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"Network not connected": Auf den Straßen der Welt wird nach echtem Klimaschutz geschrien – aber auf der Weltklimakonferenz in Madrid droht ein klimapolitischer Ausfall. (Foto: Susanne Schwarz)

Die Stimmung ist am Boden, das Ende ist offen.

Die UN-Klimaverhandlungen in Madrid sind am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. So weit ist das noch nicht außergewöhnlich. Wann war eine Weltklimakonferenz jemals pünktlich zu Ende? Bis in die samstäglichen Morgenstunden dauern die Gespräche in der Regel.

Aber im Madrider Konferenzzentrum ist auch am Samstagmittag noch nichts geklärt – nicht einmal, ob das vor vier Jahren in Paris Beschlossene noch so gilt, wie es mal gedacht war.

Der chilenische Konferenz-Vorsitz hat einen Entwurf für eine Abschlusserklärung vorgelegt. Darin heißt es zwar, dass die Staaten "eingeladen" seien, dem UN-Klimasekretariat im kommenden Jahr ihre mittel- und langfristigen Ziele für den Klimaschutz mitzuteilen.

Die Rede ist aber nicht mehr davon, dass es um neue Ziele geht. Laut Paris-Abkommen sollen die Staaten ihre bisherigen Ziele "aktualisieren". Einen Verweis darauf, dass eine Aktualisierung nur eine Verschärfung bedeuten kann – denn die Ziele reichen bei Weitem nicht für das beschlossene 1,5-bis-zwei-Grad-Limit –, sucht man erst recht vergeblich.

Der alle fünf Jahre vorgesehene Revisionsprozess ist eigentlich Kern des Paris-Abkommens. Dessen Text gilt natürlich trotzdem. Aber es sagt einiges über die internationale Lage aus, dass die Länder sich im Jahr 2019 nicht mehr darauf einigen können, das Versprochene auch nur formal zu bekräftigen.

Mit dem Entwurf des Abschlusstextes ist im Grunde niemand zufrieden. In einer Plenarsitzung bekamen die Staaten Gelegenheit, sich zum vorliegenden Entwurf zu äußern. Die Fronten sind noch härter geworden, der Tonfall auch.

Das sagen die Staaten

Der Vertreter aus Singapur griff die Konferenzpräsidentin, die chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt, offen an: "Was nicht im Text steht, Frau Präsidentin, ist manchmal genauso wichtig wie das, was drin steht."

Die Forderung nach einem deutlichen Bekenntnis zu höheren Klimazielen im kommenden Jahr zog sich durch die Statements der Diplomaten und Minister.

Die Vertreterin der Marshallinseln warnte im Plenum davor, man falle hinter die gültige Beschlusslage zurück, und fand persönliche Worte. "Wenn ich nach Hause komme, muss ich meinen Kindern in die Augen schauen und sagen können, dass wir ihnen eine Zukunft sichern können", sagte sie.

Aber auch Gipfel-Bremser Brasilien kritisierte den Entwurf: "Wir fühlen uns unwohl mit dem neuen Text", stellte der Sprecher klar. Der Grund des Unwohlseins sei einer der beiden neuen Sonderberichte des Weltklimarates. Der IPCC hat vor einigen Wochen den wissenschaftlichen Sachstand dazu vorgestellt, was es für Auswirkungen auf das Klima hat, wie die Menschheit Land und Böden nutzt.

Die Erwähnung des Berichts im Abschlusspapier sei "ein No-Go, eine rote Linie", so der brasilianische Vertreter. Der Grund: Die Rodung des brasilianischen Regenwaldes, die die Regierung derzeit vorantreibt, ist mit den IPCC-Ergebnissen nicht vereinbar.

Anschließend sprach die Europäische Union: Es sei "unmöglich, die Konferenz zu verlassen ohne ein starkes Signal für mehr Klimaschutz".

Kurz darauf kam Saudi-Arabien, der notorische Bremser aller Klimakonferenzen, zu Wort – mit dem absoluten Kracher. Den IPCC-Bericht zur Landnutzung wegzulassen, wie Brasilien fordert, sei "inakzeptabel". Und weiter: "Wir verstehen nicht, wie manche Länder damit ein Problem haben können."

Das ist ein starkes Stück. Kein anderes Land hatte bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr so vehement gegen die Erwähnung des IPCC-Berichts zum 1,5-Grad-Ziel gekämpft wie Saudi-Arabien. Außerdem erstaunte, dass das Wüstenkönigreich Brasilien derart aggressiv angreift. Unterstützung erhielt Saudi-Arabien in dem Punkt von Russland.

