Zwischen hohen Kiefern hängen Baumhäuser, Menschen schlafen in Hängematten zwischen den Bäumen oder in Zelten auf dem weichen, moosbedeckten Boden. Seit dem 28. Februar besetzt die Gruppe "Tesla stoppen" ein Waldstück nahe dem Tesla-Werk in der brandenburgischen Gemeinde Grünheide südöstlich von Berlin. Angemeldet ist die Versammlung vorerst bis zum 20. Mai.

Friedlich ist es im Camp: Vögel zwitschern, jemand hämmert an einem Baumhaus herum, einige machen Musik mit Schlagzeug und Gitarre. Zwischen den sonnenbeschienenen Bäumen hängen bunte, selbstgemalte Banner.

 

Protestiert wird gegen den geplanten Ausbau der "Gigafactory". Die Fabrik des US-Elektroautobauers Tesla nimmt bereits 300 Hektar ein, eine Fläche so groß wie das Tempelhofer Feld in Berlin. Das Werk soll nun vergrößert werden, um unter anderem einen neuen Güterbahnhof zu bauen.

Die Aktion nennt sich selbst auch "Wasserbesetzung". Grund für den Namen ist der geplante Ausbau der Fabrik in einem Wasserschutzgebiet.

Außerdem weist "Tesla stoppen" darauf hin, dass auch E-Autos nicht einfach nachhaltig sind, sondern viele Ressourcen verbrauchen, die teils unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen gewonnen werden. Statt Klimaschutz im Verkehr allein durch den Umstieg auf E-Autos erreichen zu wollen, solle der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden.

Viel Unterstützung aus der Gemeinde Grünheide

Die Aktivist:innen stehen nicht allein mit ihrem Protest. In einem Bürgerentscheid hatte die Mehrheit der Einwohner:innen von Grünheide gegen die Erweiterung des Werksgeländes gestimmt. Aktivist:innen und Grünheider:innen unterstützen sich gegenseitig. Anwohner:innen kommen regelmäßig im Aktionscamp vorbei, bringen Lebensmittel und andere benötigte Dinge.

Die Bürgerinitiative Grünheide, die sich gegen das Tesla-Werk engagiert, und die Aktivist:innen von "Tesla stoppen" hielten am Dienstag vor Ort gemeinsam eine Pressekonferenz ab. Dort verkündeten sie, dass die Versammlung, sprich die Besetzung, wie angemeldet bis zum 20. Mai bleiben darf.

Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide, Leo Meyer und Mika Elster von "Tesla stoppen" und zwei Aktivist:innen der Gruppe Disrupt (v.r.n.l.) am Dienstag vor der Presse. (Bild: Leonie Vogelsang)

Das war zuletzt tagelang unklar. Vergangene Woche hatte das Polizeipräsidium Potsdam neue Auflagen gestellt, darunter ein Verbot der Nutzung der Baumhäuser und eine Beendigung der Versammlung bis zum 21. März. Das Protestcamp sei unvereinbar mit naturschutz- und baurechtlichen Vorschriften, hieß es zur Begründung.

Die Aktivist:innen wehrten sich und reichten einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Potsdam ein, dem am Dienstag stattgegeben wurde – allerdings hat die Brandenburger Polizei noch am Mittwoch Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, wie Innenminister Michael Stübgen (CDU) mitteilte. Die neuen Auflagen müssen also nicht erfüllt werden.

Das Verwaltungsgericht teilte dazu mit, die Begründungen zu den Auflagen seien nicht ausreichend gewesen. Auch habe sich die Polizei nicht im gebotenen Maße mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass die Versammlungsfreiheit grundrechtlichen Schutz genießt, in den nur unter besonderen Bedingungen eingegriffen werden darf.

"Tesla stoppen" hatte die Polizeiauflagen kritisiert und betont, dass zurzeit keine Waldbrandgefahr besteht und die Aktivist:innen bemüht seien, sich naturfreundlich und schonend zu verhalten. Zudem seien die Baumhäuser laut zwei Gutachten eines Bauingenieurs und eines Baumgutachters sowohl für die Menschen sicher als auch baumschonend gebaut. Die Beschränkung der Versammlung bis zum 21. März wäre zudem ein faktisches Verbot gewesen, betonte Mika Elster von "Tesla stoppen".

Die Gruppe spricht auch von einer versuchten Kriminalisierung ihres Protests und einem Nachgeben gegenüber wirtschaftlichen Interessen. Einziges Ziel der Auflagen sei die Vorbereitung der Räumung gewesen.

Landesregierungen halten zu Tesla

Die Landesregierungen Brandenburgs und Berlins halten sich zu dem Thema bisher zurück. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) stellen sich aber beide klar auf die Seite des Autoherstellers.

"Berlin und Brandenburg stehen gemeinsam zu Tesla", erklärten die Landesregierungen nach einem Besuch von Tesla-Chef Elon Musk in der Gigafactory in Grünheide. Die Autofabrik sei von großer Bedeutung für die Beschäftigung in der Region, für den Industriestandort Deutschland und für das wirtschaftliche Wachstum.

Besorgt äußerte sich Brandenburgs Innenminister Stübgen. Er befürchte eine zunehmende Radikalisierung der Aktivist:innen, sagte der Minister gegenüber dem Sender RBB.

Über das Urteil des Verwaltungsgerichts ist die Freude im Camp groß. Nach jedem Redebeitrag auf der Pressekonferenz applaudieren umstehende Aktivist:innen und eine Flasche Sekt wird aus den Bäumen zu den Redner:innen abgeseilt.

Die Besetzung kann nun also bis zum 20. Mai weitergehen – und wird womöglich noch einmal verlängert. "Wir gehen erst, wenn die Werkserweiterung von Tesla verhindert ist", sagt die Aktivistin Leo Meyer von "Tesla stoppen" auf die Frage, ob die Gruppe auch über den Mai hinaus bleiben wolle.

Auch die Bürgerinitiative Grünheide will sich erst zufriedengeben, wenn die Fabrikerweiterung aufgehalten ist. Zu dem vom Grünheider Bürgermeister am vergangenen Freitag vorgestellten neuen, eingeschränkten Bebauungsplan sagt BI-Sprecherin Manu Hoyer nur: "Ich weiß nicht, was daran nicht zu verstehen ist, dass sich 62,1 Prozent der Grünheider:innen gegen die Erweiterung von Tesla ausgesprochen haben." Die Initiative werde weiterkämpfen.

Der Beitrag wurde am 21. März um 12:30 Uhr ergänzt (Polizei legte Beschwerde ein).