Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, alle Flüge unter 1.000 Kilometern sollten auf die Schiene verlagert werden, schlägt Jakob Graichen vom Öko-Institut vor. Wie schaffen wir das?

Andreas Knie: Die Forderung, dass Flüge unter 1.000 Kilometern eingestellt werden sollen, liegt schon seit vielen Jahren auf dem Tisch der Verkehrspolitik. Das Interessante dran: Die Airlines würden hier sogar mitgehen. Geld wird vor allen Dingen mit langen Flügen und gut gefüllter Businessklasse verdient, da reichen die vorhandenen Drehkreuze in Frankfurt am Main, München und Düsseldorf aus.

Der Zubringerverkehr, beispielsweise die vor Corona immer noch angebotenen Flüge von Nürnberg nach München oder von Köln nach Frankfurt, ist da ökologischer und ökonomischer Unsinn.

Die Pandemie bietet die Chance, alle Inlandsflüge sofort einzustellen. Der geplante Einstieg des Bundes in die Lufthansa wäre da der Anlass. Die Krise als Chance – und die vielen kleinen Regionalflughafenbetreiber können sich als Innovationszentrum neu erfinden. Platz wäre ja jetzt da.

Die Verkehrsminister der Länder fordern die Einrichtung eines Rettungsschirms für den öffentlichen Nahverkehr – über mindestens fünf Milliarden Euro. Wie stark gefährdet die Corona-Pandemie den ÖPNV und die Verkehrswende?

Das Rückgrat des Verkehrs in den großen Städten sind Busse und Bahnen. Rund zwölf Milliarden Euro nehmen die Betreiber von den Nutzern ein. Wenn aber Kitas, Schulen, Hochschulen, Behörden und viele Kneipen geschlossen sind, fährt kaum noch einer. Abos wurden gekündigt, Bareinnahmen kaum noch registriert. Die Kommunen müssen diese Ausfälle aus ihren klammen Haushalten ausgleichen.

Das wird nicht gelingen, hier braucht es Bundeshilfe. Aber diese sollte wie alle Stützungsmaßnahmen an Bedingungen geknüpft werden: Busse und Bahnen werden im Betrieb durchgängig dekarbonisiert. Und die Angebote müssen digital integriert und gegenseitig buchbar gemacht werden.

Das heißt zum Beispiel: Die App meines Verkehrsbetriebs zu Hause muss auch in der Nachbarstadt oder am anderen Ende von Deutschland funktionieren. Und sie muss endlich auch die letzte Meile umfassen, auch wenn die nicht mit dem ÖPNV zurückgelegt wird. Pooling- und Sharingdienste ermöglichen dann eine Tür-zu-Tür-Versorgung.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will unlängst beschlossene härtere Strafen für Raser – nach erheblichem Protest – zum Teil wieder zurücknehmen. Sind Fahrverbote als Strafe unverhältnismäßig, wie der CSU-Minister nun meint?

Die Reformarbeiten an der Straßenverkehrsordnung sind Jahre vorbereitet worden, alle Verkehrsexperten sind sich einig, dass zu schnelles Fahren die Unfallursache Nummer eins ist und vor allem bei dichter Besiedlung erhebliche Folgen hat. Die Reform war überfällig und sollte nicht zurückgedreht werden, weil Belehrungen nicht genügen und der jetzige Strafkatalog zu milde war.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die wirklich schlimmste Überraschung war, dass es die Autolobby offenbar tatsächlich geschafft hat, gemeinsam mit der IG Metall wieder eine Abwrackprämie durchzusetzen. Warum gibt es keine Prämie für den Kauf von Kühlschränken, Waschmaschinen oder Staubsauger?

Metaphorisch gesprochen bomben wir uns klimapolitisch zurück in die Steinzeit: Die Steuerzahlenden müssen den Wohlhabenden Geschenke machen, denn nur die können sich deutsche Autos überhaupt noch leisten. Reiche kaufen also spritsaufende Monsterautos, ruinieren das Klima, verpesten die Luft und vermüllen den öffentlichen Raum.

Grotesker geht’s nicht mehr. Die große Koalition hat damit Ihre Glaubwürdigkeit bei der Bekämpfung der Klimakrise verloren. Es gilt das Motto: jetzt saufen, später bezahlen.

Fragen: Sandra Kirchner