Die Koalition will beim Klimaschutzgesetz noch einmal Hand anlegen. 2030 soll Deutschland 65 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990. Bislang liegt die Latte bei nur 55 Prozent.
Für die Zeit nach 2030 soll ebenfalls eine Zielmarke festgelegt werden. "Wir wollen ein Zwischenziel für 2040 von 88 Prozent formulieren und dann auch früher Klimaneutralität erreichen, nämlich 2045", sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) auf einer Pressekonferenz.
Nach Angaben von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat ihr Ministerium in den vergangenen Tagen einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeitet. Er soll nun mit dem Koalitionspartner abgestimmt und in der kommenden Woche im Bundeskabinett verabschiedet werden.
Die neuen Eckpunkte sollen mehr Generationengerechtigkeit und Planungssicherheit bringen und dafür sorgen, dass die Wirtschaft umgebaut und modernisiert wird. "Das ist ein faires Angebot, auch für die jüngeren Generationen", sagte Schulze. Anders als früher werde diesmal nicht die größte Last in die Zukunft verlegt. Jede Dekade, jede Generation übernehme Verantwortung.
Das Klimaschutzgesetz war Ende 2019 in Kraft getreten. Neben dem Klimaziel enthält es auch Ziele für die einzelnen Sektoren wie Stromwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft, Landwirtschaft und Gebäude. Diese Bereiche sollen nun strengere Vorgaben bekommen. Wie die höheren Ziele auf die unterschiedlichen Sektoren umgelegt werden sollen, wird aber noch in der großen Koalition diskutiert. "Im Bausektor kann man nicht so schnell umsteuern wie in anderen Bereichen", schränkte Schulze ein.
Oppositionspolitiker:innen kritisierten die Ankündigung. Der Grünen-Abgeordneten Lisa Badum geht neue Klimaziel nicht weit genug. "Wenn die Bundesregierung jetzt nachbessert, muss ganz klar sein, wie wir auf den 1,5-Grad-Pfad kommen und vor allem mit welchen Maßnahmen die Ziele erreicht werden sollen", sagte Badum. Dazu brauche es einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, die Entfesselung erneuerbarer Energien und einen CO2-Preis von 60 Euro ab 2023.
Verfassungsgericht hatte konkreten Pfad verlangt
Der FDP-Abgeordnete Lukas Köhler warf den Regierungsparteien Aktionismus vor. "Ein sehr weit reichendes Klimaschutzgesetz im Eiltempo und (wieder mal) ohne echte Beratungszeit zu beschließen, wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht", schrieb Köhler bei Twitter. Konkrete Vorschläge machten die Liberalen nicht.
Neben den strengeren CO2-Vorgaben soll Deutschland künftig auch mehr Ökostrom erzeugen. "Wir brauchen höhere Ziele für die Strommengen, die wir 2030 produzieren, und höhere Ziele, was die erneuerbaren Energien betrifft", sagte Scholz. Der Ausbau der Erneuerbaren müsse jedes Jahr beschleunigt werden. Von der Verfügbarkeit größerer Ökostromkapazitäten hänge die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands ab.
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich nun für einen stärkeren Ausbau der Ökoenergien vor 2030 aus. "Das Ausbauziel für die erneuerbaren Energien muss über dem liegen, was im vergangenen Jahr mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen wurde", sagte Altmaier am Nachmittag. Ohne neue leistungsfähige Windräder in großer Zahl und ohne Repowering werde es nicht gelingen, vor 2050 klimaneutral zu werden.
Weil es 2030 nicht genügend Stromtrassen geben werde, um Strom aus dem Norden in den Süden zu transportieren, dürften die neuen Windräder nicht nur im Norden und Nordosten gebaut werden, so Altmaier weiter. Die höhere Ausbaumenge der Erneuerbaren solle über den Energie- und Klimafonds oder aus Haushaltsmitteln – und nicht über die EEG-Umlage – finanziert werden.
Mit dem Vorstoß reagiert die Bundesregierung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Donnerstag. Der Gesetzgeber müsse den Klimapfad für die Zeit nach 2030 genauer festlegen, heißt es in dem Richterspruch. Die Freiheitsrechte jüngerer Generationen würden über Gebühr verletzt, weil ein Großteil der Klimaschutzmaßnahmen erst nach 2030 stattfinden soll.
Der Beitrag wurde um 18 Uhr (Badum, Altmaier) und 19 Uhr ergänzt (Sektorziele, Windausbau).