Höchste Zeit, die Überschriften von vor der Wahl mit einem Text zu versehen. (Bild: ​Olaf Kosinsky/​Wikimedia Commons, CC by‑sa 3.0)

Das ist eine ziemliche Klatsche, die sich die Ampel da einfangen hat. Der Expertenrat für Klimafragen, der im Auftrag der Bundesregierung arbeitet, hat der Scholz-Truppe ein miserables Zeugnis ausgestellt: Das reformierte Klimagesetz und das Klimaschutzprogramm werden nicht ausreichen, um die selbstgesteckten Ziele auf dem Weg zur "Netto-Null" beim Treibhausgasausstoß bis 2045 zu erreichen.

Schlimmer noch: Die Ampel rechne sich die Zahlen auch noch schön, sie gehe von unzureichenden Einsparungsnotwendigkeiten beim CO2-Ausstoß aus. Die tatsächliche Klimaschutzlücke, daran lassen die Experten kaum Zweifel, wird immer größer, weil die Prognosen der Ampel zu ihren Maßnahmen und der tatsächliche Effekt nicht zusammenpassen.

Es war eine Klatsche mit Ansage. Die selbsternannte "Fortschrittskoalition" unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat beim Klimaschutz zwar einiges in Bewegung gebracht, vor allem beim Ausbau der erneuerbaren Energien.

Besonders der Solarstrom-Ausbau boomt neuerdings wie nie zuvor. Die Ampel hat hier Bremsen gelockert, die die Merkel-Regierungen reingehauen hatten.

Doch dass es insgesamt nicht reichen würde, um die Bundesrepublik auf den richtigen Kurs zur Klimaneutralität bis in gut zwei Jahrzehnten zu bringen, pfeifen die Spatzen schon lange von den ungedämmten Dächern der Altbauten.

Nun haben Scholz, Habeck, Lindner und Co es schwarz auf rot-grün-gelb: Der Expertenrat geht davon aus, dass selbst nach vollständiger Umsetzung der Maßnahmen aus dem Klimaschutzprogramm eine größere Lücke bleibt, als die Regierung glauben machen will.

Der Rat unterstreicht, was Kritiker des Ampel-Klimaschutzes seit Anbeginn fordern. Hier muss schleunigst nachgebessert werden, und zwar grundlegend. Denn: "Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept", so das Verdikt der Vizechefin des Gremiums, Brigitte Knopf.

Nicht nur die FDP verkennt, was Klimaschutz bedeutet

Natürlich muss man Gerechtigkeit walten lassen. Die Ampel hatte sich durchaus auf den Weg begeben, die Riesen-Lücke in der CO2-Minderungsbilanz zu schließen, die sich in der Ära Merkel aufgetan hat. Im Klimaprogramm gibt es 130 Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren, vom vorgezogenen Kohleausstieg über die Wasserstoff-Einführung in der Industrie und die Förderung der energetischen Häusersanierung bis zum Verbrenner-Aus bei Neuwagen.

Das ist nicht nichts, im Gegenteil. Doch es reicht eben nicht. Auch die Ampel schafft es vor allem in zwei zentralen Sektoren nicht, den Schalter wirklich umzulegen: beim Verkehr und bei den Gebäuden.

Das sind schon immer die Sorgenkinder des Klimaschutzes. In allen Regierungen seit 1990, seitdem Klimaschutz auf der Agenda steht, haben Wirtschaftslobbys gerade in diesen beiden Bereichen es geschafft, wichtige Maßnahmen zu verhindern.

Immer fanden sich Regierungsparteien und Minister, die sich gegen die Notwendigkeit des CO2-Einsparens einspannen ließen. Das muss endlich beendet werden.

In der Ampel ist es bekanntermaßen die FDP, die wie der verlängerte Arm von Autoindustrie, Gaslobby und Wohnungswirtschaft agiert. Doch auch SPD und Grüne demonstrieren immer wieder, dass sie die Bedeutung des Megathemas Klimaschutz nicht wirklich verstanden haben – und die Verantwortung, die sie auf sich genommen haben.

Oder wie soll man es verstehen, wenn Bauministerin Klara Geywitz (SPD) ausgerechnet bessere Dämmstandards zum Energiesparen bei Neubauten verhindern will, um der darbenden Baubranche zu helfen?

Und wie soll man bewerten, dass die Grünen im Kabinett der Entkernung des Klimaschutzgesetzes zustimmt haben, wodurch die bisher geltende Verantwortlichkeit der Minister:innen für ihre Ressorts aufgelöst werden soll? Das ist peinlich.

Wo, wenn nicht hier, ist die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gefragt. Der Mann war ja eigentlich als "Klimakanzler" angetreten. Es ist mehr als überfällig, ihn daran zu erinnern.