Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Welzow bei Cottbus.  Jens Seifert/​Wikimedia Commons  Ein riesiges Schaufelrad baggert Abraum ab, klein daneben zwei Bergarbeiter.
Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Welzow in Brandenburg. Nach den Plänen der Landesregierung soll er bis 2040 und länger laufen. (Foto: Jens Seifert/​Wikimedia Commons)

Thematisch aufgeteilt haben die Ministerpräsidenten der drei ostdeutschen Braunkohle-Länder laut Medienberichten am heutigen Freitag eine gesamtdeutsche Anstrengung zur Bewältigung des Kohleausstiegs gefordert. Wie zuvor schon gegenüber der Wirtschaftswoche verlangte der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), dass Industrie und öffentliche Hand in den betroffenen Regionen bundesweit mindestens 60 Milliarden Euro in die Infrastruktur und in neue, moderne Industriearbeitsplätze investieren, um den Kohleausstieg zu bewältigen.

Für Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) bedeutet ein "vernünftiger Rahmen" für den Ausstieg, dass zuerst neue Arbeitsplätze geschaffen werden und dann der Kohleausstieg folgt. Das erfordere Ideen, Geld und Zeit, sagte Kretschmer, der hierfür auch die Bundesregierung in der Pflicht sieht.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der am Vormittag einen Windkraft-unfreundlichen Antrag im Bundesrat begründet hatte, behauptete, die Braunkohle habe vor dem Hintergrund des Atomausstiegs an Bedeutung gewonnen. Nun gehe es um die Frage, wie künftig "zuverlässig und kostengünstig" in Deutschland Strom produziert werden könne. Woidke verwies auf Fortschritte bei den Erneuerbaren, vor allem in Brandenburg, hob aber zugleich deren "Unzuverlässigkeit" heraus.

"Weiter-so-Politik verhindert den Strukturwandel"

Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, forderte am Freitag ebenfalls, das Tempo des Ausstiegs aus Kohleverstromung "nicht im Blindflug zu erhöhen". Man müsse sich der Nebenwirkungen bewusst sein. In den Kohleregionen müsse es rasch gelingen, neue und gleichwertige Beschäftigung aufzubauen.

Entscheidend sei, die Versorgungssicherheit bei jedem Wetter zu gewährleisten, sagte Kempf – auch dann, wenn der Strom in den Nachbarländern knapp sei.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte den drei Ost-Ministerpräsidenten zuvor in der Rheinischen Post eine rückwärtsgewandte Politik vorgeworfen."Anstatt zu handeln, haben sie die Hände in den Schoß gelegt und ein Weiter-so propagiert", sagte Baerbock. Das verstoße nicht nur gegen die Pariser Klimaziele, sondern blockiere auch den notwendigen Strukturwandel in den Regionen.

Es komme jetzt darauf an, dass die Landesregierungen zusammen mit der Bevölkerung und der Kohlekommission ein zukunftsfähiges Konzept vorlegen, sagte Baerbock. Dazu gehöre der Ausbau des Schienenverkehrs genauso wie Investitionen in Zukunftstechnologien rund um Digitalisierung und Energiewende mithilfe eines Strukturwandelfonds.

Ergänzung am 22. Oktober: In einem auf vergangenen Donnerstag datierten "Ostpapier" beziffern die drei Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt die bei einem Braunkohleausstieg wegfallende Wertschöpfung auf rund 2,4 Milliarden Euro pro Jahr für die ostdeutschen Braunkohlereviere.

Für Investitionen in Arbeitsplätze, substituierte Kraftwerksleistung sowie Maßnahmen für die Strukturentwicklung werden die Kosten auf zwei Milliarden Euro pro Jahr für einen Zeitraum von 30 Jahren veranschlagt. Das ergibt die schon kolportierte Summe von 60 Milliarden Euro Gesamtkosten. Allerdings bewegt sich die Kostenschätzung laut dem Papier "eher am unteren Rand".

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