Überflutete Häuser von oben
Überflutete Siedlung im US-Bundesstaat Texas nach dem Hurrikan Harvey im Sommer 2017. (Foto: SC National Guard/​Wikimedia Commons)

Düster wie noch nie zeichnet der diesjährige Weltrisikobericht den Blick in die Zukunft der Welt: Er diagnostiziert viele Risiken, bei denen es ums Überleben geht. Und verwendet allzu oft ein Wort, das mit Krisenbewältigung nicht viel zu tun haben sollte: schlafwandeln.

"Schlafwandeln wir uns mitten in die Krise hinein?", wird das Dokument eröffnet. Und der Chef des Weltwirtschaftsforums Børge Brende schreibt im Vorwort, der Bericht warne davor, "in die Krise hineinzuschlafwandeln". Am deutlichsten sehe man das bei der Umwelt.

Überhaupt ist der Klimawandel mit allem, was damit zusammenhängt, dem Bericht zufolge das langfristig größte Risiko. Er vereint zwei Dimensionen des Risikos auf sich: Dass er eintritt, ist hochwahrscheinlich, nämlich eigentlich sicher. Und er wird außerdem riesige Auswirkungen haben. Konkret werden Naturkatastrophen und Wetterextreme genannt – und die Möglichkeit, dass die Welt beim Klimaschutz versagt.

"Wir müssen dringender denn je die Art und Weise der internationalen Zusammenarbeit ändern", sagte Brende. Sprich: aufhören mit dem Schlafwandeln. Dem könnten, wie das Weltwirtschaftsforum warnt, allerdings die im kommenden Jahr drängendsten Risiken im Weg stehen: wachsende geopolitische und geoökonomische Spannungen.

Alison Martin, Risikochefin bei der Zurich Insurance Group, findet die Einordnung des Klimawandels als langfristig größtes Risiko nicht verwunderlich: "Leider war 2018 ein Jahr, in dem wir Waldbrände historischen Ausmaßes, anhaltende Überschwemmungen und einen Anstieg der Treibhausgasemissionen verzeichneten." Dasselbe gelte für die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Umweltpolitik.

Was wird aus der Welt, wenn der Schock kommt?

Die Finanzanalystin richtete sich auch direkt an Unternehmen. "Vor diesem Hintergrund empfehlen wir Unternehmen dringend, eine Anpassungsstrategie für ihre Klimawiderstandsfähigkeit zu erarbeiten und sie möglichst rasch umzusetzen", sagte Martin.

Als am stärksten unterschätztes Risiko nennt der neue Bericht technologische Gefahren und digitale Bedrohungen. "Wir sind uns immer noch nicht vollständig der Anfälligkeit vernetzter Gesellschaften bewusst", heißt es beim Weltwirtschaftsforum. Außerdem warnt der Bericht auch vor der emotionalen Verwahrlosung vieler Menschen, einer extremen sozialen Ungleichheit und kultureller Spaltung.

Für den Weltrisikobericht befragt das Weltwirtschaftsforum jedes Jahr rund 1.000 Experten und Entscheidungsträger zu den ihrer Einschätzung nach größten Risiken und stellt aus den Ergebnissen den Weltrisikobericht zusammen.

Der Report wird üblicherweise etwa eine Woche vor Beginn des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos präsentiert. Dieses Jahr beginnt die viertägige Konferenz am kommenden Dienstag. Es werden etwa 3.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in aller Welt erwartet.

Vor allem zum Anstoß der Debatte auf dem Forum enthält der Weltrisikobericht auch zehn "Zukunftsschocks". Die Krisenszenarien leiten sich aus den ermittelten Risiken ab, sind aber extreme Ausformungen der denkbaren Ereignisse.

Für Kritiker sind die Warnungen scheinheilig

Auch hier haben einige mit Folgen des Klimawandels zu tun oder mit dem Versuch, mit ihm umzugehen. Darunter finden sich Wetterkriege, bei denen Geoengineering als Waffe zur Schwächung des Gegners eingesetzt wird, oder ein Ende der Wasserversorgung in Städten.

Für Kritiker sind die jährlichen Warnungen des Weltrisikoberichts scheinheilig. "Es werden keine Konsequenzen gezogen, dann müsste man nämlich an die Ursachen herangehen", sagte Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung im Gespräch mit Klimareporter°

Maier nannte den Bericht zudem einen "Warnschuss an sozial blinde Klimaschützer", die nicht verstünden, dass Ungleichheit eine zentrale Rolle in der Klimakrise spiele.

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