Fracking-Bohrung im Sublette County in Wyoming.
Statt Kohle wird in den USA jetzt billiges, ebenfalls klimaschädliches Fracking-Gas gefördert, wie hier in Wyoming. (Foto: BLM/Wikimedia Commons)

Nach einer Pause von mehreren Jahren steigen die globalen Emissionen von Methan wieder deutlich. Mittlerweile liegt die Konzentration des starken Treibhausgases in der Atmosphäre beim Zweieinhalbfachen des Werts vor Beginn der industriellen Revolution.

Methan (CH4) ist damit nach Kohlendioxid (CO2) der zweitwichtigste Treiber der Klimaerwärmung. Ungeachtet dieser Tatsache hat US-Präsident Donald Trump letzte Woche mehrere Vorschriften für die Öl- und Gasindustrie gelockert. Die Unternehmen müssen nun nicht mehr regelmäßig nach Lecks suchen, aus denen Methan austritt. Dadurch spart die Branche voraussichtlich 19 Millionen Dollar pro Jahr.

Große Energiekonzerne wie Shell, BP und Exxon Mobil lehnen die Lockerung der Vorschrift ab. Gretchen Watkins, die Shell-Chefin in den USA, sagte dazu: "Die negativen Folgen von Lecks und Emissionen wurden jahrelang allgemein anerkannt. Daher ist es frustrierend und enttäuschend zu sehen, dass die Regierung in eine andere Richtung geht." Kleinere Firmen unterstützten hingegen die gelockerten Regeln.

Die Methanemissionen der US-Öl- und -Gasindustrie dürften aber noch aus einem anderen Grund steigen. Denn diese hat einen Anreiz, erschöpfte Bohrlöcher nicht zu verschließen, sondern sie vorgeblich nur temporär stillzulegen. So kann sie die Kosten für deren Versiegelung für Jahre oder sogar Jahrzehnte in die Zukunft verlagern.

Der Anreiz kommt daher, dass die Industrie keine ausreichenden Rückstellungen für die Kosten der endgültigen Stilllegung machen muss. Robert Schuwerk, US-Chef des Umwelt-Thinktanks Carbon Tracker, kritisiert daher die US-Bundesstaaten: "Indem sie die Firmen nicht dazu gezwungen haben, die Stilllegungskosten vorzufinanzieren, ermuntern sie sie, diese Kosten so lange wie möglich aufzuschieben."

Fracker rechnen mit veralteten Zahlen

Zudem unterschätzt die Branche die tatsächlichen Kosten für eine sachgemäße Verfüllung der Bohrlöcher mit Zement, wie ein aktueller Bericht von Carbon Tracker zeigt. Allgemein wird mit Kosten von 20.000 bis 40.000 US-Dollar pro Bohrloch gerechnet. Diese Schätzung beruht aber auf Erfahrungen mit senkrechten Bohrlöchern bis in eine Tiefe von 1.500 Metern.

Neue Bohrlöcher, bei denen mittels Fracking Öl und Gas aus dem Untergrund gepresst wird, sind jedoch meist doppelt so tief. Erfahrungswerte aus Australien zeigen, dass die Kosten für die Versiegelung von Bohrlöchern mit deren Tiefe exponentiell anwachsen. Carbon Tracker zufolge sollte man daher mit Kosten von 300.000 Dollar für ein Bohrloch mit einer Tiefe von 3.000 Metern rechnen.

Hinzu kommt, dass bei neuen Bohrlöchern an deren tiefstem Punkt anschließend seitlich noch viele Hundert Meter weit waagrecht in den Fels gebohrt wird. Auch dieser Teil muss mit Zement gefüllt werden. Diese Kosten sind in der Schätzung von Carbon Tracker noch gar nicht enthalten.

Und es kann noch schlimmer kommen. Schuwerk von Carbon Tracker weist darauf hin, dass die Corona-Pandemie und die Energiewende zu einer Welle an stillgelegten Bohrlöchern führen könnten, die die Industrie nicht mehr bezahlen kann. In diesem Fall bleiben die Kosten dann an den US-Bundesstaaten hängen.

Der US-Umweltaktivist Bill McKibben schrieb dazu auf Twitter: "Das ist die extremste Form von 'Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren'." Und diese Kosten könnten beachtlich sein. Carbon Tracker geht davon aus, dass es in den USA 3,3 bis vier Millionen Bohrlöcher gibt, die aktiv, ruhend oder aufgegeben sind.

Methan-Lecks auch in der Nordsee

Das Vergesellschaften von Kosten gehört allerdings auch in Europa zum Geschäftsmodell der Branche. Die Umweltorganisation Greenpeace hat, wie sie jetzt mitteilte, letzte Woche zwei Krater im Boden der Nordsee untersucht, aus denen Methan sprudelt.

Die Krater sind die Folge eines unkontrollierten Gasausbruchs während einer Bohrung von Mobil North Sea (heute Exxon Mobil) vor 30 Jahren.

Greenpeace-Meeresbiologin Sandra Schöttner sagte dazu: "Die Bohrplattform ist längst verschwunden, doch hier sprudelt seit Jahrzehnten massiv klimaschädigendes Methan aus dem Meeresboden. Niemand will die Verantwortung übernehmen, das ist ein Skandal."

Klimareporter°-Autor Jochen Luhmann vom Wuppertal-Institut und andere hatten schon vor mehr als zehn Jahren auf das Nordsee-Methanleck aufmerksam gemacht. Damals gab es keine Reaktion. Experten schätzten 2015, dass an der Stelle bis zu 90 Liter Methan pro Sekunde austreten.

An den rund 15.000 Bohrlöchern in der Nordsee strömen jährlich zwischen 8.000 und 30.000 Tonnen Methan ins Wasser, so aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen. Zusätzlich gelangen laut einem neuen Greenpeace-Report bereits durch den Normalbetrieb der Plattformen in der Nordsee pro Jahr 72.000 Tonnen Methan in die Atmosphäre.

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