Aufgehende Sonne über der Skyline von Paris
Paris. (Foto: Rob Potvin/​Unsplash)

Wie geht es weiter mit dem Paris-Abkommen? Kann der 2015 beschlossene Vertrag sein Versprechen einhalten, die Erderwärmung so weit zu begrenzen, dass die Folgen der Klimaveränderungen kein katastrophales, nicht mehr beherrschbares Ausmaß annehmen?

Und wie ernst meinen es die 197 Staaten (einschließlich der EU), die das Abkommen unterzeichnet haben?

Nach der anfänglichen Euphorie über den Klimavertrag, der erstmals alle Staaten der Welt in die Pflicht nimmt, scheinen die Zeichen heute, vier Jahre später, eher auf Zögern und Bremsen zu stehen.

  • Die Verhandlungen über die Umsetzung des Abkommens sind ins Stocken geraten und hinken dem Zeitplan mittlerweile erheblich hinterher. Wichtige Themen wie die Ausgestaltung von CO2-Märkten, die bei der letzten Klimakonferenz COP 25 in Madrid eigentlich hätten geklärt werden sollen, wurden kurzerhand auf das nächste Gipfeltreffen im November in Glasgow verschoben, das damit von vornherein unter enormem Druck steht.
  • Die Frist zur Abgabe verbesserter Klimapläne für 2030 haben lediglich drei Länder eingehalten. Alle anderen Staaten ignorierten die Deadline. Zwar haben mehr als 140 Staaten angekündigt, bis zur COP 26 in Glasgow ihren Klimaschutzbeitrag zu erhöhen oder wenigstens eine Aktualisierung vorzunehmen. Allerdings stehen diese Länder nur für ein gutes Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen. Großemittenten wie China und Indien haben bislang lediglich angekündigt, mit der Arbeit an nachgeschärften Zielen beginnen zu wollen.
  • Die USA haben ihren angekündigten Austritt aus dem Paris-Abkommen im vergangenen November formal eingeleitet. Nach einer einjährigen Frist wird er am 4. November, einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen, wirksam. Der Rückzug der USA ist auch wegen der schieren Menge ihrer Emissionen relevant. Mit einem Anteil von knapp 15 Prozent am globalen CO2-Ausstoß ist das Land der zweitgrößte Emittent der Welt.

Doch es gibt auch einige kleine Fortschritte.

Weitere Länder haben ratifiziert

Im vergangenen Monat haben zwei weitere Staaten das Paris-Abkommen ratifiziert. Die libanesische Regierung vollzog den Schritt, mit dem der Weltklimavertrag als völkerrechtlich verbindlich anerkannt wird, am 5. Februar, die kirgisische am 18. Februar.

Damit haben nunmehr 189 von 197 Ländern das Abkommen ratifiziert. (Die Liste der UN, welche Staaten wann welchen Schritt vollzogen haben, finden Sie hier.)

Bereits im vergangenen September hatte auch Russland das Paris-Abkommen ratifiziert. Die Entscheidung des Landes, das mit einem Anteil von rund 4,6 Prozent der weltweiten Emissionen ebenfalls zu den großen Emittenten gehört, wird als Stärkung des Paris-Abkommens gewertet.

Noch nicht ratifiziert haben somit lediglich acht Unterzeichnerstaaten: Angola, Eritrea, Irak, Iran, Jemen, Libyen, Südsudan und die Türkei.

Vier dieser Länder – Angola, Irak, Iran und Libyen – sind Mitglied der Opec, der Organisation erdölexportierender Länder. Zu den größeren Emittenten gehören dabei Iran mit rund 1,7 Prozent der weltweiten Emissionen und Irak mit knapp 0,5 Prozent.

Angola (0,16 Prozent) und Libyen (0,14 Prozent) tragen nur wenig zum Klimawandel bei. Das gilt auch für Eritrea (0,01 Prozent).

Südsudan (gemeinsam mit Sudan 0,2 Prozent) und Jemen (0,07 Prozent) befinden sich in kriegerischen Auseinandersetzungen. "Länder, in denen Krieg herrscht, sind meiner Meinung nach 'entschuldigt'", sagte der Klimaexperte Niklas Höhne vom New Climate Institute gegenüber Klimareporter°.

Türkei könnte deutlich mehr tun

"Ein Land sticht aber heraus – die Türkei", sagt Höhne. "Die Türkei ist Mitglied der OECD, hat hohe wirtschaftliche Ambitionen, sehr gute erneuerbare Ressourcen und das Potenzial zur signifikanten Emissionsreduktion", so der Experte. 

Laut einer Studie der von Höhne mitgegründeten internationalen Wissenschaftlerinitiative Climate Action Tracker könnte die Türkei ihren bislang noch steigenden CO2-Ausstoß gerade in den emissionsintensiven Bereichen Strom, Gebäude und Verkehr deutlich senken, etwa durch einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien.

"Die Politik aber sieht anders aus: Pläne für einen massiven Ausbau von Kohlekraftwerken werden umgesetzt, obwohl sich diese auch in der Türkei langfristig nicht rechnen", sagt Höhne. "Eine große Zukunftschance wäre die Produktion von Elektroautos, die nun sogar langsam angegangen wird." Derzeit verursacht die Türkei gut ein Prozent der weltweiten Emissionen.

Hintergrund sind offenbar finanzielle Gründe. Als Mitglied des Industrieländerclubs OECD zählt die Türkei zu den sogenannten Annex-2-Staaten der Klimarahmenkonvention. Würde sie das Paris-Abkommen ratifizieren, wäre sie zu besonderen Unterstützungsleistungen für Entwicklungsländer verpflichtet. Dies hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mehrfach abgelehnt.

Mittlerweile gibt es aber auch eine Gegenbewegung. Zwei Dutzend türkische Städte und Gemeinden bekannten sich während der COP 25 in Madrid zum Paris-Abkommen.

Ähnlich wie die "We are still in"-Bewegung in den USA, in der sich viele Bundesstaaten, Großstädte und Unternehmen zusammengeschlossen haben, gaben die türkischen Kommunen eine Erklärung ab, in der sie zusagten, ihre CO2-Emissionen in Übereinstimmung mit dem 1,5-Grad-Ziel des Abkommens deutlich zu senken.

Weltkarte, die zeigt, welche Länder das Paris-Abkommen unterzeichnet und ratifiziert haben und welche nicht
Wer ist dabei, wer nicht: Mit hellem Blau gekennzeichnet sind die Länder, die das Paris-Abkommen unterzeichnet und ratifiziert haben, gelb diejenigen, die unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert haben. Die EU-Staaten (haben unterzeichnet und ratifiziert) sind dunkelblau hervorgehoben. Stand: 20. Februar 2020. (Grafik: L. Tak/​Wikimedia Commons)
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