"Emissionsfreies" Gaskraftwerk: Seit 2018 arbeitet diese CCS-Demonstrationsanlage in Texas. (Bild: NET Power/​Wikimedia Commons)

In Deutschland wird wieder über die CO2-Abscheidung und Speicherung, die sogenannte CCS-Technologie, diskutiert – ausgelöst durch Eckpunkte einer "Carbon-Management-Strategie", die das Bundeswirtschaftsministerium kürzlich veröffentlichte.

Die Strategie schlägt als eine Möglichkeit vor, CCS für fossile Gaskraftwerke einzusetzen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass es wirklich dazu kommt. Die Technik ist in vielerlei Hinsicht umstritten und wird bislang weltweit nur in sehr geringem Umfang eingesetzt. 

In Deutschland selbst scheiterte um das Jahr 2010 der Versuch, die Kohlendioxid-Emissionen neuer großer Kohlekraftwerke in CO2-Lagerstätten zu "entsorgen". Nach starken Protesten wurde CCS hierzulande faktisch verboten.

Aber nicht nur daran scheiterte das Versprechen von "Clean Coal" oder sauberen Kohlekraftwerken. Heute spielt Clean Coal auch international keine Rolle, obwohl es in vielen Ländern einmal als Lösung angepriesen wurde.

Lediglich ein Kohlekraftwerk mit CCS-Technologie ist in Kanada in Betrieb. Es funktioniert nur mäßig: In manchen Jahren liegt die Abscheiderate über 90 Prozent, in anderen Jahren wird nur die Hälfte des CO2 abgefangen.

Weil grüner Wasserstoff teuer bleibt, erscheint CCS als Ausweg

Doch CCS ist aus der klimapolitischen Debatte nicht verschwunden. Es gibt industrielle Prozesse, bei denen es mit heutiger Technologie unmöglich ist, Kohlendioxid-Emissionen ganz zu vermeiden. Am wichtigsten ist dabei die Zementindustrie.

In den letzten Jahren haben sich daher manche, die CCS früher abgelehnt haben, zu einer vorsichtigen Öffnung durchgerungen. Am deutlichsten ist dieser Umschwung bei den Grünen, die nach kontroversen Diskussionen inzwischen CCS eingeschränkt befürworten.

 

Doch bisher ging es dabei meist um die schwer oder gar nicht vermeidbaren Industrieemissionen. Zuletzt tauchte aber auch die Frage auf, ob man CCS möglicherweise für Gaskraftwerke einsetzen sollte.

Bisher war geplant, in Deutschland bald in größerer Menge neue Gaskraftwerke zu bauen, die "H2‑ready" sein sollten – sprich, später mit sauberem Wasserstoff laufen können. Allerdings wird immer klarer, dass sauberer Wasserstoff zumindest in Mitteleuropa auf absehbare Zeit nur begrenzt verfügbar sein und teuer bleiben wird.

Da scheint die Idee, Wasserstoff in großem Stil in Kraftwerken zu verbrennen, immer schwieriger umsetzbar. So kam es, dass nun auch über CCS für Gaskraftwerke diskutiert wird.

Das Ministerium von Robert Habeck hat sich hier nun für eine Strategie entschieden, die sagt: Wir lassen es zu, wir wollen es aber nicht fördern. Kontroverse Diskussionen sind wohl zu erwarten, aber zuerst stellt sich die Frage, ob das Ganze überhaupt realistisch ist.

CO2 müsste in Gaskraftwerken aufwendig abgetrennt werden

CCS-Technologien werden in manchen Prozessen seit Längerem eingesetzt. In Norwegen etwa läuft schon seit 1996 das Projekt Sleipner.

Kohlendioxid, das bei der Gasförderung ungewollt mitgefördert wird, wird dabei unter dem Meeresgrund verpresst. An den Emissionen der Erdgasnutzung ändert das natürlich nichts, Sleipner reduziert lediglich die Emissionen bei der Gasaufbereitung.

Die Technologie lässt sich für Gaskraftwerke, in denen Erdgas verbrannt wird, auch nicht direkt nutzen. Bei den Emissionen der Gasaufbereitung, die im Sleipner-Projekt verpresst werden, handelt es sich prozessbedingt bereits um CO2 in sehr hoher Konzentration. Dasselbe gilt für die meisten heute in Betrieb befindlichen CCS-Projekte.

Bei Verbrennungskraftwerken ist das anders: Hier entsteht ein Mix aus Gasen, der Hauptanteil ist Stickstoff. Kohlendioxid muss vom Rest der Gase aufwendig abgetrennt werden. Dabei ist der Anteil an CO2 im Abgasstrom von Gaskraftwerken noch geringer als bei Kohlekraftwerken.

Und so kommt es, dass heute weltweit kein großes Gaskraftwerk mit CCS in Betrieb ist. Lediglich eine Pilotanlage im US-Bundesstaat Texas mit 50 Megawatt existiert, dabei handelt es sich aber nicht um ein konventionelles Gaskraftwerk. Dazu gleich mehr.

Gescheiterte "Mondlandung" ist in Norwegen nicht vergessen

Es ist nicht so, dass man es nicht versucht hätte. In Norwegen sollte ein Gaskraftwerk an der Ölraffinerie Mongstad mit CCS-Technologie ausgestattet werden.

