Konstituierende Sitzung der Kohlekommission Ende Juni 2018
Heute bei der Kanzlerin (von links): Hubertus Heil, Svenja Schulze, Ronald Pofalla, Peter Altmaier und Barbara Praetorius, hier bei der ersten Sitzung der Kohlekommission im Juni 2018. Für Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (rechts) ist heute sein Nachfolger Michael Kretschmer dabei. (Foto: Susanne Eriksson/​BMWi)

Heute Abend dürfte der Streit um die Milliarden für den Kohleausstieg weitergehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die vier Vorsitzenden der Kohlekommission zusammen mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer zu sich ins Kanzleramt geladen.

Neben den Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff (beide CDU), nehmen ihre Amtskollegen Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) und Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen, CDU) an dem Treffen teil.

Ebenfalls dabei sind laut Medienberichten Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Umweltministerin Svenja Schulze, Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz (alle SPD). Wie es heißt, sollen keine Entscheidungen gefällt werden, das Treffen diene nur dem Austausch.

Gestritten werden dürfte trotzdem, denn die vier Ministerpräsidenten wollen viel Geld für ihre Kohle-Regionen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg verlangen insgesamt 60 Milliarden Euro für Investitionen in Arbeitsplätze, substituierte Kraftwerksleistung und Maßnahmen für die Strukturentwicklung über einen Zeitraum von 30 Jahren. Bisher sind im Koalitionsvertrag nur 1,5 Milliarden für den Zeitraum von 2018 bis 2021 vorgesehen.

"Milliarden für klimapolitisches Nichtstun"

Allerdings hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass die Bundeskanzlerin bereit ist, auf die Forderungen der Länder einzugehen. Die Bundesregierung hat auf Druck der östlichen Bundesländer bereits die Laufzeit der Kohlekommission verlängert. Eigentlich hätte die Kommission schon Ende vergangenen Jahres Ergebnisse vorlegen sollen. Jetzt ist geplant, dass die Kommission Anfang Februar Ergebnisse liefert.

Anlässlich des heutigen Treffens fordern die Vertreter der Umweltverbände in der Kommission, Martin Kaiser von Greenpeace, Kai Niebert vom Dachverband DNR und Hubert Weiger vom BUND, endlich zu klären, wie der Strukturwandel finanziert wird: "Nur so kann die Arbeit der Kohlekommission überhaupt erfolgreich sein", mahnen die drei in einem gemeinsamen Statement.

Sie verlangen, die finanzielle Unterstützung für die Kohleländer an die Stilllegung von Kohlekraftwerken zu knüpfen. "Die Kanzlerin muss den Ministerpräsidenten den Zahn ziehen, dass der Braunkohleausstieg in der Lausitz auf die lange Bank geschoben werden kann."

Das will auch Michael Schäfer, Klimaexperte bei der Umweltstiftung WWF. "Dietmar Woidke und Michael Kretschmer fordern Milliarden für zehn weitere Jahre klimapolitischen Nichtstuns", kritisiert Schäfer. Ähnlich hatte sich das Kommissionsmitglied Reiner Priggen vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW vor einigen Tagen im Klimareporter°-Interview geäußert.

WWF: Bundesregierung nicht verlässlich

Mittlerweile haben nicht nur die drei östlichen Braunkohleländer ihre finanziellen Forderungen an die Regierung gerichtet. Am vergangenen Freitag verlangte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) laut Medienberichten mehr als zehn Milliarden Euro über mehrere Jahrzehnte für den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen. 

Pinkwart erwähnte auch Entschädigungen für die Energieunternehmen. "Je früher man rausgeht, umso höher werden die Entschädigungszahlungen sein", zitiert ihn die Aachener Zeitung. Für alle Braunkohleregionen zusammen fordert er dafür einen "mittleren zweistelligen Milliardenbetrag".

"Ich wundere mich doch sehr, dass die Landesregierung sich zum Bittsteller des Kohlekonzerns RWE macht und Entschädigungszahlungen als selbstverständlich einstuft", kommentierte Kommissionsmitglied Antje Grothus von der Initiative Buirer für Buir Pinkwarts Forderung nach Entschädigungen. Zunächst müsse rechtlich geprüft werden, ob RWE überhaupt einen Anspruch auf die Entschädigungen habe.

Dass der Kohleausstieg jetzt im Kanzleramt diskutiert wird, findet aber zumindest Michael Schäfer vom WWF sinnvoll. "Angela Merkel muss ein paar Ansagen machen. Nicht nur an die ostdeutschen Ministerpräsidenten, sondern auch an ihre Minister", fordert er.

So habe beispielsweise Verkehrsminister Andreas Scheuer die Forderungen der Kohlekommission nach einem Ausbau der Infrastruktur in der Lausitz nicht im Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt. "Das ist das Gegenteil der Verlässlichkeit, die wir brauchen", so Schäfer.