Gülle-Fahrzeug
Die Bilder auf landwirtschaftlichen Produkten sind meist idyllisch und schön. In der Realität machen die Methoden der industriellen Landwirtschaft der Umwelt schwer zu schaffen. (Foto: Myriam Zilles/​Pixabay)

In der deutschen Landwirtschaft kommt der Klimaschutz nicht voran. Seitdem sich die Bundesregierung 2013 eine deutliche Senkung der jährlichen CO2-Emissionen auf die Fahnen schrieb, sind die Emissionen laut Umweltbundesamt in der Landwirtschaft nicht gesunken, sondern gestiegen.

In der vergangenen Legislaturperiode setzte die Branche jährlich durch Batteriehühner, überdüngte Felder und Massentierhaltung so viele klimaschädliche Emissionen wie schon im Jahr 2000 frei. Die Landwirtschaft ist nach Energie und Verkehr der drittgrößte Verursacher von klimaschädlichen Gasen in Deutschland. Vor allem die Tierhöfe tragen mit ihren Ställen und durch die Futterherstellung zu der schlechten Bilanz bei.

Das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium hat bis heute wegen interner Streitigkeiten kein Einsparziel vorgelegt. "2018 soll der Klimaschutzplan 2050 mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden", schreibt Ministeriumssprecher Michael Hauck. Das bisherige Aktionsprogramm hat jedenfalls keine Wende gebracht.

Seit 1990 nichts passiert

"Das Landwirtschaftsministerium verharrt in seiner alten Politik. Es tut kaum etwas, um das Klima zu schützen", sagt Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace. Nach der Wende 1990 starben viele ostdeutsche Höfe – und haben damit auf einen Schlag die Emissionen gesenkt. Seitdem ist nichts mehr passiert.

Das Ministerium selber misst offenbar nicht den klimaschädlichen Beitrag der Landwirtschaft. Zumindest weigert es sich, selbst Zahlen zu liefern. Stattdessen verweist es auf das bundeseigene Thünen-Institut in Braunschweig.

Dessen Agrarforscher wiederum verweisen auf die 1.500 Tabellen ihres "Thünen-Berichts", der zwar jede einzelne Kuh in Deutschland auflistet, aber keine Gesamtzahl für die klimaschädlichen Gase nennt. Man könne nicht landwirtschaftliche Emissionen wie Ammoniak oder CO2 zusammenzählen, dies sei wie Äpfel und Birnen zu vergleichen, sagt Hans-Dieter Haenel, Wissenschaftler am Thünen-Institut.

Fest steht: Der größte Teil der Emissionen entweicht, wenn Bauern mit Mist oder stickstoffhaltigen Lösungen düngen oder Feuchtgebiete umbaggern. Nutztiere pusten bei der Verdauung knapp ein Drittel der klimaschädlichen Gase in die Luft – und sie alleine fressen mit 60 Prozent den Großteil der deutschen Ernte.

Klimaschutz würde also bedeuten, dass alle Deutschen weniger Fleisch essen und Landwirte weniger oder besser gar keine künstlichen Düngemittel mehr verwenden und die Moore in Ruhe lassen.

Geld für Großbetriebe

In den Statistiken der vergangenen Jahre lässt sich hingegen ablesen, dass keiner dieser Trends eingetreten ist. Bislang gilt: Das meiste Geld bekommt, wer mit großen Maschinen viel Kraftstoff verfährt und riesige Monokulturen bewirtschaftet.

Dafür sorgen die EU-Subventionen, die ihre Förder-Euro pro Hektar vergeben. Dafür sorgt aber auch, dass in Deutschland Landwirte weniger Geld für einen Liter Diesel bezahlen und zudem von der Kfz-Steuer befreit sind.

Die Kfz-Steuer wurde mit einem Gesetz von 1922 den Bauern erlassen. Damals sollten sie von Pferden und Eseln loskommen und sich motorisieren können. Heute kostet das den Bund 500 Millionen Euro im Jahr. Eine halbe Milliarde, die beispielsweise für die Umstellung auf klimafreundlichen Öko-Landbau fehlt. Wieso besteht ein 95 Jahre altes Gesetz weiter, das Bauern beim Verbrennen von fossilem Kraftstoff unterstützt?

