Miriam Dalli, Vorsitzende des EU-Umweltausschusses aus Malta
Miriam Dalli, Berichterstatterin im EU-Umweltausschuss aus Malta, scheut nicht die Konfrontation mit der mächtigen Autolobby. (Foto: Büro Miriam Dalli)

Am Mittwochmorgen hat Miriam Dalli ihren großen Auftritt im Umweltausschuss in Brüssel. Sie ordnet noch ihre Papiere und legt die Ohrhörer für die Übersetzung zur Seite, bevor sie nüchtern ihren verwegenen Plan für neue CO2-Regeln für die europäische Autoindustrie vorträgt, wohl wissend, dass sie damit massiven Protest entfachen wird. Vor allem aus Deutschland.

Dalli weiß, wie sie einen Auftritt zu bestreiten hat. Mehr als 15 Jahre hat die heutige EU-Parlamentarierin im Kommunikationssektor in Malta gearbeitet, sie war eine der bekanntesten TV-Journalistinnen im Land und hat als erste Frau die Nachrichtenredaktion eines Fernsehsenders auf Malta geleitet. Noch wichtiger für ihre Arbeit im Umweltausschuss ist freilich ihre Erfahrung als Rechtswissenschaftlerin.

Was Dalli vorschlägt, hat es in sich: Bis 2025 soll die Autoindustrie ein Viertel des CO2-Ausstoßes ihrer Neuwagenflotte bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen einsparen, bis 2030 sogar die Hälfte (gegenüber 2021). Aber das reicht der 42-jährigen Berichterstatterin des federführenden EU-Umweltausschusses noch nicht. Obendrein fordert die Abgeordnete von der sozialdemokratischen Fraktion, dass schon 2030 die Hälfte aller Neuwagen keinerlei Emissionen mehr ausstoßen darf.

Es wäre eine wahre Revolution auf den Straßen Europas. Und eine gigantische Herausforderung für die Autoindustrie, die sich gerade in Deutschland lange jedem Wandel verschlossen hat und bis heute vor allem auf Benzin- und Dieselfahrzeuge setzt.

Geldstrafen statt Boni

"Wer den Wandel aufhält, wird unsere Industrie nicht wettbewerbsfähiger machen", erklärt Dalli. "Es hält bloß einige Industrien für einige Jahre in einer Komfortzone, bis uns klar wird, dass andere Kontinente uns weit überholt haben, es zu spät sein könnte, sie noch aufzuholen und wir Arbeitsplätze und Chancen für die Wirtschaft verloren haben."

Weil die Autoindustrie aber nicht von selbst aus dieser Komfortzone komme, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt habe, muss die Politik Dalli zufolge eingreifen. Und genau das tut sie gerade: Die EU-Kommission hat bereits einen Vorschlag vorgelegt, wie der Verkehr in Europa endlich CO2 einspart. Der Gesetzentwurf sieht allerdings nur eine CO2-Minderung von 15 Prozent bis 2025 und 30 Prozent bis 2030 vor. Und um bis 2025 einen Anteil von 15 Prozent an CO2-armen Fahrzeugen zu erreichen und 30 Prozent bis 2030, soll es ein Bonus-System geben. Dalli hingegen fordert keine Anreize, sondern Geldstrafen, sollte die geforderte Menge an Null-Emissions-Fahrzeugen nicht erreicht werden.

Denn während alle anderen Sektoren zum Klimaschutz beitragen und seit 1990 ihre Emissionen mehr oder weniger deutlich gesenkt haben, hat der CO2-Ausstoß im Verkehr kräftig angezogen. "Das frisst die ganzen Fortschritte aus den anderen Sektoren wieder auf, den wir mit Milliarden Euro unserer Steuergelder erreicht haben", kritisiert der EU-Abgeordnete der Grünen Michael Cramer gegenüber Klimareporter.

Autobauer: "Gefährliches Zahlenspiel"

Der Protest aus der Autoindustrie lässt nicht lange auf sich warten. "Der von Frau Dalli vorgelegte Bericht lässt jegliches Augenmaß vermissen", giftet der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Es wird ein gefährliches Zahlenspiel auf Kosten einer Schlüsselindustrie und damit vieler Bürger in Europa gespielt."

Der VDA ist der Ansicht, dass die Vorschläge der Kommission, die die Automobilindustrie bereits vor "extreme Herausforderungen" stellen würden, vollkommend ausreichend seien, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Dalli hingegen argumentiert, dass diese aber nicht genügen, um dem Zwei-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen nachzukommen.

Ein Kritikpunkt der Autobauer richtet sich auf die Bevorzugung der Elektromobilität gegenüber anderen klimafreundlichen Technologien wie Brennstoffzelle oder E-Fuels. Zumindest diesen Punkt teilt Michael Cramer: "Wir sollten uns da nicht auf eine Technologie festlegen", sagt der Grüne. "Wichtig ist, was hinten rauskommt."

Dalli hingegen bestreitet, dass ihr Vorschlag sich nur auf eine Technologie konzentriere. "Diese Gesetzgebung betrifft die Senkung von CO2-Emissionen", sagt sie gegenüber Klimareporter. "Es geht nicht nur um Elektroautos, sondern es geht um CO2-arme und CO2-freie Fahrzeuge, das schließt auch andere Technologien ein." Etwa Hybridautos, Plug-in-Hybride und Wasserstoff-Fahrzeuge.

Doch erst einmal muss Dallis Vorschlag durch die Mühlen der Gesetzgebung. In Umweltausschuss und Parlament stehen die Chancen recht gut. Dann aber fangen die richtigen Kämpfe an – im sogenannten Trilog zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten. Dalli rechnet mit Unterstützung von wichtigen EU-Staaten, die sich inzwischen zu Vorreitern beim Klimaschutz im Verkehr gemausert haben. Etwa die Niederlande, Frankreich und Großbritannien, die allesamt schon ein Verkaufsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erlassen haben: Zwischen 2025 und 2040 soll Schluss sein.

Volvo will sogar schon ab 2019 nur noch Elektroautos und Hybride bauen. Selbst BMW rechne damit, dass 2025 ein Viertel aller verkauften Neuwagen Elektroautos seien, sagt Dalli. Und erinnert daran, dass das deutsche Umweltbundesamt sogar einen 70-Prozent-Anteil von CO2-armen Fahrzeugen ab 2030 fordert.

Was Deutschland angeht, sollte sie sich aber nicht zu viel Hoffnung machen. "Wir können davon ausgehen, dass die Bundesregierung selbst gegen die sanften Vorschläge der Kommission vorgehen wird", sagt Cramer.

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