Die holzgetäfelte Ecke ist dunkel und hallig, wir sind offenbar im Wirtschaftsministerium. Auf einem Hocker ist ein kleiner Haufen Eier-Briketts drapiert, dahinter ein Schild mit der Aufschrift "Kommission Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung".
Klar, die schwarzen Briketts (wo haben Ministeriumsmitarbeiter die bloß aufgetrieben?) braucht man als Symbol ("Hallo, hier geht's um den Kohleausstieg!"). Denn Altmaiers PR-Leute benutzen das Wort "Kohlekommission" nie. Die Briketts wirken verloren und auch komisch. Denn beim Kohleausstieg geht es zu 99,9 Prozent um die Kohleverstromung – das Schicksal der deutschen Briketts hat nie interessiert.
"Altmaier spricht Klartext" heißt das Video. Und im Untertitel "Der Bundeswirtschaftsminister steht Rede und Antwort". Nun, Fragen werden Altmaier nicht gestellt, er antwortet trotzdem, dreieinhalb Minuten lang.
Und was spricht er, der Minister? Die Empfehlungen der Kommission – Altmaier benutzt vorschriftsgemäß "Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung" – würden ein starkes Signal für weniger CO2, mehr neue Jobs, eine sichere Energieversorgung und bezahlbaren Strom senden.
Zum bezahlbaren Strom steht der Minister im Video leider nicht Rede und Antwort, beteuert nur bei anderer Gelegenheit, die Regierung wolle alles tun, um die Bevölkerung vor steigenden Strompreisen zu schützen.
Die "Kohle"-Kommission selbst empfiehlt, den Anstieg der Strompreise, der mit dem "beschleunigten" Aus für die Kohleverstromung entsteht, zu dämpfen. Kostenpunkt: Ab 2023 rund zwei Milliarden Euro jährlich.
Zunächst kommen teurere Gaskraftwerke zum Einsatz
Wie das – außer mit Milliarden aus dem Bundeshaushalt – mit dem "Dämpfen" geschehen kann, ließ das Ökostromunternehmen Greenpeace Energy jetzt kurzfristig in einer "Szenarioanalyse" untersuchen. Sofern Wind- und Solarkraft über die bisherige EEG-Planung hinaus während des Kohleausstiegs ausgebaut werden, könne dies den Strompreis und auch die CO2-Emissionen "deutlich senken", sagen die beauftragten Gutachter von Energy Brainpool.
Dass mit mehr Ökostrom die CO2-Emissionen sinken, verwundert nicht. Aber wie ist das mit dem Strompreis? "Gehen die Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke vom Netz, kommen zwar zunächst teurere Gaskraftwerke zum Einsatz – das geschieht aber mit zunehmendem Erneuerbaren-Ausbau immer weniger, so dass der Strompreis sinkt", erläutert Marcel Keiffenheim von Greenpeace Energy gegenüber Klimareporter°.
Die Analyse hat auch eine konkrete Zahl parat. Pro zehn Milliarden Kilowattstunden zusätzlich bereitgestellten Ökostroms soll der Strompreis demnach um 0,6 Cent je Kilowattstunde bis 2022 oder um 1,49 Cent bis 2038 sinken. Zum Vergleich: 2018 erzeugten die erneuerbaren Energien in Deutschland insgesamt knapp 220 Milliarden Kilowattstunden.
"Das Mehr an Ökostrom verringert dabei auch die Gefahr, dass die Abschaltung einiger Kohlekraftwerke durch eine größere Auslastung anderer Kohlemeiler ausgeglichen wird und für den Klimaschutz dann wenig gewonnen ist", geht Keiffenheim auf eine aktuelle Befürchtung ein. Greenpeace Energy fordert deswegen, die politischen Weichen so zu stellen, dass die Vorteile von günstigem und sauberem Ökostrom beim Kohleausstieg genutzt werden.
So logisch das erscheint: Die Studie selbst bezieht die Potenziale, durch Erneuerbare den Strompreis zu dämpfen, auf den – letztlich bestimmenden – europäischen Strommarkt und nicht auf Deutschland, wo ja der Kohleausstieg stattfindet. Es finden sich auch keine Angaben, um wie viel Cent der Strompreis in Deutschland durch den Kohleausstieg zulegen könnte.
Allein – auch die Gutachter von Energy Brainpool gehen jedenfalls davon aus, dass der Strom bis 2040 teurer wird. Und zwar sogar etwas stärker, wenn der Kohleausstieg durch einen politisch festgelegten CO2-Preis forciert wird. Höhere CO2-Preise erfordern aus dieser Sicht einen stärkeren Ausbau der Erneuerbaren, beides hängt offenbar eng zusammen.
Wie eng – da muss die Ökobranche noch mehr Klarheit schaffen. Sonst stellt Altmaier, wenn er das nächste Mal "Klartext" über zu hohe Strompreise redet, möglicherweise ein Windrad neben sich.