Eine Überraschung verkündete die Bundesnetzagentur Mitte Juli. Die Behörde erteilte den Energiekonzernen BP und Total den Zuschlag zum Bau und Betrieb von Windkraftanlagen für mehrere große Gebiete in der Nord- und Ostsee.
Erstaunlich war einerseits das Interesse an der Versteigerung der vier Flächen, drei in der Nordsee und eine in der Ostsee. Für die Nordseeflächen gab es acht Bewerber, für den Windpark in der Ostsee vor der Insel Rügen sogar neun.
Überraschend hoch sind auch die Einnahmen der Netzagentur durch die Auktion. Insgesamt 12,6 Milliarden Euro bezahlen die Konzerne für die Nutzung der Flächen in den kommenden 25 Jahren, mit einer Verlängerungsoption um weitere zehn Jahre.
Mit dieser Ausschreibung stoßen die Offshore-Windparks auch bei der Leistung in neue Dimensionen vor. Zusammengenommen wollen die Unternehmen Windanlagen mit einer Nennleistung von 7.000 Megawatt installieren. Das entspricht fast der bisherigen Gesamtleistung aller deutschen 1.639 Windanlagen auf See von 8.100 Megawatt.
Neu ist auch, dass die am Ende erfolgreichen Bewerber um die Lizenzen keine garantierten Mindestpreise für die Abnahme des Stroms erhalten – fast alle Bewerber hatten entsprechende Null-Angebote für die Flächen abgegeben. Den Zuschlag erhielten dann die Bieter mit der größten Zahlungsbereitschaft.
Zunächst profitieren viele von dem Auktionsergebnis. Denn mit den Milliardeneinnahmen werden zum Beispiel die Verbraucher entlastet. Die Erlöse aus den Offshore-Ausschreibungen fließen laut Ankündigung der Bundesnetzagentur zu 90 Prozent in die Senkung der Stromkosten und zu je fünf Prozent in den Meeresnaturschutz und die Förderung von umweltschonender Fischerei.
Zuschlag heißt auch Anspruch auf Netzanschluss
Die Konzerne erwarten, dass sich die hohen Investitionen über die Zeit auch ohne Subventionen rechnen. BP gibt die Renditeerwartung für erneuerbare Energien mit sechs bis acht Prozent an.
"Der erneuerbare Strom wird die große Nachfrage, die wir in unseren Produktionsbetrieben erwarten, mit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen bedienen", hofft BP-Managerin Anja-Isabel Dotzenrath. Auch an die Herstellung von grünem Wasserstoff und Biokraftstoffen denkt der britische Energiekonzern dabei.
Bis die Firmen Geld auf See verdienen, ist noch viel Arbeit zu leisten. Die Felder müssen über Stromleitungen mit dem Netz an Land verbunden und natürlich die Windräder aufgestellt werden.
Mit dem Zuschlag erwarben die Bieter zugleich den Anspruch auf Durchführung eines entsprechenden Planfeststellungsverfahrens sowie auf Anschluss und Netzanbindung.
Aber auch so werden hohe Investitionen erforderlich sein. Zwar kommt den Betreibern ein ruinöser Preiswettbewerb der Anlagenbauer zugute, dennoch ist der Einsatz erst einmal hoch. Dem stehen erst ab der Inbetriebnahme im Jahr 2030 Einnahmen gegenüber, die sich nur grob abschätzen lassen.
Die endgültige Investitionsentscheidung sei für 2027 geplant, teilte BP auf Anfrage mit. Erst dann lasse sich die Höhe beziffern.
Windräder auf See drehen sich im Schnitt etwa die Hälfte des Jahres, also rund 4.400 Stunden. Im ersten Halbjahr dieses Jahres lag der Marktpreis für Offshore-Windstrom bei durchschnittlich neun Cent pro Kilowattstunde.
Offshore-Stiftung warnt vor Marktbeherrschung
"Windstrom auf See ist mittlerweile wirtschaftlich so attraktiv, dass sich die Projektträger für den Zugriff auf Meeresflächen gegenseitig überbieten", freute sich Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe, "Die Mär vom teuren Ökostrom ist damit endgültig vom Tisch."
Weniger begeistert zeigt sich die Stiftung Offshore-Windenergie. Sie befürchtet, dass dieser Markt künftig nur noch von wenigen kapitalstarken Konzernen beherrscht wird, weil das Auktionsverfahren diese Interessenten begünstige. "Es sollte dringend im Interesse der Bundesregierung sein, die Akteursvielfalt zu erhalten", sagte Geschäftsführerin Katharina Würtz.
Die durch Bieterwettbewerbe steigenden Kosten würden beispielsweise am Ende an die Kunden weitergegeben. Auch sorgt sich Würtz um den Druck auf andere am Markt Beteiligte, etwa die Hersteller der Windanlagen, die massiv unter Kostendruck stehen.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht dagegen vor allem eine hohe Attraktivität für Investitionen in Windkraft auf See. "Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt zur Erreichung des Offshore-Ausbauziels", sagte Müller.
30.000 Megawatt Nennleistung sollen bis 2030 weit draußen auf dem Meer ermöglicht werden, doppelt so viel, wie bisher gebaut oder projektiert worden ist. Da die Windturbinen immer größer und leistungsfähiger werden, erscheinen inzwischen auch ehrgeizige Ziele erreichbar. Bis 2045 soll sich die Gesamtleistung dann noch einmal auf 70.000 Megawatt mehr als verdoppeln.