
670 Megawatt hatte die Bundesnetzagentur bei der zweiten Ausschreibung für Windprojekte an Land in den Ring geworfen. Am Ende gingen aber nur 111 Gebote mit zusammen 604 Megawatt ein, gab die Bonner Behörde jetzt bekannt. Formal wären laut dem Branchenverband BDEW sogar Projekte mit insgesamt 1.384 Megawatt berechtigt gewesen, sich an der Ausschreibungsrunde zu beteiligen.
Übersteigt das Angebot die Nachfrage, sinken normalerweise die Preise – bei den Ausschreibungen ist es allerdings umgekehrt: Die zuletzt unter Preisdruck geratenen Windkraft-Projektierer konnten höhere Zuschüsse durchsetzen. Für ihre Vorhaben können sie nun mit einer EEG-Förderung von 4,65 bis 6,28 Cent je Kilowattstunde rechnen, im Schnitt gewährt die Bundesnetzagentur 5,73 Cent. Die meisten Zuschläge gingen nach Nordrhein-Westfalen (insgesamt 138 Megawatt) sowie Brandenburg (87 Megawatt).
Bei der ersten Ausschreibung im Februar dieses Jahres hatten die Werte, mit denen sich die Projekte im Bieterwettbewerb durchsetzten, noch bei durchschnittlich 4,73 Cent gelegen, also um einen ganzen Cent niedriger als jetzt. Die aktuellen 5,73 Cent liegen schon nahe bei den sechs Cent, die in der Strombranche für nötig gehalten werden, damit sich neue Kraftwerke, egal ob erneuerbar oder noch fossil, rentabel bauen und betreiben lassen.
Die höheren Zuschlagswerte seien auch positiv für süddeutsche Wind-Standorte, freut sich Jens Mühlhaus, Vorstand beim Münchner Ökostrom-Unternehmen Green City AG. Damit könnten Windenergie-Projekte in Bayern und Baden-Württemberg realisiert und wirtschaftlich betrieben werden. "Für einen zuverlässigen Ausbau von Erzeugungskapazitäten südlich des Netzengpasses ist ein süddeutscher Mindestanteil in der Ausschreibung aber unverzichtbar", so Mühlhaus weiter.
Branchenverband: Bürgerenergie braucht keine Privilegien
Der Anstieg um einen Cent scheint auch ein weiteres Problem zu entschärfen. Unter den 111 Geboten waren auch 15 von Bürgerenergiegesellschaften (zusammen 113 Megawatt), denen gesetzlich das höchste noch vergebene Gebot zusteht – in diesem Fall eben die obere Grenze von 6,28 Cent je Kilowattstunde.
Für Stefan Kapferer vom Branchenverband BDEW zeigt das, dass kleinere Bewerber ebenfalls "realistische Chancen" auf Erfolg haben – auch ohne Privilegien. Die bisherige Bevorzugung von Bürgerenergiegesellschaften könne und solle daher "dauerhaft und zeitnah vor den kommenden Ausschreibungsrunden aufgehoben werden", fordert der Geschäftsführer des konventionellen Verbandes.
Die entsprechende Gesetzesvorlage der Bundesregierung wird allerdings kaum noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. "Nach wie vor ist nicht gesetzlich geklärt, ob die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in künftigen Ausschreibungen Voraussetzung zur Teilnahme wird", beklagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE).
Im vergangenen Jahr hatten Bürgerenergie-Bewerber unter anderem keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorlegen müssen. Die gut gemeinte Sonderregel führte aber dazu, dass große Projektierer pro forma "Bürgerenergiegesellschaften" gründeten und bei den Ausschreibungsrunden fast alle Zuschläge abräumten, weil sie mit konkurrenzlos niedrigen Erzeugungskosten kalkulieren konnten. Die Bundesregierung hatte deshalb für die beiden Ausschreibungen 2018 die Sonderregel vorläufig ausgesetzt.
Nach Angaben von BWE-Chef Albers sind viele Firmen zudem verunsichert, ob und wie sich künftig in Ausschreibungen eine Projektfinanzierung erreichen lässt. Für die Verunsicherung sorge vor allem der Stillstand bei der Erfüllung des Koalitionsvertrages. Nach wie vor sei unklar, welche Mengen bei Windkraft in den kommenden Jahren ausgeschrieben werden, um das Ziel der Bundesregierung von 65 Prozent Erneuerbaren-Anteil am Strommarkt bis 2030 zu erreichen.
Redaktioneller Hinweis: Jens Mühlhaus ist Mitherausgeber von Klimareporter