Zwei Touristen betrachten einen Wasserfall in einer Stein- und Eislandschaft mit hoch aufragenden Wänden.
Am Fuß des Russellgletschers in Westgrönland: Kommen hier bald Flaschenabfüller vorbei? (Foto: Dan Bach Kristensen/​Shutterstock)

Grönland taut. In jedem Jahr fließt so viel Wasser von der immer weniger eisigen Insel im Polarmeer ab, dass sich der Bodensee damit fünfmal füllen ließe, wie Forscher der TU Dresden kürzlich ausgerechnet haben.

Die Situation hat sich inzwischen dramatisch verschärft. In den 1990er Jahren tauten pro Jahr im Schnitt 33 Milliarden Tonnen Eis, heute sind es 254 Milliarden Tonnen, also fast achtmal so viel.

Die Gletscher der Insel haben in den vergangenen drei Jahrzehnten rund 3.800 Milliarden Tonnen Eis verloren. Das allein sorgte dafür, dass der Meeresspiegel weltweit um gut einen Zentimeter anstieg. Eine Folge des Klimawandels. Die Arktis erwärmt sich etwa doppelt so schnell wie die Erde im Mittel.

Nun will die Regierung der Insel, die politisch zu Dänemark gehört, aus der Not eine Tugend machen. Sie füllt den Klimawandel quasi in Flaschen ab und will den Rest der Welt damit beglücken.

Der Energieminister von Grönland, Jess Svane, hat 16 Lizenzen zur Gewinnung von Wasser ausschreiben lassen, das in den Export gehen soll. "Wir haben große Mengen reinsten Wassers", sagte er jüngst in einem Interview. Grönland biete an, "diese Ressource zu nutzen".

Neun kleinere Unternehmen haben bereits eine Lizenz für den Wasserexport bekommen. "Aber wir wollen expandieren und unser Wasser mit dem Rest der Welt teilen", bekundete Minister Svane. Das Projekt ist Teil der Strategie der Regierung, die weitgehend autonome Insel auch ökonomisch stärker von Dänemark zu emanzipieren.

Für ökonomische Unabhängigkeit

Die Menschen in Grönland wollten wirtschaftlich unabhängig werden, erläuterte der Minister, "und diesen Kurs verfolgen wir im Moment". Die Süßwasserknappheit auf der Welt nehme infolge des Klimawandels zu, und da rechnet Grönland sich offenbar gute Absatzchancen aus.

Joachim Wille ist Chefredakteur des Onlinemagazins Klimareporter°.

So weit, so grotesk: Grönland-Wasser als Wohlstandsfaktor, das energieaufwändig tausende Kilometer rund um den Globus geschippert wird, vermutlich in Einweg-Plastikflaschen, was beides den Klimawandel weiter anheizt? Das kann ja wohl nicht die Lösung sein.

So viel Wasser kann man gar nicht trinken, dass die Verkaufsidee einem sinnvoll vorkommt – es sei denn, jede Flasche kostet fünf Euro und das Geld fließt in einen Fonds zur Bekämpfung irrwitziger Ideen – wie der von Donald Trump, Grönland zu kaufen. Denn was dann auf der Insel geschehen würde – nicht auszudenken.

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