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Foto: Susanne Schwarz

Live von der COP 25

Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis offiziell 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.

Chinas Wortmeldung folgte einer bekannten Argumentation. Das Land will, dass ein zweijähriges Arbeitsprogramm aufgesetzt wird, das die Klimaschutzmaßnahmen der Industriestaaten für die Zeit vor 2020 analysiert.

Damit soll die Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer um zwei weitere Jahre verlängert werden. China als mittlerweile größter CO2-Emittent – nicht pro Kopf, aber insgesamt – und Schwellenland mit starker Wirtschaftskraft ist einer der Fälle, für die im Paris-Abkommen die strikte Trennung aufgehoben wurde.

Die Industriestaaten sollen nach dem Willen der chinesischen Delegation mehr Geld zur Verfügung stellen, sonst könnten die Entwicklungsländer "bedauerlicherweise" keine größeren Anstrengungen beim Klimaschutz unternehmen.

Daraufhin musste ein Land wieder erst einmal daran erinnern, worum es auf einer Klimakonferenz eigentlich geht, nämlich um Klimaschutz im Einklang mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand. Die Aufgabe übernahm Kolumbien und merkte an, der Titel des einen Entwurfs sei nur noch "ironisch" zu verstehen. Dort steht dem Konferenzmotto entsprechend "Time for Action", also "Zeit zu handeln".

Kolumbien stellte dann auch klar, dass man bereit wäre, die Konferenz scheitern zu lassen: "Eine Einigung um der Einigung willen ist nicht genug."

Für ein weiteres negatives Highlight sorgten die USA, die bis heute das einzige Land sind, das aus dem Paris-Abkommen aussteigen will. Zum Paris-Abkommen gibt es einen separaten Entscheidungstext. Dessen Paragraf 11 besagt, dass ein Bericht zum Fortschritt der Länder bei der Anpassung an den Klimawandel erarbeitet werden soll.

Das scheint für die Supermacht aber eine besondere Bedrohung darzustellen und die US-Vertreterin forderte, den Paragrafen "zu streichen". Das war eine Steilvorlage für eine später viel beklatschte Wortmeldung eines kleinen Inselstaates. Tuvalu stellte fest: "Nur Länder, die durch das Paris Abkommen gebunden sind, sollten sich dazu äußern."

Einem weiteren Entwicklungsland, Belize, kam es zu, auf einen besonderen Trick Australiens hinzuweisen. Das mittelamerikanische Land hat sein Klimaziel aus dem Kyoto-Protokoll übererfüllt, weil es besonders anspruchslos war. Damit verfügt Australien noch über eine große Menge an für den Klimaschutz wertlosen Kyoto-Emissionsrechten, sogenannten AAU. Diese will es nun nutzen, um rund 60 Prozent seines aktuellen Klimaziels zu erfüllen.

Dass sich Australien mit diesem Trick vor Klimaschutz drücken will, hinderte seinen Vertreter nicht daran, ausdrücklich die Erwähnung der Klimapläne in der Madrider Abschlusserklärung zu verlangen.

Platzt der Gipfel?

Es erscheint im Rahmen des Möglichen, dass der Gipfel platzt – nicht nur in den Augen der beobachtenden Klimaschützer, die ein schwaches Ergebnis als Scheitern betrachten würden. Ob das Hauptziel des Gipfels erfüllt wird, eine wasserfeste Regulierung für die künftigen Klimaschutz-Märkte zu finden, ist noch unklar. Schlupflöcher drohen das Ganze zu einem Ablasshandel werden zu lassen, der die Klimabilanzen viel besser erscheinen lässt, als sie in der Realität sein können.

Gegen Mittag ist ein neuer Entwurf dazu erschienen. Die Knackpunkte stehen weiterhin in eckigen Klammern – so werden die Passagen markiert, bei denen noch keine Einigung herrscht. Die Delegationen müssen den neuen Text jetzt erst einmal durchackern. Dann gehen die Verhandlungen weiter.

Eine Anzeige auf den Bildschirmen, die überall im Konferenzzentrum über den Terminplan informieren, sorgt gleichzeitig für ungläubige Lacher. Für 14 Uhr ist demnach das Abschlussplenum der gesamten Konferenz angesetzt. Es können natürlich Wunder geschehen. Aber daran glaubt zur Stunde noch niemand.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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