Arbeiter bereiten den Generator einer Windkraftanlage für den Einbau vor
Montage einer Windkraftanlage: Zukunftsfähige Arbeitsplätze gibt es in klimafreundlichen Branchen. (Foto: Tim Riediger)

Es war eine echte Überraschung: Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist erstaunlicherweise viel besser als erwartet. Hatten wir uns doch mittlerweile schon daran gewöhnt, dass die Bundesregierung Ratschläge, Warnungen oder öffentliche Forderungen weitestgehend in den Wind schlägt und eher ein Wunschkonzert für die lautesten Lobbyisten veranstaltet.

Ganz oben auf der Hitliste der Autokonzerne stand eine Kaufprämie für "moderne" Benzin- und Dieselfahrzeuge. Eine solche "Abwrackprämie" war der Schlager der letzten Finanzkrise 2009 gewesen und entsprach nach wie vor dem Geschmack der Konzerne und Gewerkschaften, selbst wenn er diesmal in der Cover-Version "Neustartprämie" gespielt werden wollte.

Natürlich weiß man, dass eine Abwrackprämie heute wie damals nicht die gewünschten konjunkturellen Wirkungen erzielt, sondern nur kurze Strohfeuer entfacht.

Und genauso weiß man, dass eine solche Förderung zu erheblichen Feinstaub-, Stickoxid- und CO2-Emissionen führt. Die sanft ökologischen Zwischentöne einer versprochenen Umweltwirkung – manche trällerten sogar von der "Umweltprämie" – sollten das dumpfe Dröhnen von "verfehlten Klimazielen" übertönen. Hauptsache die Kasse der fossilen Vergangenheit klingelt!

Doch zum Glück ist die Welt heute eine andere als vor zehn Jahren. Die Fridays-for-Future-Bewegung war zwar in der Coronakrise von der Straße verschwunden, aber im Bewusstsein der Menschen waren die massenhaften Klimastreiks des letzten Jahres noch präsent.

Zur breiten gesellschaftlichen Ablehnung klimaschädlicher Subventionen kamen dieses Mal – anders als vor zehn Jahren – auch noch sehr deutliche Einwände zahlreicher Ökonom:innen gegen eine zweite Abwrackprämie. Endlich findet breiter wissenschaftlicher Sachverstand Eingang in öffentliche Debatten. Somit haben wir nun ein Konjunkturpaket, das auch im Ausland großes Lob bekommt.

Mit veralteten Geschäftsmodellen entstehen keine Jobs

Trotzdem: Anlass für Kritik gibt es auch dieses Mal. Ob die geplante Mehrwertsteuersenkung wirklich bei der Kundschaft ankommt und ob die Beschränkung auf sechs Monate wirklich zu den gewünschten Konsumwirkungen führt, ist ungewiss. Ohnehin ist nicht-nachhaltiger Konsum, erst recht ein künstlich stimulierter "Konsumrausch", kritisch zu sehen.

Die Mehrwertsteuersenkung wird leider auch Heizöl, Diesel und Benzin billiger machen. Die gut gemeinte Anhebung der Elektroauto-Prämie ist genauso wenig zielführend, solange alle Vorteile für konventionelle Fahrzeuge bestehen bleiben – und sie jetzt auch noch von der reduzierten Mehrwertsteuer profitieren.

Claudia Kemfert
Foto: Daniel Morsey

Claudia Kemfert

leitet den Energie- und Umwelt­bereich am Deutschen Institut für Wirtschafts­forschung (DIW). Seit 2016 ist sie Mitglied im Sach­verständigen­rat für Umwelt­fragen, der die Bundes­regierung berät. In Beiräten und Kommissionen ist sie unter anderem für die EU-Kommission und für Forschungs­institute tätig. Sie ist Heraus­geber­rats­mitglied von Klimareporter°.

Sicher, ein solches Konjunkturprogramm muss auf die Breite der Wirtschaft zielen und viele Maßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung der Kommunen, der Wirtschaft und am schwersten betroffenen Sektoren enthalten.

Der Name "Zukunftspaket" ist aber wohl trotzdem etwas zu hochtrabend gewählt. Die energetische Gebäudesanierung zu fördern ist gut. Auch dem durch Fahrgastrückgang gebeutelten ÖPNV und dem Schienenverkehr zu helfen ist gut und richtig. Aber insgesamt enthält das Paket wenig wirklich Zukunftsweisendes. Es fehlt der ökologische Wumms!

So wurde die Chance auf einen echten Neustart vertan. Immer noch schwirrt – wenn es um Nachhaltigkeit und Klimaschutz geht – die Angst vor Arbeitsplatzverlusten durch die Diskussion.

Auch diese Angst hat keine Zukunft. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Consultingunternehmens DIW Econ und des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat gezeigt: Eine konsequent auf Klimaschutz ausgerichtete Konjunkturpolitik kann über 360.000 zukunftsweisende und dauerhafte Jobs entstehen lassen.

Wenn etwas beängstigend sein sollte, dann das krampfhafte Festhalten an veralteten Geschäftsmodellen der Vergangenheit. Dadurch werden ganz sicher keine Jobs entstehen.

Echte sozial-ökologische Impulse fehlen noch

So groß die Erleichterung sein mag, dass die Bundesregierung diesmal auf eine Kaufprämie für Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren verzichtet hat und lieber Kommunen und Elektromobilität fördert, so groß ist doch auch die Enttäuschung.

Es fehlen echte sozial-ökologische Impulse. Ideen und Investitionsfelder gibt es genug, etwa ein deutlich schnellerer und intensiverer Ausbau der erneuerbaren Energien, die Förderung einer Verkehrswende und ein stärkerer Fokus auf die energetische Gebäudesanierung.

Man hätte auch die Mehrwertsteuersenkung besser auf ökologisch sinnvolle Maßnahmen beschränken sollen, etwa im Bereich der energetischen Gebäudesanierung, für Bahn- oder ÖPNV-Tickets.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrates in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Besonders bedauerlich ist, dass die Chancen der Energiewende verkannt werden: Allein durch den beschleunigten Ausbau von Solarenergie können bis zu 60.000 neue Jobs entstehen.

Die Verlagerung der EEG-Zahlungen in den Staatshaushalt birgt beihilferechtliche Gefahren, zudem ist nicht gesichert, dass der Strompreis tatsächlich sinkt. Bisher haben die Stromanbieter die Strompreissenkungen nie in ausreichendem Maße an die Verbraucher weitergegeben. Die gewählten Maßnahmen reichen leider nicht aus, um die Energiewende im notwendigen Maß voranzubringen.

Dennoch: Unterm Strich erleben wir eine Zeitenwende. Die Signale für mehr Klimaschutz in diesem Konjunkturprogramm sind kaum zu unterschätzen. Zum Erreichen der Pariser Klimaziele muss zwar noch deutlich nachgelegt werden, aber zum ersten Mal hat sich die Bundesregierung in puncto Klimaschutz verbessert.

Wollte man der Bundesregierung eine Schulnote geben, wäre es wohl eine "Drei plus", ein "Befriedigend" mit Chance auf Verbesserung in Richtung "Gut".

Das ist eine satte Steigerung gegenüber früheren Entscheidungen, die meistens über ein "knapp ausreichend" (Vier minus) oder "Versetzung gefährdet" nicht hinauskamen. Das macht Mut. Das Momentum für den Wandel ist da. Mondays for Future. Endlich.