Einige aufgeständerte Solarpaneele vor einem strohgedeckten Rundhaus.
Für abgelegene Dörfer bedeutet eine dezentrale Stromversorgung nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine Chance für lokale Unternehmer. (Foto: Inge Hogenbijl/​Shutterstock)

Ngamu Nyouma hat alles auf eine Karte gesetzt. Zwar verdiente der Kameruner mit seinem Vieh etwas Geld, doch der 42-Jährige suchte nach einem zusätzlichen Einkommen, um seine Familie versorgen zu können. Also verkaufte er einen Teil seines Viehbestands, der so wichtig für den Lebensunterhalt der Familie war.

Mit den Einnahmen von 81.600 CFA-Franc (rund 125 Euro) beglich er die erste Rate für ein kleines Solarpanel und eine Batterie. Über einen Mikrokredit finanzierte er die Anlage des Berliner Start-ups Solarworx, das robuste und mobile Solarstromsysteme mit möglichst einfacher Bedienbarkeit für afrikanische Länder anbietet. Das System kommuniziert in mehreren afrikanischen Landessprachen verbal mit dem Eigentümer.

Zwar verlaufen Stromleitungen in der Nähe des Dorfes Sekande unweit der Großstadt Maroua im Norden Kameruns, aber für Nyouma und die meisten Einwohner des Dorfes ist ein Anschluss unbezahlbar.

Die Region gilt als die ärmste des Landes, 70 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar am Tag und damit deutlich unter der Armutsgrenze.

Seit Jahren terrorisiert die islamistische Miliz Boko Haram die Region, sie verübt Anschläge und Überfalle in den Dörfern und Städten. Aufgrund der Armut und Perspektivlosigkeit gelingt es Boko Haram auch neue Kämpfer zu rekrutieren. Es fehlen Jobs.

Bei Ngamu Nyouma dagegen haben sich die Einnahmen deutlich erhöht. Mit der Solaranlage und dem Speicher hat er auch noch ein Haarschneidegerät gekauft und einen kleinen Friseurladen eingerichtet. Das hat sich schnell in Sekande herumgesprochen.

Täglich kommen nun zwei bis vier Kunden zum Haareschneiden und mindestens zehn Dorfbewohner laden ihr Handy bei ihm auf. Damit verdient er ungefähr 1.600 CFA-Franc (2,43 Euro). Mit knapp einem Euro am Tag zahlt er den Mikrokredit zurück, das meiste der Einnahmen bleibt als Gewinn.

Auch die Nachbarn profitieren von der Anschaffung: Wenn Nyouma abends die Anlage mit nach Hause bringt, spendet er ihnen bei Bedarf Licht.

Dezentraler Strom bringt mehr Jobs

Dezentrale Erneuerbare-Energie-Anlagen können Stabilität in eine krisengeschüttelte Region wie den Norden Kameruns bringen, indem sie Zugang zu Strom und regelmäßige Einnahmen ermöglichen.

"Einhundert Prozent erneuerbare Energien schaffen viel mehr Arbeitsplätze als beispielsweise unser heutiges Energiesystem in Europa", sagt der Präsident der Energy Watch Group Hans-Josef Fell, der als einer der wichtigsten Vorantreiber der Energiewende in Deutschland gilt.

"Erneuerbare Energien sind eine wesentliche Stütze der Armutsbekämpfung mit Verdienstmöglichkeiten für hunderte Millionen Menschen in dezentralen Anlagen statt Monopolgewinnen in den Händen von wenigen Energiekonzernen", sagt Fell.

Was Familien in abgelegenen Dörfern hilft, kann auch das Leben tausender Menschen auf der Flucht verbessern.

Vor zwei Jahren wurde im jordanischen Zaatari, einem der größten Flüchtlingscamps der Welt nahe der Grenze zu Syrien, eine Photovoltaikanlage mit einer Kapazität von knapp 13 Megawatt in Betrieb genommen. 80.000 syrische Geflüchtete erhalten seitdem bis zu 14 Stunden täglich Strom.

"Die Anlage entlastet das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen von jährlich 5,5 Millionen US-Dollar bei den Energierechnungen, die in andere dringend benötigte Hilfen gesteckt werden können", sagt Stefano Severe, Vertreter des Flüchtlingskommissariats in Jordanien.

Am Aufbau der 40.000 Photovoltaikmodule arbeiteten neben Jordaniern auch 75 Geflüchtete mit. Für die Arbeit erhielten sie einen Lohn und erwarben neues Wissen und technische Fähigkeiten, die ihnen auch nach Fertigstellung der Solaranlage zugutekam. Einige fanden einen Job bei einem anderen Solarprojekt außerhalb des Flüchtlingscamps.

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