Für Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gibt es derzeit kein Durchkommen. Ihren Vorschlag, den CO2-Grenzwert für Pkw-Neuwagen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 zu senken, hat jetzt wohl auch Finanzminister Olaf Scholz (ebenfalls SPD) abgelehnt.
Wie der Spiegel berichtet, hat der Finanzminister Schulzes Vorschlag bei einem Treffen mit der Umweltministerin gerügt. Das Halbierungsziel dürfte nun vom Tisch sein, schreibt das Magazin. Es werde nur noch nach einem Weg gesucht, wie Schulze ohne Gesichtsverlust aus dem Konflikt herauskommen kann.
Denn schon im Oktober muss Schulze nach Luxemburg fahren und dort in der Diskussion mit den anderen Umweltministern den deutschen Standpunkt vertreten. Derzeit gilt in der EU ein CO2-Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer, den ein Hersteller im Durchschnitt aller seiner im Jahr 2021 verkauften Neuwagen einhalten muss.
Auch der Verkehrsminister legte Schulze Steine in den Weg
Für die Neuregelung ab 2021 hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag gemacht. Der sieht bisher vor, den Kohlendioxid-Ausstoß von Fahrzeugen bis zum Jahr 2025 durchschnittlich um 15 Prozent, bis 2030 um 30 Prozent zu senken.
Der Finanzminister ist allerdings nicht der erste, der Schulze Steine in den Weg legt. Den Auftakt machte der Verkehrsminister. Er werde "die Vernichtung einer europäischen Leitindustrie" nicht mitmachen, sagte Andreas Scheuer (CSU) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Im Rat der EU-Umweltminister im Juni musste Schulze deshalb vortragen, dass die Bundesregierung ihre Haltung noch nicht intern abgestimmt hat. "Es ist kein besonders segensreicher Auftakt, wenn Deutschland keine Position dazu hat", kritisiert Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber Klimareporter°.
Schwacher EU-Klimaschutz ruft nach mehr nationalen Maßnahmen
Der Umwelthilfe ist der Kommissionsvorschlag ebenfalls nicht ehrgeizig genug. "Die geplanten Vorgaben sind aus unserer Sicht nicht geeignet, um die internationalen und vor allem die nationalen Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen", heißt es in einem gemeinsamen Papier der Umweltverbände DUH, BUND, Nabu und VCD. Dass die Minderungsziele in Prozent angegeben werden sollen, biete den Herstellern Schlupflöcher. Zudem solle erst 2020 festgelegt werden, auf welchen Wert sich die Prozentangaben beziehen.
Die vier Verbände weisen darauf hin, dass auf einzelstaatlicher Ebene mehr getan werden muss, wenn der EU-Klimaschutz nicht genug leistet. Denn die Bundesregierung hat sich in ihrem "Klimaschutzplan 2050" das Ziel gesetzt, die Emissionen im Verkehr bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. "Es ist absurd, das 2030er Ziel rechtsverbindlich zu verankern, aber nichts zu tun, um die Einhaltung sicherzustellen", sagt Verkehrsexpertin Saar.
"Je schwächer die zukünftigen Effizienzvorgaben für Pkw, desto umfassender müssen auf nationaler Ebene andere, bisher nicht geplante Maßnahmen im Verkehrsbereich ergriffen werden", heißt es in dem Verbändepapier. Das könnten laut Papier etwa eine entfernungsbasierte Pkw-Maut, höhere Sätze bei der Mineralölsteuer oder ein Tempolimit auf Autobahnen sein.
"Das Finanzministerium müsste das Verkehrsministerium treiben"
Der mangelnde Klimaschutz im Verkehr könnte jedoch auch dem Finanzminister wieder auf die Füße fallen. Denn für den Verkehrssektor hat sich Deutschland nicht nur selbst ein Reduktionsziel gesetzt, auch im europäischen Rahmen hat sich die Bundesregierung zu Minderungszielen verpflichtet.
Weil der Verkehrssektor nicht Teil des CO2-Emissionshandels ist, haben sich die EU-Staaten hier auf eine sogenannte Lastenteilung ("Effort Sharing") geeinigt, bei der jedes Land einen Beitrag entsprechend seiner Wirtschaftskraft leistet. Für Deutschland ergibt sich daraus die Verpflichtung, die Emissionen in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Abfall und Landwirtschaft um 14 Prozent gegenüber 2005 reduzieren, bis 2030 sind es 38 Prozent.
Wenn Deutschland dieses Ziel verfehlt, müssen zum Ausgleich Emissionsrechte von anderen Ländern gekauft werden. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung Tagesspiegel könnten diese Zahlungen – die nicht nur für den Verkehr, sondern auch für die Sektoren Landwirtschaft und Gebäude fällig würden – den Bund zwischen fünf und 30 Milliarden Euro kosten.
Schon aus diesem Grund müsste sich Finanzminister Scholz für mehr Klimaschutz im Verkehr einsetzen, meint Saar. "Das Finanzministerium müsste das Verkehrsministerium treiben."