Skulptur und Absetzer 1115 im Bergbau-Technik-Park Markleeberg. 
Vor 200 Jahren gab es die Hoffnung, eine Energiewende vom Holz zur Kohle würde ein gutes Leben ermöglichen und die Natur bewahren. Vom Klimawandel wusste man damals noch nichts, aber die Gesundheitsschäden zeigten sich bald. (Foto: Peggy Anke/​Pixabay)

Der schwarze Tod trägt eine Sense, nicht aus Eisen, nur aus Rauch. Jedes Jahr sterben in Europa 23.000 Menschen verfrüht an den Folgen der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke. Das ergab eine Untersuchung von Umweltorganisationen wie dem WWF und der Health and Environment Alliance (Heal).

Für die Gesundheitssysteme bedeutet das demnach Mehrkosten von rund 60 Milliarden Euro. Allein die deutschen Kohlekraftwerke verursachten jährlich 4.350 vorzeitige Todesfälle, davon 2.500 nicht in der Bundesrepublik, sondern in den Nachbarländern. Noch schlimmer seien, so heißt es in der Studie, nur die polnischen Anlagen.

Für Anne Stauffer von Heal zerstört die Studie vor allem einen Mythos um die Kohle: dass Strom auf Grundlage dieses fossilen Energieträgers billig sei. "Unsere Studie unterstreicht: Auf Kohlestrom zu setzen geht stark auf Kosten der Gesundheit", sagt sie. Öffentliche Kosten – nicht nur ökologischer, sondern eben auch gesundheitlicher Art – auf der einen Seite, private Gewinne der Kohlewirtschaft auf der anderen.

Dass Kohlekraftwerke krank machen und so möglicherweise auch zu einem früheren Tod führen, liegt an der Zusammensetzung des Rauchs, der aus ihren Schloten emporsteigt. Darin ist nicht nur das Treibhausgas Kohlendioxid, das den Klimawandel anheizt, es kommen auch Stickoxide, Schwefeldioxid und Schwermetalle hinzu.

Der Umweltmediziner Ulrich Franck vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) kann zahlreiche Krankheiten aufzählen, die durch diese Stoffe hervorgerufen, verstärkt oder zumindest begünstigt werden: Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündungen oder Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Schlaganfall, Diabetes, Allergien, sogar Tumorleiden.

Je kleiner die Partikel, desto gefährlicher

Besonders gefährlich sind dabei die Teilchen, die sehr klein sind, nämlich einen Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern haben – der sogenannte Feinstaub. Der Begriff bezieht sich nur auf die Größe eines Teilchens, nicht darauf, aus welchem Stoff es ist. Selbst das als gesund geltende Seesalz kann als Bestandteil von Gischt zum Feinstaub werden. Je kleiner die Teilchen, desto tiefer dringen sie in die Lunge ein. Das kann gefährlich werden – vor allem, weil der Qualm aus Kohlekraftwerken nicht gerade aus Seesalz besteht.

Die Gefahr besteht nicht nur in unmittelbarer Nähe zum Kohlekraftwerk. Je nach Wetterlage können die krank machenden Teilchen sich in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern ausbreiten. Einige Partikel kann der Wind sogar 1.000 Kilometer weit tragen.

"Die Emissionen aus Kohlekraftwerken verteilen sich über ganze Regionen", meint auch Franck. "Im Sinne der Umweltgerechtigkeit ist das einerseits gut, weil die Menschen, die direkt im Umfeld des Kohlekraftwerks leben, nicht mit der vollen Ladung getroffen werden, andererseits machen die Emissionen nicht an Ländergrenzen halt – und dann werden Menschen belastet, die nichts mit den jeweiligen energiepolitischen Entscheidungen zu tun haben."

Beispiel Frankreich: Das Land hat durch seine vielen Atomkraftwerke zwar nicht gerade einen sauberen oder sicheren Energiemix, Kohlekraftwerke mit ihren direkten Gesundheitsgefahren laufen dort aber kaum. In den Grenzgebieten zu Deutschland kommen trotzdem Luftschadstoffe aus Kohlekraftwerken an.

"Nicht auf Grenzwerten ausruhen"

Deutschland hat besonders in den Großstädten ein echtes Problem mit schlechter Luft. An fast der Hälfte der verkehrsnahen Messstationen wurde im vergangenen Jahr der EU-weit gültige Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten, teilweise deutlich. Das liegt zwar vor allem an alten Diesel-Pkw, Kohlekraftwerke tragen aber auch dazu bei.

Bei den kleinsten Teilchen, also beim Feinstaub, steht Deutschland besser da. Es gibt jedoch ein Aber: Die EU-Grenzwerte sind viel schwächer als das, was die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.

Umweltmediziner Franck warnt ohnehin davor, sich auf Grenzwerten auszuruhen und nur tätig zu werden, wenn sie überschritten sind. "Wir müssen daran denken, dass 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht viel schlimmer sind als 39, obwohl Letzteres unter dem Grenzwert liegt." Für ihn ist klar: "Wir sollten den vom Menschen hervorgerufenen Anteil an der Luftbelastung aus gesundheitlicher Perspektive so weit wie möglich senken – vielleicht nicht von heute auf morgen, aber eben nach und nach, sobald es technisch mit vertretbarem Aufwand möglich ist."

Im Falle der deutschen Kohleverstromung ist es im Grunde Konsens, dass zumindest eine deutliche Reduzierung möglich wäre, ohne die Versorgungssicherheit aufs Spiel zu setzen. Deutschland produziert riesige Stromüberschüsse.

Das zeigt sich gut am Beispiel des 24. Januar 2017: Der Tag gilt für das vergangene Jahr als Inbegriff der "kalten Dunkelflaute", einer Wetterlage mit starker Bewölkung und Windstille, die also denkbar schlechte Bedingungen für die erneuerbare Stromproduktion bietet. Selbst an diesem Tag hat Deutschland noch permanent Strom in seine Nachbarländer exportiert. Genauso wie Massen an Luftschadstoffen aus der Kohleverstromung.

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