg in einen Strukturwandel, der gute Industriearbeit sichert".

Andreas Scheidt

Andreas Scheidt, Jahrgang 1964, ist seit 2014 Mitglied im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, zuständig für den Fachbereich Ver- und Entsorgung. Der gebürtige Wuppertaler gehört der SPD an. Seit 2015 sitzt Scheidt zudem im Aufsichtsrat des Energiekonzerns Eon.

Stefan Körzell

Stefan Körzell ist seit 2014 Vorstand beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der 55-jährige gebürtige Hesse ist gelernter Maschinenschlosser und seit vielen Jahren SPD-Mitglied.

Umweltverbände

Martin Kaiser

Martin Kaiser gehört der Geschäftsführung von Greenpeace an und ist dort für Kampagnen zuständig. Zuvor koordinierte der 51-jährige Geoökologe und Forstingenieur die Arbeit seiner Organisation zur internationalen Klimapolitik. Entscheidungen in der Kohlekommission wollen Greenpeace und weitere Umweltverbände nur mittragen, wenn dadurch "konsequenter Klimaschutz auf Grundlage des Paris-Vertrages" gewährleistet wird, kündigte Kaiser gegenüber Klimareporter° an.

Hubert Weiger

Weiger ist seit 2007 Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den er 1975 mitgegründet hat. Der 71-jährige promovierte Forstwissenschaftler gehört auch dem Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung an. Weiger fordert einen kompletten Kohleausstieg bis 2030, "um die Klimaziele von Paris zu erfüllen". Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte hingegen eine Halbierung der Kohleverstromung ins Gespräch gebracht. Trotz der weit auseinander liegenden Positionen hält Weiger einen Erfolg der Kommission für möglich. "Beim Thema Kohle gibt es mehr Gemeinsamkeiten zwischen allen Beteiligten, als im Moment diskutiert wird", sagte er im Klimareporter°-Interview.

Kai Niebert

Kai Niebert ist seit 2015 Präsident des Dachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR). Zudem ist er seit vielen Jahren ehrenamtlich bei den Naturfreunden Deutschlands tätig. Der 38-Jährige hat an der Universität Zürich eine Professur für Didaktik der Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit inne und leitet dort das "Anthropocene Learning Lab".

Wissenschaft

Jutta Allmendinger

Die Soziologin und Sozialpsychologin ist seit 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Berliner Humboldt-Universität. Allmendinger, Jahrgang 1956, war als erste Frau Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie die Lebensläufe von Menschen durch Institutionen geprägt werden, etwa der Bildung, des Arbeitsmarktes, aber auch des Wohlfahrtsstaates. Im August räumte Allendinger ihren Sitz in der Kommission bereits wieder. Ihre Nachfolgerin ist Christiane Schönefeld von der Regionaldirektorin für Nordrhein-Westfalen bei der Bundesagentur für Arbeit.

Felix Matthes

Felix Matthes ist Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut. Der 1962 in Berlin geborene Ingenieur und promovierte Politikwissenschaftler hat sich wiederholt für ein schnelles Herunterfahren der Kohle ausgesprochen. "Von der Warte des Klimaschutzes müsste die erste Tranche an Stilllegungen von Kohlekraftwerken noch deutlich über die 7.000 Megawatt hinausgehen, bei denen sich die Jamaika-Gespräche offensichtlich eingependelt hatten", sagte er zu der Frage, wie das 2020er Klimaziel noch erreicht werden kann.

Hans Joachim Schellnhuber

Schellnhuber, Jahrgang 1950, ist Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, das er 1992 gründete. Er gehört zu den weltweit renommiertesten Klimaforschern. An der Universität Potsdam hat er einen Lehrstuhl für Theoretische Physik inne. Zudem ist er Senior Research Fellow am Stockholm Resilience Centre. Bis 2016 leitete Schellnhuber den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU). Er ist langjähriges Mitglied des Weltklimarats IPCC und fordert seit vielen Jahren eine ehrgeizigere Klimapolitik. "Als Naturwissenschaftler in der Kommission werde ich insbesondere geltend machen, dass ein zögernder Kohleausstieg durch die Gesetze der Physik bestraft werden würde", sagte er zu seiner Berufung in das Gremium.

Annekathrin Niebuhr

Annekatrin Niebuhr ist Professorin für empirische Arbeitsmarktforschung und räumliche Ökonometrie an der Uni Kiel. Die studierte Volkswirtschaftlerin beschäftigt sich in ihrer Forschung unter anderem mit den Unterschieden in den regionalen Arbeitsmarktbedingungen und der räumlichen Mobilität von Arbeitskräften im Erwerbsverlauf, also genau mit den Fragestellungen, die auch für die Kommission von Bedeutung sind.

Ralf Wehrspohn

Ralf B. Wehrspohn, Jahrgang 1970, ist seit 2016 Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle an der Saale. Zudem hat der Physiker an der Martin-Luther-Universität in Halle einen Lehrstuhl für Mikrostrukturbasiertes Materialdesign inne. Zu den Arbeitsschwerpunkten des gebürtigen Lübeckers gehört die Beschäftigung mit Materialien und Bauelementen, die auch in der Photovoltaik zum Einsatz kommen.

Parlamentarische Mitglieder ohne Stimmrecht

Andreas Lämmel

Andreas Lämmel ist CDU-Bundestagsabgeordenter aus Dresden mit Schwerpunkt Wirtschaftspolitik. Der 59-jährige Diplomingenieur aus dem sächsischen Vogtland ist Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Bundestag. Seit 2011 fungiert Lämmel zudem als stellvertretender Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der Unionsfraktion.

Andreas Lenz

Andreas Lenz ist CSU-Bundestagsabgeordneter aus Oberbayern. Der 37-jährige Betriebswirt sitzt ebenfalls im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Zudem hat Lenz den Vorsitz des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung inne.

Matthias Miersch

Der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch hat seinen Wahlkreis in der Region Hannover. Im Bundestag befasst sich der 49-jährige Fraktionsvize unter anderem mit Umwelt- und Naturschutz sowie Energie. Vor einigen Monaten hatte er gefordert, dass die Kohlekommission gleichwertig dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium unterstellt werden soll. Wenn das Bundesumweltministerium nicht gleichberechtigt mit am Tisch sitze, könne man sich die Kommission gleich ganz sparen, wurde der SPD-Politiker zitiert.

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