Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel der Bundesregierung, bis 2030 dreißig Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch zu bewirtschaften, scheint eine Illusion zu sein. Derzeit sind es etwa elf Prozent.
Es ist kaum anzunehmen, dass der Absatz von Ökolebensmitteln in wenigen Jahren deutlich steigen könnte. Ökolandwirtschaft wird unter diesen Bedingungen eine Nische bleiben.
Das widerspricht allerdings den Erkenntnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft. Der einstimmig verabschiedete Abschlussbericht spricht von externen Umweltfolgekosten in Höhe von 90 Milliarden Euro. Dazu kommen zehn Milliarden an für Subventionen verschiedenster Art.
Wir reden also von 100 Milliarden gesellschaftlichen Kosten, dem eine Bruttowertschöpfung von lediglich 25 Milliarden Euro gegenüberstehen. Müsste man daraus nicht schlussfolgern, den Umbau der Landwirtschaft zu beschleunigen?
Klimakiller Ökolandbau?
Eine Studie aus England hatte 2019 für Negativschlagzeilen gesorgt. Bei einer flächendeckenden Umstellung auf Ökolandbau würden die Erträge um bis zu 40 Prozent sinken. Die Briten würden mehr Ackerbaufläche im Ausland beanspruchen. Insgesamt würden die Klimaemissionen deutlich zunehmen.
Für eine Bewertung muss man sich allerdings die Flächenbilanz der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland ansehen.
Rund 60 Prozent der Getreideproduktion werden als Tierfutter verwendet. Und etwa 40 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommen nie auf den Teller – aussortiert von den Produzenten, vom Handel oder von den Verbrauchern. Außerdem werden fast 20 Prozent der Ackerbaufläche zum Anbau von Energiepflanzen genutzt.
Es liegt also nicht an den fehlenden Flächen. Notwendig scheint eine sinnvolle Umsteuerung der Landwirtschaft. Eleganter als Verbote oder der moralische Zeigefinger dürfte der wirtschaftliche Druck sein – über die Anlastung externer Folgekosten nach dem Verursacherprinzip.
Stickstoff an der Quelle besteuern
In Deutschland liegen die Nitratüberschüsse im Grundwasser seit 30 Jahren über den EU-Grenzwerten. Im letzten Jahr wurde das EU-Strafverfahren endlich beigelegt. Über eine Hoftorbilanz müssen nun alle Bauern die Einhaltung der Grenzwerte nachweisen.
Gerhard Hübener
ist Bauingenieur, wohnt in Potsdam, arbeitete sieben Jahre in einem Projekt mit Ökolandbau in Sachsen. Seit 1991 befasst er sich in Artikeln und Projekten mit Marktinstrumenten für Arbeit und Umwelt.
Wieder wird eine notwendige Grenze, hier die Nitratbelastung im Grundwasser oder die Stickstoffbelastung der Luft, ausschließlich über das Ordnungsrecht geregelt. Die Bauern klagen schon jetzt über die Flut der zu erbringenden Nachweise. Ganz zu schweigen vom Aufwand, um entsprechende Maßnahmen zu kontrollieren und durchzusetzen.
In den Niederlanden wurde 1998 eine Stickstoffüberschussabgabe eingeführt. Bis 2002 wurde ein Rückgang der Stickstoffüberschüsse von über 30 Prozent erreicht. Ein Problem war aber der hohe Verwaltungsaufwand. Dieser verschlang bis zu 45 Prozent des Aufkommens.
Einfacher als die Besteuerung der Stickstoffüberschüsse wäre die Besteuerung der eingesetzten stickstoffhaltigen Düngemittel und Wirtschaftsdünger. Damit könnte man im Prinzip auf die aufwendige Hoftorbilanz verzichten.
Was beim Stickstoff sinnvoll ist, bietet sich auch für andere Folgeschäden an. Abgaben auf Pestizide, Antibiotika (die in der Massentierhaltung technologiebedingt "massenhaft" eingesetzt werden) oder importierte Soja-Futtermittel würden die landwirtschaftliche Überproduktion reduzieren und die Massentierhaltung perspektivisch unwirtschaftlich machen.
