Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, der Kommunikationswissenschaftler Professor Michael Brüggemann erklärt im Klimareporter°-Interview, warum es nicht klug ist, den Weltuntergang auszumalen, und wie eine zeitgemäße Klimaberichterstattung aussehen müsste. Was denken Sie, wie erreicht man die Menschen am besten?

Jens Mühlhaus: Ein zentraler Punkt ist doch, dass in der Presse bisher klimabedingte Horrorszenarien dargestellt wurden. Heute brauchen wir keine Zukunftsbilder vom Klimawandel zu zeigen, wir erleben diesen jeden Tag. Und diese Tatsache vermisse ich in der breiten Berichterstattung. Jeder hat in den vergangenen Wochen mindestens ein Mal die Meldung über die Hitzerekorde des Aprils gehört und freut sich darüber, dass der Grill wieder ein bisschen eher angeworfen werden konnte. Dass dies aber kein Grund zur Freude, sondern zur Besorgnis ist, wird von der Presse – bewusst oder unbewusst – meist verschwiegen.

Für ein Energiewendeunternehmen wie unseres ist das eine tägliche Herausforderung und im Umkehrschluss ergibt sich ein wichtiger Kommunikationsbaustein: Aufklärung! Wir kämpfen gegen eine hochprofessionelle Lobby, die aktiv Pressearbeit gegen die Energiewende betreibt. Fake-News über die Kosten und den Nutzen sind regelmäßig in großen deutschen Tageszeitungen zu lesen. Mit jedem Schritt, den wir gehen, müssen wir unermüdlich weiter vermitteln, warum unsere Arbeit und die vieler anderer im Erneuerbare-Energien-Sektor für unsere Umwelt so wichtig ist.

Diese Überzeugungsarbeit müssen wir bei Pressevertretern genauso leisten wie bei unseren Kunden, Kommunen und Partnern. Gut ist, dass die reinen Fakten für uns sprechen. Denn dass der Klimawandel voranschreitet, das kann eigentlich keiner mehr leugnen. Es gibt unzählige Studien, die unsere Aussagen immer und immer wieder belegen. Wer es dann immer noch nicht glaubt, dem hilft vielleicht ein einfacher Blick aufs Thermometer.

Jedes Jahr sterben in Europa 23.000 Menschen verfrüht an den Folgen der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, wie eine Studie ergab. In Deutschland scheinen sich jedoch fast mehr Leute über Windanlagen aufzuregen als über Kohlekraftwerke. Wie erklären Sie sich das?

Wichtiger Bestandteil unserer Projektierungsarbeit ist das Einbinden von Gemeinden und Bürgern, wenn es um die Realisierung von Windkraftprojekten gibt. Dabei treffen wir immer wieder auf dieses Phänomen: Energiewende ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Vor allem auf Informationsveranstaltungen zu Bauvorhaben für neue Windkraftanlagen wird es hoch emotional. Da merkt man, dass die Transformation des Energiesektors noch immer einen langen Weg vor sich hat. Auch wenn man bedenkt, dass die Energiewende eigentlich eine sehr geringe Verhaltensveränderung für den Einzelnen nach sich zieht, bedarf auch sie einer Bereitschaft zur Veränderung.

Die Energiewende wird früher oder später eine Dezentralisierung mit sich bringen. Bisher kennen die Menschen nur ihre fossilen und atomaren Großkraftwerke, die sie im besten Fall nicht hören und sehen. Eine erfolgreiche Transformation hin zu regenerativen Energiequellen erfordert aber eine kleinteilige, breite Wirtschaftsstruktur. Und diese braucht die Menschen vor Ort. Deswegen ist es wichtig, sie an der Wertschöpfung zu beteiligen, nur so steigt auch die allgemeine Akzeptanz für unsere Vorhaben. Aus Konsumenten werden Geschäftspartner, aus Kritikern können Mitstreiter werden. Das ist ein langer, mitunter steiniger Weg, der aber absolut notwendig ist.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Ein besonderer Moment in dieser Woche war die Anlieferung unserer ersten Crowd-finanzierten Elektroroller für unser Sharing-System in München. Nachdem wir letztes Jahr ein Joint Venture mit dem Berliner Sharing-Anbieter Emmy aus Berlin gegründet und die ersten 50 Roller auf die Münchner Straßen gebracht haben, stocken wir jetzt die Flotte auf. Via Crowdinvesting wollen wir 400 E-Roller nach München bringen. Die ersten über unsere Plattform finanzierten Roller sind jetzt eingetroffen, sodass Ende dieses Monats bereits 150 E-Roller durch die Straßen sausen werden.

Momente wie diese zeigen ganz deutlich, dass sich Strukturveränderungen durch den reinen Willen und die Kraft der Gemeinschaft herbeiführen lassen. Manche Dinge muss man einfach machen, bevor wir alle zusammen auf politische Beschlüsse warten und – in dem Fall – im Verkehrskollaps ersticken!

Fragen: Benjamin von Brackel