Gemüse und Blumen von oben auf dunklem Untergrund fotografiert
Pflanzliche Kost ist schon mal umweltfreundlicher als Fleisch, Milch und Eier. (Foto: Ella Olsson/​Pixabay)

Fleisch ist in den USA das neue Klopapier – auch in seiner vegetarischen Variante. Supermarktregale sind leer, Fastfood-Ketten beklagen Mangel. Und der Fleischersatz-Hersteller Beyond Meat setzt sein rasantes Wachstum fort. Im ersten Quartal stiegen seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um gut 140 Prozent.

Auch in Deutschland zeigt sich der Trend, und zwar nicht erst seit der Coronakrise. Für den Wurstproduzenten Rügenwalder Mühle ist das vegetarische Segment mittlerweile zum Wachstumstreiber geworden, Ende 2018 lag sein Anteil am Gesamtumsatz schon bei 27 Prozent. Ein Millionengeschäft.

Eine Studie internationaler Forscher:innen, die diese Woche im Fachmagazin Nature Food erschien, zeigt nun: Fleischersatz ist eine der Innovationen, die unsere Nahrungsgewohnheiten wieder in Einklang mit den planetaren Grenzen bringen könnten.

Das Problem ist vor allem, dass die Landwirtschaft zu viel Stickstoff zum Düngen von Pflanzen verwendet. Was diese nicht aufnehmen, strapaziert Böden, Wasser, Luft und trägt zur Bildung von Treibhausgasen bei.

"Mithilfe von Stickstoffdünger wurden die Erträge erheblich gesteigert und Millionen Menschen aus dem Hunger befreit", erklärt Alexander Popp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), ein Koautor der Studie. "Aber wenn zu viel davon in die Natur gelangt, können ganze Ökosysteme zusammenbrechen."

Von Fleischersatz bis Fotosynthese-Verfeinerung

Fleisch ist in dieser Hinsicht ein besonders umweltschädliches Lebensmittel. Das liegt unter anderem daran, dass Fleischproduktion ineffizient ist. Angebaute Pflanzen werden dabei zu Tierfutter. Das Problem: Man braucht viel Anbaufläche für wenig Fleisch. Das entstehende Fleisch ernährt damit viel weniger Menschen, als es Pflanzen von der gleichen Fläche gekonnt hätten.

Etliche der mehr als 70 technologischen Neuheiten, die das Forschungsteam sich angeguckt und nach dem Entwicklungsstand geordnet hat, setzen deshalb hier an. Fleisch- und Fischersatz steht dabei ganz vorn, weil es entsprechende Produkte ja schon gibt. Am anderen Ende des Rankings steht die Verfeinerung der Fotosynthese von Pflanzen, bei der die Grundlagenforschung noch an ihrem Anfang steht.

An innovativen Technologien mangelt es also nicht. Aber was bringt das, wenn der Wandel nicht eintritt? Beispiel Fleischersatz: Die Menge an Fleischersatzprodukten nimmt in Deutschlands Warenregalen zu, aber der Blick auf Statistiken der deutschen Fleischwarenindustrie zeigt, dass der Verzehr von konventionellem Fleisch trotzdem nicht sinkt. So kann die Innovation ihr ökologisches Potenzial natürlich nicht entfalten.

"Innovationen brauchen auch die richtigen politischen Bedingungen und gesellschaftliche Akzeptanz, damit sie zum Erfolg werden können", meint Benjamin Bodirsky, der ebenfalls für das PIK an der Studie mitgearbeitet hat.

Beim Fleischersatz habe beispielsweise erst das steigende Bewusstsein der Verbraucher:innen dazu geführt, dass Unternehmen für sich Geschäftschancen gesehen hätten, obwohl es Produkte wie Tofu und Seitan ja schon viel länger gebe. "Der letzte Schub könnte dann kommen, wenn die Umweltverschmutzung einen Preis bekommt, der etwa die wahren Kosten eines Burgers aus Rindfleisch gegenüber einem Erbsenburger offenlegt."

Wie sich Innovationen durchsetzen

Um zu erkennen, wodurch Innovationen in der Ernährung sich tatsächlich durchsetzen, haben die Forscher:innen in die Vergangenheit geschaut: Wie war das beim Pflug, wie beim Kühlschrank? Sie haben acht Elemente ermittelt, die für die Transformation unserer Nahrungsgewohnheiten gebraucht werden. Neben dem Setzen marktwirtschaftlicher Anreize und einer stabilen Finanzierung der Forschung soll die Politik demnach auf die Beteiligung von Bürger:innen setzen.

In diesem Sinne hat die Bundesregierung Ende Dezember die Einsetzung einer Kommission für die Zukunft der Landwirtschaft beschlossen. Zuvor hatte die Branche wochenlang gegen das Agrarpaket protestiert, das die Bundesregierung im September vorgestellt hatte. Vorgesehen sind darin unter anderem ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz und eine Verschärfung der Düngeverordnung.

Neben Vertreter:innen der Landwirtschaft sollen auch Umweltverbände an der Kommission mitarbeiten. Die befürchten allerdings, dass es eher um Wirtschaftsinteressen als um das Gemeinwohl gehen wird. Der Grund: Im März traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Agrarlobbyist:innen, um über die Kommission zu sprechen, sagte aber ein Treffen mit den Umweltorganisationen dazu ab.

BUND, DNR, Nabu, WWF und Greenpeace gaben dazu eine gemeinsame Erklärung ab: "Bei allem Verständnis in den aktuellen Krisenzeiten: Mit einem solchen Vorgehen setzt die Bundesregierung die Akzeptanz der Zukunftskommission Landwirtschaft schon vor ihrem Beginn aufs Spiel."

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