Öko-Bonus für alle
Die Anlastung externer Kosten nach dem Verursacherprinzip ist zwar richtig, um die Landwirtschaft ökologischer und ihre Produkte gesünder zu machen. Die Produkte würden allerdings teurer werden. Einkommensärmere Schichten sind jedoch auf preiswerte Lebensmittel angewiesen.
Die jetzigen Rahmenbedingungen bedeuten jedoch eine Subventionierung der Folgekosten für alle, auch für die Besserverdienenden. Wir haben hier genau das fehlsteuernde Gießkannenprinzip, das von Ökonomen zumeist heftig kritisiert wird.
Es geht nicht nur um einen Ausgleich für besonders bedürftige Gruppen. Wenn wir die Folgekosten konsequent anlasten wollen, werden die Preise zum Teil deutlich steigen. Das ist politisch nur durchsetzbar, wenn zumindest für eine Übergangszeit die Mehrkosten an anderer Stelle zurückgegeben werden.
Dazu können wir auf das bekannte Ökobonus-Prinzip zurückgreifen. Wir kennen es vom Klimageld. Der allergrößte Teil der Einnahmen aus der Besteuerung von Stickstoff, Pestiziden, Antibiotika, importierten Futtermitteln würde als Zahlung pro Kopf der Bevölkerung zurückgegeben werden.
Die Abgaben werden dabei schrittweise erhöht, um den Bauern Zeit für die notwendige Anpassung zu geben.
Wenn die Abgaben einen Wandel bewirken, werden die Einnahmen natürlich sinken. Das bedeutet, dass die Ökobonus-Zahlungen mittelfristig auf sozial schwächere Gruppen beschränkt werden müssen.
Das sollte aber vermittelbar sein. Schließlich stellt die bisherige Externalisierung der Folgekosten eine Subventionierung zulasten zukünftiger Generationen dar. Ausgleichszahlungen müssen also begründet werden, in diesem Fall durch eine Beschränkung auf soziale Gründe.
Im Übrigen liegt der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel eines durchschnittlichen Privathaushalts in Deutschland mit elf Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt (16 Prozent) und noch weiter über dem entsprechenden Kostenanteil in Spanien und Portugal (20 Prozent) oder in Südosteuropa (20 bis 25 Prozent).
Die konventionelle Landwirtschaft ökologisieren
Greenpeace hat in einer Studie von einer "ökologisierten konventionellen Landwirtschaft" gesprochen. Die Bauern müssen dafür keine überzeugten Ökobauern werden. Es muss nur Schluss sein damit, dass wirtschaftlich sinnvoll ist, was enorme Folgeschäden für Klima, Umwelt und Gesellschaft verursacht.
Mit entsprechenden Abgaben werden falsche Anreize zurückgefahren, sodass Bauern aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen mehr und mehr auf Pestizide und künstliche Düngemittel verzichten und die Tierhaltung entsprechend der Flächengröße zurückfahren.
Dieser Weg könnte unabhängig von der verfehlten Förderpolitik der EU sofort beginnen. Parallel dazu müssten Förder- und Forschungsmittel wie auch Weiterbildungsmaßnahmen an den ökologischen Umbau angepasst werden.
Die Ausrichtung auf eine stärker ökologisch orientierte Landwirtschaft wäre ein Zukunftsmodell für Europa. Lenkungsabgaben würden die Landwirtschaft schon im Ansatz in eine nachhaltige Richtung lenken, was deutlich günstiger ist als die weitaus aufwendigere Förderung gegen einen fehlgesteuerten Markt. Was nebenbei auch den hohen Landwirtschaftsetat der EU entlasten würde.
Um eine Wettbewerbsverzerrung durch außereuropäische Anbieter zu verhindern, sollten deren Produkte mit einer pauschalisierten Grenzausgleichsabgabe in Höhe der entsprechenden Abgaben belegt werden.
Nicht zu vergessen wäre die positive Ausstrahlung in den globalen Süden, der bisher das westliche, auf Wachstum und Export ausgerichtete Modell als Leitbild übernommen hat und dessen Landwirtschaft bisher gegen die subventionierten Billigimporte aus Europa kaum eine Chance hat.