Dass sie ohne Bedenken zugreifen können, sollte den Verbrauchern in Deutschland ein rundes Siegel mit leicht geschwungener grüner Welle und dem leuchtend roten Schriftzug "öko" signalisieren, bei dem eine stilisierte Tomate das "ö" bildete – oder ein roter Apfel, genau lässt sich das nicht sagen. Vor 20 Jahren wurde das sogenannte Öko-Prüfzeichen in Deutschland eingeführt.
Ein Novum. Zwar verwendeten Anbauverbände wie Demeter, Bioland oder Naturland schon länger Label zur Produktkennzeichnung, aber die Einführung eines bundesweit einheitlichen Siegels war neu.
Jahrelang hatten die mittlerweile abgewickelte Werbeorganisation der konventionellen Agrarbetriebe CMA und der Dachverband der Öko-Verbände Agöl um die Einführung eines gemeinsamen Siegels gerungen. Auf der "Grünen Woche" im Januar 1999 wurde das Siegel vorgestellt. Es sollte den Absatz biologisch produzierter Lebensmittel ankurbeln, die damals kaum mehr als ein Prozent am gesamten Lebensmittelumsatz ausmachten.
Doch der veranschlagte Etat von fünf Millionen D-Mark, um das Prüfzeichen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, brachte nicht die gewünschten Ergebnisse. Etablieren konnte sich das Prüfzeichen nicht.
Schon zwei Jahre später machte die Bundesregierung dem Ökosiegel der Privatwirtschaft Konkurrenz. Als Reaktion auf die Tierseuche BSE kündigte die neu berufene Landwirtschafts- und Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) zwei neue Prüfzeichen für Lebensmittel an – eines für Bioprodukte und eines für Mindeststandards in der konventionellen Landwirtschaft. Der Aufforderung, das bereits bestehende Siegel zu unterstützen, folgte die Ministerin jedoch nicht.
Noch im gleichen Jahr präsentierte Künast als neues Bio-Siegel das noch heute verwendete grün umrandete Sechseck mit der Aufschrift "Bio – nach EG-Öko-Verordnung". Es sollte Produkte kennzeichnen, die die Kriterien der EU für den ökologischen Landbau erfüllten. "Das Bio-Siegel ist ein wichtiges Puzzleteil für die Agrarwende", sagte die Ministerin damals. Die Verbraucher sollten Öko-Produkte leichter erkennen und die Bauern ermuntert werden, ökologisch verträglich zu wirtschaften.
Ökolandbau regional unterschiedlich stark
Das Saarland (16 Prozent), Hessen (13 Prozent), Brandenburg und Baden-Württemberg (je elf Prozent) liegen in Deutschland beim Anteil der Ökolandbau-Flächen vorn. In Sachsen und Schleswig-Holstein (je fünf Prozent) sowie im größten Agrarland Niedersachsen (drei Prozent) wird besonders wenig Acker nach ökologischen Kriterien bestellt, so die Zahlen der Bundesregierung für 2018.Das Siegel sollte dazu beitragen, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland von damals knapp drei Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2010 zu erhöhen, also in nur neun Jahren. Ein hehres Ziel, dessen Erfüllung fast zwei Jahrzehnte später noch immer aussteht. Immerhin werden inzwischen gut acht Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche mit Methoden des ökologischen Landbaus bestellt, fast 1,4 Millionen Hektar.
In den vergangenen Jahren wuchs die Ökoanbaufläche hierzulande stetig, aber langsam. Das 20-Prozent-Ziel hat die Bundesregierung mittlerweile auf 2030 vertagt. Von heute aus gesehen müsste sich die ökologische Anbaufläche bis dahin verdreifachen, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium ausgerechnet.
Doch Bio-Siegel allein können die Wende nicht herbeiführen, auch die Förderung der Landwirtschaft muss dafür umgestellt werden. Derzeit erarbeitet die EU die Richtlinien für die Agrarförderung der kommenden Jahre, und Umweltschützer befürchten, dass Umwelt und Klima dabei erneut zu kurz kommen.
Mit dem derzeitigen Öko-Anteil in der Landwirtschaft liegt Deutschland in der EU im Mittelfeld. Spitzenreiter ist Österreich. Mehr als ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Alpenrepublik wird biologisch bewirtschaftet.
Ist Ökolandbau viel klimafreundlicher oder nur ein bisschen?
Durch die Nutzung von Acker- und Grünland-Flächen verursacht die deutsche Landwirtschaft 65 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das sind etwa sieben Prozent der nationalen Treibhausgas‐Emissionen. Verfechter des Ökolandbaus werben damit, dass er weniger Treibhausgase verursacht als die konventionelle Landwirtschaft, vor allem weil Biobauern auf energieintensive Mineraldünger und Pestizide verzichten und weniger Tiere je Hektar halten.
Dass ökologische Bewirtschaftungsmaßnahmen den Humusgehalt des Oberbodens erhöhen können, sodass der Boden mehr Kohlendioxid speichern kann, gilt als unbestritten. Häufig wird dem Ökolandbau deshalb ein um etwa 15 bis 20 Prozent geringerer Treibhausgasausstoß zugeschrieben. Ein Regierungsgutachten zweifelt allerdings an, ob Ökolandbau zwangsläufig den Humusgehalt erhöht.
Auch eine Meta-Studie des Thünen-Instituts, die 528 Veröffentlichungen ausgewertet hat, sieht die Klimaschutzleistungen des Ökolandbaus durchaus ambivalent. Demnach ist der Gehalt von organischem Bodenkohlenstoff bei ökologisch bewirtschafteten Böden um zehn Prozent höher. Weil Betriebe im Ökolandbau eine höhere Kohlenstoffspeicherungsrate aufweisen und geringe Lachgasemissionen freisetzen, verursachen sie im Mittel 1.082 Kilogramm weniger CO2‐Äquivalent pro Hektar und Jahr.
Weil aber die Erträge pro Hektar im Ökolandbau geringer sind, sind die ertragsbezogenen Emissionen laut der Thünen-Studie "im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft jedoch vermutlich vergleichbar".
Eindeutige Belege für die positive Auswirkungen des Ökolandbaus findet die Studie dagegen bei der Artenvielfalt. So sei die Zahl der Arten bei den Ackerpflanzen um 95 Prozent erhöht, bei Feldvögeln seien es 35 Prozent mehr und bei blütenbesuchenden Insekten 23 Prozent.
Darüber hinaus ist die Stickstoff- und Energieeffizienz im Ökolandbau besser, wie die Studienautoren auflisten. Die ökologische Wirtschaftsweise befördert die Bodenfruchtbarkeit sowie den Schutz von Grund- und Oberflächenwasser und kann zum Hochwasserschutz beitragen und Erosion vermeiden.