Mit einer Klage gegen die Bundesregierung betreten Landwirte jetzt gemeinsam mit Greenpeace rechtliches Neuland. Die drei Bauernfamilien berufen sich beim Klimaschutz auf das Verwaltungsrecht.
Nach Ansicht der Kläger sind das seit 2007 geltende Klimaziel für 2020, das eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 1990 vorschreibt, sowie das vom Kabinett beschlossene "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" nämlich verbindliche Rechtsakte der Bundesregierung.
"Es handelt sich um rechtlich verbindliches Innenrecht, dem Außenwirkung zukommt und damit um objektives Recht", heißt es in der Klageschrift.
Das 40-Prozent-Ziel habe die Regierung im vergangenen Juni faktisch aufgegeben, heißt es weiter. Das ergebe sich vor allem aus dem zu der Zeit veröffentlichten Klimaschutzbericht 2017, der "kein Szenario und auch keine zusätzlichen Maßnahmen" enthalte, um das Klimaziel noch zu erreichen.
Für 2020 würden derzeit Gesamtemissionen von 850 Millionen Tonnen CO2 erwartet – eine Reduktion um lediglich rund 32 Prozent, acht Prozentpunkte zu wenig.
So viel mehr Treibhausgase bis 2020 zuzulassen, obwohl das 40-Prozent-Ziel verbindlich sei, "verletzt die Grundrechte zum Schutz von Eigentum, Beruf sowie Leben und Gesundheit", erklärte Rechtsanwältin Roda Verheyen, die die Kläger vertritt.
Die Regierung verstoße zudem gegen europäisches Umweltrecht. Als Umweltverband klage Greenpeace deshalb auf die Einhaltung von deutschem und europäischem Umweltrecht.
Die Betroffenheit der Kläger ergibt sich nach Ansicht von Greenpeace vor allem durch häufigere und stärkere Extremwetterereignisse mit überschwemmten Agrarflächen, Hagelschauern und der Verbreitung bislang unbekannter Schädlinge, mit Hitzestress von Milchvieh sowie generell Trockenheit im Frühjahr und Sommer. Absehbar seien die Betriebe der Kläger teilweise auch durch künftig zurückgehende Wasservorräte und den steigenden Meeresspiegel betroffen.
Klimaklagen versprechen Erfolg
Bislang gibt es keine Angaben dazu, vor welcher Kammer des zuständigen Berliner Verwaltungsgerichts die Klage verhandelt wird und wie lange das Verfahren dauern könnte. Mit Blick auf 2020 hofft Greenpeace aber auf eine zeitnahe Behandlung durch das Gericht.
Die Klage ist einer von immer mehr Versuchen, Regierungen auf der ganzen Welt gerichtlich zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Mitte letzter Woche hat laut Medienberichten die New Yorker Staatsanwaltschaft den US-Ölkonzern Exxon Mobil wegen angeblicher Falschangaben zum Klimawandel verklagt.
Investoren seien über geschäftliche Risiken im Zuge einer strengeren Regulierung aufgrund der Erderwärmung getäuscht worden, begründete Generalstaatsanwältin Barbara Underwood den Schritt.
Im Mai dieses Jahres hatten zehn Familien aus fünf EU-Ländern sowie aus Kenia und Fidschi eine Klage am Gericht der Europäischen Union eingereicht (Klimareporter° berichtete). Unterstützt von Umweltverbänden wollen die Kläger die EU zwingen, höhere Klimaziele zu beschließen.
Bisher hat die EU sich auf eine CO2-Minderung um 40 Prozent gegenüber 1990 festgelegt. Die Klägergemeinschaft fordert mindestens 50 bis 60 Prozent.
Greenpeace selbst listet in einer weltweiten Übersicht weitere sieben Fälle auf, in denen Betroffene sich gerichtlich gegen mangelnden Klimaschutz von Regierungen oder Unternehmen wehren.
Dass der Weg Erfolg verspricht, zeigte erst vor drei Wochen das Berufungsverfahren vor dem Zivilgericht in Den Haag: Die Regierung der Niederlande verlor auch in zweiter Instanz gegen die Umweltstiftung Urgenda und muss nun ihre Klimaziele deutlich anheben.