Die industrielle Landwirtschaft kann sich auf eine ausgeprägte Lobbymacht verlassen. Denn eine ganze Reihe von Politikern in den Bundesländern sowie in Berlin sind zugleich Landwirte. Viele von ihnen haben gemeinsam an den agrarwissenschaftlichen Hochschulen in Göttingen, Gießen oder Bonn studiert und bilden so ein Netzwerk, das die Interessen der Branche vertritt.

Ausgeprägte Lobbymacht

Zum Beispiel der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU). Oder Peter Bleser (CDU). Er ist Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, selbst Landwirt und war Kuratoriumsmitglied in der Heinz-Lohmann-Stiftung, die dem größten deutschen Geflügelmäster PHW mit der Marke "Wiesenhof" gehört.

Oder Franz-Josef Holzenkamp, Landwirt in der Schweinehochburg Vechta-Cloppenburg, Sprecher im Agrarausschuss der CDU-Fraktion und seit Ende Juni Chef des Raiffeisenverbandes – ein Mega-Verband von Agrarunternehmen. Tierschützer hatten in seinen Schweineställen "erschreckende Zustände" gefilmt – Holzenkamp selbst räumte gegenüber dem Spiegel "Probleme" ein.

Auch die beiden laut der Transparenz-Plattform Abgeordnetenwatch bestverdienenden Abgeordneten sind Landwirte: Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU) und Johannes Röring (CDU) haben seit 2013 jeweils rund zwei Millionen Euro mit ihren Betrieben und der Beratung von landwirtschaftlichen Unternehmen verdient.

Zwar hat selbst der wissenschaftliche Beirat des Agrarministeriums wiederholt festgestellt, dass der Handlungsbedarf erheblich ist – aber Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) folgt weiterhin den Wünschen der Bauernverbände.

Bauernverbände haben das Sagen

Diese haben zum Beispiel Kampagnen gegen zu hohen Fleischkonsum verhindert. Deutsche essen durchschnittlich 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr, das entspricht einem großen Schnitzel oder vier Wurstbroten täglich und ist doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Weniger Fleisch würde den CO2-Verbrauch enorm senken – und Platz auf den Feldern mit Futterpflanzen schaffen.

Denn bislang wird beispielsweise viel zu wenig Obst angebaut. Stattdessen setzt die Branche auf den lukrativeren Export von Fleisch und Milch in andere Länder. "Es ist nicht das Ziel der Bundesregierung, den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorzuschreiben, was sie essen sollen. Dies muss jeder für sich selbst entscheiden", so Ministeriumssprecher Hauck.

Auch strenge Vorgaben für chemische Düngemittel sind gescheitert. Die stickstoffhaltigen Kügelchen oder Flüssigkeiten treiben Pflanzen in der häufig ausgelaugten Erde zum Wachsen an, sie werden mit viel Energie hergestellt und häufig weit transportiert. Biobauern hingegen reichern ihren Boden mit Kompost oder stickstoffhaltigen Pflanzen wie Bohnen und Klee an.

Die im Juli in Kraft getretene neue Düngeverordnung ist aber ein stumpfes Schwert, ein Verbot von Düngen im Winter und geplante Obergrenzen wurden schließlich gestrichen. Die Bundesregierung will die Landwirte nur dazu anregen, "Dünger besser und effizienter" zu nutzen. Prompte Sanktionen drohen keine. "Diese Verordnung wird nicht ausreichen, um die Ziele zu erreichen", urteilt das Umweltbundesamt.

Auch der Biolandbau kommt nicht voran. Nur rund sieben Prozent der deutschen Flächen werden ökologisch bewirtschaftet – die Bundesregierung ist weit entfernt von ihrem Ziel, jeden fünften Hektar zur Öko-Fläche zu machen. So sind sich die Klima-Experten einig: Wenn die Agrarbetriebe weiter so schädlich produzieren wie bisher, wird die Landwirtschaft in einigen Jahren zur größten Bedrohung des Klimas in Deutschland werden.


Dieser Beitrag ist eine Kooperation mit dem Recherchezentrum Correctiv. Die Correctiv-Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch ist es, mit gründlicher Recherche Missstände aufzudecken und unvoreingenommen darüber zu berichten.

Die Serie zur Klimabilanz der Bundesregierung

Teil 1: Der Klima-Schmutzplan
Teil 2: Wie der Kohleausstieg vereitelt wurde
Teil 3: Warum die Wärmewende nicht kommt
Teil 4: Landwirte legen Klimaschutz lahm
Teil 5: Auto-Republik Deutschland

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