Beim Klimaschutz gibt es schon wenige Wochen nach Start der neuen Regierung Streit zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Wie schnell oder wie langsam der Ausbau erneuerbarer Energien ablaufen soll, darüber gibt es offenbar unterschiedliche Vorstellungen – obwohl der Koalitionsvertrag in diesem Punkt recht eindeutig ist.
In der heutigen Debatte zum Bundeshaushalt 2018 machte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) klar, dass sie den Koalitionsvertrag "eins zu eins" umgesetzt sehen will, was die geplanten Sonderausschreibungen von 4.000 Megawatt Solar- und Windkraft betrifft. "Darauf bestehen wir."
Ende April hatte Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier (CDU) einen Referentenentwurf für ein sogenanntes "100-Tage-Gesetz" vorgelegt, mit dem die Bundesregierung die eiligsten Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) noch vor der Sommerpause festzurren will. Der Entwurf liegt Klimareporter vor. In dem Altmaier-Entwurf waren die vereinbarten Sonderausschreibungen nicht enthalten.
Schulze griff Altmaier in ihrer Rede vor dem Bundestag nun mit deutlichen Worten an. "Verlässlichkeit ist ein hohes Gut. Gerade in einer Koalition", sagte die SPD-Ministerin. "Zur Verlässlichkeit gehört, dass man sich an Vereinbarungen hält."
Die zusätzlichen Ausschreibungen seien "der bisher einzig gesicherte Beitrag zur Minderung der Klimaschutzlücke", sagte Schulze. So könnten acht bis zehn Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Dass dies nun entfallen solle, sei "nicht akzeptabel".
Deshalb habe sie, Schulze, der Versendung des Gesetzentwurfs an die Länder und die Verbände widersprochen. "Die Menschen müssen sich auf diese Koalition verlassen können, und das geht nicht, wenn sich Teile der Union gleich beim ersten Projekt in die Büsche schlagen."
Haus Altmaier sendet widersprüchliche Signale
Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD den Anteil des erneuerbaren Stroms bis 2030 auf "etwa 65 Prozent" erhöhen. Damit soll verhindert werden, dass Deutschland noch weiter vom Klimaschutzpfad abkommt. Das Ziel für das Jahr 2020, das eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht, hat die Groko praktisch schon aufgegeben.
Um die "Klimaschutzlücke" zumindest nicht allzu groß werden zu lassen, kündigten die Koalitionäre als Sofortmaßnahme in ihrem gemeinsamen Vertrag an, bis 2020 zusätzliche Ausschreibungen für Windkraft an Land und Photovoltaik über den bisher geplanten Rahmen hinaus vorzusehen. Diese gesonderten Auktionen sollten 2019 und 2020 stattfinden. Nun steht ein dickes Fragezeichen hinter den Plänen.
Unterdessen hat das Altmaier-Ministerium betont, man werde bei den Sonderausschreibungen bleiben. Jedoch müsse dabei auf die "Aufnahmefähigkeit der Netze" geachtet werden. Bedenken innerhalb der Union, was diese Aufnahmefähigkeit betrifft, sollen auch der Grund gewesen sein, warum die zusätzlichen Ausschreibungen es nicht in Altmaiers "100-Tage-Gesetz" geschafft hatten.
Eigentlich sollte das Gesetz bereits letzte Woche vom Kabinett beschlossen werden. Wegen des Streits mit dem Umweltministerium wurde es jedoch von der Tagesordnung genommen. Gestern hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, das Gesetz solle noch einmal aufgeschnürt werden.
Der Zeitplan für das "besonders eilbedürftige" Vorhaben ist auf jeden Fall durcheinandergeraten. Ursprünglich sollte das Gesetz Ende Juni den Bundestag und Anfang Juli den Bundesrat passieren – vor der parlamentarischen Sommerpause. Das ist nun nicht mehr zu schaffen. Durch die Verzögerungen kann von einer "Sofortmaßnahme" kaum noch die Rede sein.