Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, Deutschland blickt auf ein Stück Wald im Rheinland: den von Klimaaktivisten seit Jahren besetzten Hambacher Forst, den RWE für seinen Kohletagebau roden möchte. Die Räumung – formell aus Sicherheitsgründen – ist mittlerweile weit fortgeschritten. Wie haben Sie die vergangenen Wochen erlebt?

Jens Mühlhaus: Es fühlt sich an, als würde ein Aufwachen durch die breite Gesellschaft gehen. Wir selbst als Ökostromproduzenten der ersten Stunde standen häufig fassungslos davor, wie in der Vergangenheit das Thema fossile Stromerzeugung in der breiten Öffentlichkeit, der Politik oder auch in Wahlkämpfen einfach totgeschwiegen wurde.

Der Widerstand vor Ort hat dafür gesorgt, dass Klimawandel, erneuerbare Energien und Kohleausstieg in der breiten Bevölkerung ankommen. Das Zukunftsthema schlechthin bekommt endlich den längst überfälligen und dringend notwendigen medialen Raum – die Seite eins der großen Tageszeitung, die Aufmacher der Nachrichtensendungen. Und das Beste: Jeder fühlt sich angesprochen mitzumachen.

Denn mit der Rodung im Hambacher Forst kommen die Ursachen des Klimawandels auf einmal ganz nah. Das kleine Stückchen Wald ist etwas Reales, etwas vor unserer Haustür. "Klimawandel" – da steht der einzelne häufig als Zuschauer am Spielfeldrand. Ohne zu wissen: Was bewirke ich als einzelner eigentlich, wenn ich Ökostrom beziehe oder im Bio-Supermarkt einkaufe? "Hambi" ist Klimaschutz zum Anfassen. Gut gegen Böse, Roden oder Erhalten, Zuschauen oder Mitmachen.

Die Entscheidung liegt auf der Hand und hat das Potenzial, ein Meilenstein in der Geschichte der Energiewende zu werden. Auf welche Energiequellen setzen wir in Zukunft? Bleibt es bei der Rodung, ist das ein deutliches Signal für ein "Weiter so" in unserem Energiesystem. Bleibt der Wald, könnte dies tatsächlich der Wendepunkt sein – für einen raschen Kohleausstieg und den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Für das kommende Jahr rechnet die Regierung bei der Windkraft an Land nur noch mit 1.500 bis 2.000 Megawatt Zubau – der vorgesehene Ausbaukorridor wird nicht ansatzweise ausgeschöpft. Hat sich das ohnehin umstrittene Ausschreibungsmodell erschöpft?

Eindeutig. Wir erleben ab dem kommenden Jahr die drastischen Folgen der politischen Fehlentscheidungen der letzten Jahre.

Ich erinnere mich gut: Vor einem Jahr wurde ich an dieser Stelle nach unserer Einschätzung zum missglückten Ausschreibungsverfahren befragt. Unsere damalige Prognose als Projektierer und die der Branche werden mit diesen Zahlen auf dem Silbertablett bestätigt.

Die Fehlkonstruktionen im Ausschreibungsverfahren mit der vermeintlichen Bevorzugung der Bürgerenergiegenossenschaften hat eine komplette Branche lahmgelegt. Das zeigt jetzt seine Wirkung. Der Zubau der Windenergie bricht massiv ein.

Die Verunsicherung ist groß: Von verlässlichen politischen Rahmenbedingungen für die Windbranche keine Spur. Bisher gibt es keine der angekündigten Sonderausschreibungen, nur leichte Nachjustierungen in den Ausschreibungsmodalitäten.

Der Vertrauensverlust bei den Windmüllern ist enorm. Bisher weiß keiner, wie die Bundesregierung die Zubau-Ziele und die Förderung der Erneuerbaren noch schaffen will. Ein Jahr nach der Bundestagswahl ist für den Ausbau der Erneuerbaren zu wenig passiert.

Mit unseren zwei süddeutschen Windparks in Blumberg und Fuchsstadt haben wir Anfang des Jahres an den Ausschreibungen teilgenommen und Zuschläge erhalten. Das hat uns Rückenwind gegeben, aber auch wir sind gespannt, wann die angekündigten Sonderausschreibungen und der angestrebte Mindestanteil von Windenergieanlagen südlich des Netzengpasses endlich Wirklichkeit werden. Die Bundesregierung muss jetzt handeln, um den Projektierern wieder eine Basis für ihre Arbeit zu bieten.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

München hat es satt! Der bayerische Landtagswahlkampf prägt in München nicht nur massiv das Stadtbild, sondern auch das Zusammenleben. In dieser Woche musste der amtierende Ministerpräsident sich nicht wie gewohnt mit seinem Kontrahenten der SPD auseinandersetzen, sondern traf im TV-Duell auf den Spitzenkandidaten der Grünen. Denn die Grünen könnten nach aktuellen Prognosen die zweitstärkte Kraft in Bayern werden.

Bayern steht Kopf und wacht aus seinem Dornröschenschlaf auf. Die Menschen gehen auf die Straße. Ob "Mia ham's satt" oder "Ausgehetzt" – die aktuellen Demos in der Landeshauptstadt beflügeln.

Eine Stimmung, die ansteckt. Deswegen rufen wir gemeinsam mit unserem Verein alle Münchner Aktivisten und Zukunftsmacher auf, mit uns am 6. Oktober zur Demo nach Buir ins Rheinland zu fahren. Wir haben einen Busshuttle von München zum Hambacher Forst organisiert und mobilisieren zum Mitmachen. Auch von vielen anderen Städten gibt es Bustouren. Denn der Hambacher Forst geht uns alle an!

Fragen: Susanne Schwarz

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