Ein Pfeil, der eine Kurve nach rechts anzeigt.
Nur ein ausreichend hoher CO2-Preis hat eine Lenkungswirkung. (Foto: Phil Whitehouse/​Flickr)

Klimareporter°: Herr Untersteller, die Grünen wollen das Klimapaket der Bundesregierung wieder aufschnüren. Was muss Ihrer Meinung nach noch hinein?

Franz Untersteller: Ganz grundsätzlich muss das Ambitionsniveau gehoben werden. Mit diesem Paket sind die Klimaschutzziele nicht zu erreichen, das ist offensichtlich. Die Bundesregierung zaudert, beim CO2-Preis, bei den energetischen Gebäudestandards, beim Ausbau der erneuerbaren Energien.

Insgesamt ist das zu wenig. Das weiß offenbar auch die Bundesregierung selbst, die ja gerade versucht, möglichst unauffällig die Zahlen der mit ihren Vorschlägen verbundenen Emissionsminderungen aus der Welt zu schaffen.

Der Einstieg in den CO2-Preis ist umstritten, die Bundesregierung will 2021 mit zehn Euro pro Tonne starten. Wie hoch müsste der Preis sein?

Das Ziel der CO2-Bepreisung ist doch, die Energieerzeugung und -nutzung von den fossilen, CO2-intensiven Energieträgern zu den erneuerbaren Energieträgern zu lenken. Also muss der Preis so hoch sein, dass er diese Lenkungswirkung erzeugt. Die setzt etwa ab 40 oder 50 Euro ein. Zehn Euro pro Tonne entsprechen drei Cent pro Liter Benzin oder Diesel, das ist sicher kein Anreiz, etwas zu ändern.

Der Klimapolitiker der Union Andreas Jung hält immerhin 180 Euro pro Tonne bis 2030 für anstrebenswert.

Gegen eine zeitliche Staffelung mit einem Anstieg der CO2-Kosten bis 2030 ist nichts einzuwenden. Der Einstiegspreis muss aber auf jeden Fall deutlich höher als zehn Euro liegen.

Franz Untersteller

ist seit 2011 Umwelt- und Energieminister in Baden-Württemberg, zuerst in einer grün-roten, jetzt in einer grün-schwarzen Koalition. Zuvor war er energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Untersteller ist Diplomingenieur, er war langjähriger Mitarbeiter und Vorstandsmitglied beim Öko-Institut in Freiburg.

Wie hoch der Endpreis sein muss, sollte man von den Entwicklungen beim Klimaschutz bis dahin abhängig machen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, den Höchstpreis für eine Tonne schon heute festzulegen. Vielleicht brauchen wir gar keine 180 Euro pro Tonne, vielleicht muss der Preis aber auch noch darüber liegen, um beim Klimaschutz erfolgreich zu sein.

Schweden hat heute einen CO2-Preis von 115 Euro pro Tonne, die Schweiz mehr als 80 Euro. Es wäre schön, wenn wir erstmal über diese Größenordnung reden könnten, bevor wir über 180 Euro im Jahr 2030 reden.

Im Klimapaket ist vorgesehen, dass im Gegenzug der Strom billiger wird, allerdings nur in kleinen Schritten. Der richtige Ansatz?

Die Idee, im Gegenzug zur CO2-Verteuerung, Strom günstiger zu machen, ist eine Idee der Grünen, die schon länger auf dem Tisch liegt und richtig ist.

Aber auch in diesem Punkt stelle ich fest: Die Vorschläge der Bundesregierung reichen nicht. Mit einer größeren Strompreissenkung wäre auch ein höherer CO2-Preis möglich. Damit wäre die Lenkung hin zu E-Mobilität und Gebäudedämmung effizienter als durch die vom Klimakabinett vorgelegten Vorschläge.

Unser Vorschlag ist, die Stromsteuer nahezu komplett abzuschaffen und im Gegenzug fossile Brennstoffe und Kraftstoffe teurer zu machen. Die Mehreinnahmen kommen den Bürgerinnen und Bürgern als Energiegeld wieder zugute.

Was sagen Sie als Vertreter eines Bundeslandes zur Finanzierung des Pakets? Wie kommen dabei die Länder weg?

Über die Kostenverteilung des Klimapakets zwischen Bund, Ländern und Gemeinden liegen mir noch keine verlässlichen Zahlen vor. Als Minister für Umwelt- und Klimaschutz sage ich aber: Jeder Euro, den wir heute in Klimaschutz investieren, spart ein Vielfaches an Kosten, die wir in Zukunft haben, wenn wir uns noch viel stärker als heute schon mit den Schäden, die der Klimawandel verursacht, auseinandersetzen müssen.

Und was bedeutet das Klimapaket dann für den Klimaschutz in Baden-Württemberg?

Je klarer und besser der Rahmen ist, den der Bund in der Klimapolitik setzt, desto eher kann es den Ländern gelingen, vor Ort beim Klimaschutz erfolgreich zu sein. Die Länder brauchen in vielen Bereichen die bundes- und europapolitischen Vorgaben für die Umsetzung ihrer eigenen Klimaschutzmaßnahmen.

Deshalb ist das Klimaschutzpaket der Bundesregierung für uns sehr wichtig, und deshalb ist es auch so enttäuschend, dass die Bundesregierung so mutlos agiert. Wir arbeiten jetzt daran, das Paket ambitionierter und besser zu machen.

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