Die Voraussetzungen waren eigentlich gut: CCS ist in Norwegen deutlich weniger kontrovers als in Deutschland, auch große Umweltverbände befürworteten dort das Vorhaben. Der norwegische Ölkonzern Statoil, heute Equinor, hatte durch das Sleipner-Projekt bereits Erfahrung mit CCS.

Luftaufnahme des Gaskraftwerks Mongstad bei Bergen in Norwegen aus dem Jahr 2009.
Im Gaskraftwerk Mongstad wollte Norwegen die CCS-Technologie zum Erfolg machen, doch das wurde nie realisiert. (Bild: Dong Energy/​Wikimedia Commons)

Auch politisch gab es viel Unterstützung. Norwegens damaliger Premierminister Jens Stoltenberg verglich das CCS-Projekt Mongstad 2007 von der Bedeutung her mit der Mondlandung. Mithilfe einer Technologie, die sich Aminwäsche nennt, wollte man bei Mongstad die CO2-Emissionen abscheiden.

Doch daraus wurde nichts. Zu teuer, zu aufwendig, außerdem gab es Sorgen bezüglich der Gesundheitsgefahren der eingesetzten Chemikalien.

Inzwischen will man die Technologie an anderer Stelle in Norwegen verwenden: Die Aminwäsche soll an einem Zementwerk der Firma Heidelberg Materials zum Einsatz kommen.

Equinor machte kürzlich noch einmal deutlich, was der Konzern davon hält, CCS für Gasverbrennungsprozesse einzusetzen. Die Gasverarbeitungsstation Melkøya im Norden Norwegens soll elektrifiziert werden. Prozessemissionen werden dort bereits, ähnlich wie beim Sleipner-Projekt, unterirdisch verpresst. Doch erdgasbefeuerte Anlagen wie Gasverdichter erzeugen weiterhin viel CO2.

Auch die Elektrifizierung von Melkøya ist nicht unumstritten: Manche in der Region befürchten, dass nicht genug Strom zur Verfügung steht – Stromleitungen und Windkraftanlagen führen auch in Norwegen zu Kontroversen. Daher gab es den Vorschlag, auch hier CCS einzusetzen.

Doch Equinor winkte ab – viel zu teuer – und verwies auf die Erfahrungen aus dem Mongstad-Projekt.

Oxyfuel-Gaskraftwerk existiert nur als kleine Pilotanlage

Wenn man Verbrennungsprozesse mit CCS-Technik ausstatten und dabei auf die Aminwäsche verzichten will, gibt es noch eine weitere Option. Statt den Brennstoff in Luft zu verbrennen, die zu fast 80 Prozent aus Stickstoff besteht, kann man ihn in reinem Sauerstoff verbrennen. Dann erhält man vor allem CO2 und Wasserdampf, das lässt sich einfacher trennen. Diese Methode nennt sich Oxyfuel-Technologie.

Hier kommt das erwähnte Pilotkraftwerk in Texas ins Spiel. Betreiber ist die Firma NET Power, die eine für Verbrennungskraftwerke relativ effiziente Turbine entwickelt hat, die nach dem sogenannten Allam Cycle funktioniert. Es handelt sich um das einzige in Betrieb befindliche Oxyfuel-Kraftwerk.

Wäre es denkbar, Gaskraftwerke mit Allam-Cycle-Turbinen und Oxyfuel-Technologie zu bauen? Vielleicht. Was es kostet und ob es in großem Maßstab funktioniert, müsste man ausprobieren.

Das wäre vielleicht auch ohne CCS keine schlechte Idee: Forscher der TU Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben kürzlich ein Konzept vorgeschlagen, bei dem in einer Allam-Cycle-Turbine statt Erdgas grünes Methanol verbrannt und das dabei abgefangene CO2 in einem Kreislauf gehalten wird.

Doch um solche Wege zu gehen, müsste man die Gaskraftwerke gleich komplett anders bauen. Mit konventionellen Gaskraftwerken funktioniert Oxyfuel nicht. Einige Kraftwerksbetreiber planen bereits neue Gaskraftwerke – von Oxyfuel-Kraftwerken oder Allam-Cycle-Turbinen ist dabei bisher nicht die Rede.

 

All das dürfte deutlich machen, dass die Möglichkeit, Gaskraftwerke mit CCS zu betreiben, extrem unrealistisch ist – erst recht, wenn es dafür keine Subventionen gibt. Konventionelle Gaskraftwerke nachzurüsten, dürfte teuer sein, und es gibt keinerlei praktische Erfahrungen damit. Auch die Oxyfuel-Technologie ist in großem Stil noch nicht getestet.

So bleibt weiterhin die Frage, was mit den jetzt zu bauenden Gaskraftwerken langfristig passieren soll, wenn beim Wasserstoff die Zweifel immer größer werden und auch CCS kein einfacher Ausweg ist.

Von den aktuell geplanten Gaskraftwerken sollte man deshalb so wenig wie möglich bauen und nicht zu sehr darauf hoffen, dass sie durch Wasserstoff oder CCS irgendwann klimaneutral werden. Alternativen, etwa moderne Geothermiekraftwerke oder neue Stromspeichertechnologien, sollten ernsthaft geprüft und im Zweifel bevorzugt werden.