Über zwei Jahre ist die Flutkatastrophe im Ahrtal nun her. Die Folgen eines Sturmtiefs mit Starkregen kosteten im Sommer 2021 in Deutschland 143 Menschen das Leben. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden etwa 9.000 Häuser zerstört. Allein den privaten Haushalten entstanden Schäden von geschätzt 14 Milliarden Euro. Ein großer Teil der Haushalte war nicht gegen die Flutschäden versichert.

Doch trotz der zunehmenden Gefahren durch Wetterextreme verfügt deutschlandweit nur rund die Hälfte aller privaten Wohngebäude über eine Elementarschadenversicherung gegen Naturgefahren wie Starkregen und Flusshochwasser. In Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern liegt die Quote sogar noch deutlich darunter.

Für den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) haben wir gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa zwischen Juni und Juli dieses Jahres über 2.300 Eigentümerhaushalte zum Stand ihres Versicherungsschutzes gegen Naturgefahren befragt.

Tortendiagramm: Ein Drittel aller Haushalte glaubt, dass ihrem Haus keine Naturgefahren drohen. Ein Viertel findet eine Versicherung dagegen zu teuer.
So antworteten 624 Haushalte ohne Elementar­schaden­versicherung im Sommer 2023 auf die Frage, warum sie Ihr Wohngebäude nicht entsprechend versichert haben. Mehrfachnennung war möglich. (Bild: Groß/​Wagner; Daten aus der Befragung)

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Demnach kann knapp ein Viertel der Befragten nicht genau sagen, ob das eigene Wohngebäude über eine Elementarschadenversicherung verfügt. Und ein weiteres Viertel entscheidet sich bewusst gegen den Abschluss der Versicherung.

Die verbleibende Hälfte der befragten Haushalte gibt an, mit Sicherheit über den entsprechenden Versicherungsschutz zu verfügen. Dieser Wert deckt sich, unter Berücksichtigung statistischer Unsicherheiten, mit den Angaben aus der Branchenstatistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Was sind die Gründe, sich gegen den Abschluss einer Elementarschadenversicherung zu entscheiden? Rund ein Drittel der von uns befragten unversicherten Eigentümer:innen glaubt, dass ihr Wohnhaus keinen Naturgefahren ausgesetzt sei.

Gut einem Fünftel der Unversicherten sind die Kosten einer Elementarschadenversicherung zu hoch.

Weitere Gründe für den Nichtabschluss sind ein geringes Vertrauen in Versicherer, ein nach eigener Einschätzung ausreichender technischer Schutz des Hauses und mangelndes Interesse an dem Thema.

Versicherer bieten "Naturkatastrophentarife" an

Nehmen wir die beiden wichtigsten Ablehnungsgründe, also die vermeintlich hohen Kosten der Versicherung und das geringe Bewusstsein für Naturgefahren, näher in den Blick.

Erstens: Ist der Schutz gegen Elementarschäden wirklich unbezahlbar? Die Antwort ist ein klares Nein.

So bietet die Versicherungswirtschaft im Bereich der Elementarschadenversicherung inzwischen "Naturkatastrophentarife" an. Damit lässt sich zwar nicht jeder Kleinstschaden, aber zumindest die wirtschaftliche Existenz zu niedrigen Kosten versichern.

Porträtaufnahme von Gert G. Wagner.
Bild: HIIG

Gert Wagner

Der Sozial- und Wirt­schafts­wissen­schaftler Gert G. Wagner ist Senior Research Fellow am Deutschen Institut für Wirt­schafts­forschung (DIW) in Berlin. Bis 2022 war er Mitglied des Sach­verständigen­rats für Verbraucher­fragen, der die Bundes­regierung berät.

Bei einem hohen Selbstbehalt – also dem Betrag, den Eigentümer:innen im Schadensfall selbst tragen müssen – lässt sich ein normales Einfamilienhaus bereits ab sieben Euro pro Jahr versichern.

Im Falle des Versicherers HUK-Coburg liegt der Selbstbehalt derzeit bei 100.000 Euro. Aus versicherungsmathematischer Sicht ließen sich auch niedrigere Selbstbehalte für "Naturkatastrophentarife" darstellen – noch immer zu sehr günstigen Prämien.

Die Versicherungsnehmer:innen haben jedoch weiterhin volle Wahlfreiheit und können sich dort auch für ein traditionelles Tarifmodell mit niedrigem Selbstbehalt von üblicherweise 500 Euro bei entsprechend höherem Preis der Versicherung entscheiden. Diese sind für die meisten Einfamilienhäuser ab 60 Euro pro Jahr zu haben. Dieses traditionelle Modell wählen nach den Erfahrungen des Versicherers rund drei Viertel aller Neukund:innen.

Allerdings könnten sich die Kosten einer Elementarschadenversicherung perspektivisch erhöhen – vor allem dann, wenn eine Ausweitung der öffentlichen und privaten Vorsorge ausbleiben sollte. Für diesen Fall geht der Versicherungsverband von einer Verdoppelung der Prämien innerhalb der kommenden zehn Jahre aus.

Als ein Grund wird angeführt, dass die Rückversicherer angesichts sich verschärfender globaler Klimakatastrophen auch für Deutschland kontinuierlich ihre Preise anheben. Bei den Rückversicherern sichern sich die Erstversicherer selbst gegen hohe Schäden ab und müssen die Preissteigerungen an ihre Kund:innen weitergeben.

Mehr Bewusstsein für Naturgefahren nötig

Zweitens: Was kann unternommen werden, um das Bewusstsein für Naturgefahren und den eigenen Versicherungsschutz zu steigern?

Eine kurzfristige Lösung bestünde etwa darin, Hauseigentümer:innen genau über ihren Versicherungsstatus zu informieren. Schließlich ist der Abschluss einer Elementarschadenversicherung nach wie vor freiwillig und muss ergänzend zur Wohngebäudeversicherung erfolgen. Unsere Daten decken hier ein erhebliches Informationsdefizit auf.

Porträtaufnahme von Christian Groß.
Bild: privat

Christian Groß

ist Mitarbeiter im wissen­schaftlichen Stab des Sach­verständigen­rats für Verbraucher­fragen. Zuvor forschte der Wirt­schafts­wissen­schaftler am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena zur Kopplung von Energie­verbrauch und Wirt­schafts­wachstum.

Mittel- bis langfristig muss sich in Deutschland ein stärkeres Bewusstsein für Naturgefahren herausbilden. "Risikogesellschaft" und "Katastrophenkultur" sind die Stichworte. Nur dann können Politik und Bevölkerung hinreichend souverän mit den Folgen des Klimawandels umgehen, und auch nur so werden Vorsorgemaßnahmen auf eine hohe Akzeptanz stoßen. Die "Woche der Klimaanpassung", die gerade zum zweiten Mal stattfand, leistet hierzu mit einer Vielzahl von Initiativen besonders auf kommunaler Ebene einen sichtbaren Beitrag.

Parallel soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ab Oktober konkrete Optionen erarbeiten, um den Schutz von Wohngebäuden gegen Elementarschäden zu verbessern. Der Prüfauftrag reicht von einer Ausweitung der technisch-organisatorischen Vorsorge bis zur Prüfung der Einführung einer Versicherungspflicht gegen Elementarschäden, um insbesondere im Gebäudebestand die Versicherungsdichte zu erhöhen.

Es zeigt sich: Klimaanpassung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nun mit Nachdruck angepackt werden muss.

Der Beitrag ist eine stark gekürzte und aktualisierte Fassung eines wissenschaftlichen Artikels in der August-Ausgabe der Fachzeitschrift Wirtschaftsdienst.