Aus Schweden, Spanien, den Niederlanden und ganz Deutschland reisen Aktivist:innen zum Anti-Tesla-Camp. (Bild: David Zauner)

Kaum wiederzuerkennen ist die Grünheider Festwiese dieser Tage. Zwischen Zirkuszelten, dampfenden Koch-Jurten, Dixiklos und wie Pilze aus der Wiese schießenden Schlafzelten tummeln sich Hunderte Aktivist:innen.

1.200 Menschen hätten sich für das Anti-Tesla-Protestcamp angemeldet, so Esther Kamm, Sprecherin des Bündnisses "Tesla den Hahn abdrehen". Einige Hundert mehr werden für Protestaktionen am Wochenende aus Berlin erwartet.

Mitten in dem Treiben sitzt Kamm am Donnerstagmittag zusammen mit Vertreter:innen anderer Initiativen hinter einem Biertisch und stellt sich zur Auftakt-Pressekonferenz den Fragen der Journalist:innen. "62,1 Prozent" steht fett gedruckt auf einem Plakat, das in Richtung der Kameras vorne an dem Tisch klebt.

Das ist der Anteil der Bürger:innen von Grünheide, die Ende Februar bei einer nicht bindenden Befragung gegen die geplante Erweiterung des Tesla-Werks gestimmt haben.

Gegenwärtig produziert der milliardenschwere Konzern von Elon Musk auf 300 Hektar vor den Toren Berlins rund 300.000 Elektroautos im Jahr. Mit einem Ausbau der Fabrik auf dem bestehenden Areal und vor allem einer Erweiterung des Werksgeländes um 170 Hektar soll die Produktion auf jährlich eine Million Autos erhöht werden.

Auf 100 dieser 170 Hektar steht Wald, und das auch noch im Landschaftsschutzgebiet. Die Fläche müsste für die Erweiterung gerodet werden. Außerdem befinden sich schon heute zwei Drittel des Werks in einem Wasserschutzgebiet. Mit der geplanten Erweiterung würde das Industriegelände weiter in das Schutzgebiet hineinwachsen.

Etwa zwei Kilometer entfernt besetzen deshalb schon seit Februar 50 bis 80 Aktivist:innen einen Teil des betroffenen Waldes.

Tesla steht still

Als Reaktion auf die Bürger:innenbefragung hat die Gemeinde den Bebauungsplan für die Erweiterung geändert. Jetzt sollen nur noch 50 Hektar des Waldes an Tesla verkauft und gerodet werden. Gleichzeitig plant die Gemeinde aber – auch auf Druck der brandenburgischen Landesregierung –, die gesamte Fläche aus dem Landschaftsschutzgebiet auszugliedern.

Damit stünde dem späteren Verkauf an Tesla nichts mehr im Wege, kritisiert Esther Kamm. Angesicht des klaren Neins der Grünheider:innen sei dieses Vorgehen zutiefst undemokratisch.

Am 16. Mai stimmen die Mitglieder der Gemeindevertretung über den angepassten Bebauungsplan ab. Mit vielfältigen Protestaktionen am Wochenende wollen die Aktivist:innen die Werkerweiterung noch verhindern.

Was genau geplant ist, verraten sie auf der Pressekonferenz nicht. Am Freitag drangen allerdings mehrere hundert Aktivist:innen auf das Betriebsgelände vor, weitere haben den Flugplatz Neuhardenberg besetzt, wie bis zum Nachmittag bestätigt wurde. Der Flugplatz dient Tesla als Lager.

Lichter Kiefernwald mit einigen bunten Baumhäusern, von schräg unten aufgenommen.
Ende Februar begann die Besetzung des Waldstücks bei Grünheide. (Bild: Leonie Vogelsang)

"Disrupt Tesla" heißt das Bündnis, das für die Aktionsplanung zuständig ist. Es ist aus der Klimagerechtigkeitsbewegung "Ende Gelände" hervorgegangen und vernetzt verschiedene antikapitalistische Gruppen der Bewegung.

Ende Gelände machte sich durch radikale Forderungen und direkte Aktionen einen Namen. Für den "Systemwandel" blockierten die Aktivist:innen zu Tausenden Kohlebagger und Transportgleise und konnten so Öffentlichkeit für die Zerstörungen durch den Kohleabbau in zuvor nicht erreichtem Umfang schaffen.

Viel zu blockieren gibt es dieses Wochenende vermutlich nicht. Die Produktion in der sogenannten Gigafactory von Tesla steht seit Mittwochabend still und soll erst am Montag wieder hochgefahren werden.

Das verlängerte Wochenende für einen Teil der Belegschaft sei bereits seit Januar geplant und habe nichts mit den Protesten zu tun, erklärte eine Tesla-Sprecherin. Dass alle anderen Mitarbeiter:innen aber am Freitag im Homeoffice arbeiten werden, ist laut Handelsblatt wohl auf eine polizeiliche Empfehlung zurückzuführen.

Für Lucia Mende sind das positive Nachrichten. "Jeder Tag, an dem kein sinnloses Luxusauto produziert wird, ist ein guter Tag", sagt die Disrupt-Sprecherin im Gespräch mit Klimareporter°. Dass das Werk dieses Wochenende stillstehen wird, sei dem Bündnis auch schon länger bekannt gewesen und die Aktionen seien daran angepasst.

"Am Ende stehen wir alle wieder im Stau"

Wie problematisch der hohe Wasserverbrauch der Gigafactory und die Wasserverschmutzung sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Schon zu Baubeginn 2021 äußerten nicht nur viele Anwohner:innen, sondern auch Expert:innen diesbezüglich Sorgen.

Auf einer Pressekonferenz während der Bauphase reagierte Tesla-Chef Elon Musk auf eine Frage zum Wasserverbrauch der Fabrik mit spöttischem Lachen und den Worten: "Diese Region hat so viel Wasser. Schau dich um. Das ist völlig falsch, hier gibt es überall Wasser. Sieht es hier aus wie in einer Wüste? Das ist lächerlich."

Eine angekohlte Kiefer, im Hintergrund verbrannte Fläche
Brandenburg ist Waldbrandland Nummer eins in der Bundesrepublik. (Bild: Friederike Meier)

Dabei gehört die Gegend zu den trockensten in Deutschland. In den letzten Jahren kam es zu hunderten Waldbränden in Brandenburg und zu Ernteeinbußen. 2022 begann der für Grünheide zuständige Wasserverband WSE, mit Privathaushalten als Neukunden eine Deckelung der Wasserversorgung zu vereinbaren.

Tesla darf laut den Behörden 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr verbrauchen – in etwa so viel wie eine Stadt mit 40.000 Einwohner:innen –, nimmt aber wohl wesentlich weniger in Anspruch. Gleichzeitig gibt es Unternehmen in Brandenburg mit einem wesentlich höheren Wasserverbrauch, vor allem in den Branchen Kohle, Öl, Abfall, Papier und Stahl.

Allerdings kam es bei Tesla allein bis Herbst 2023 zu 26 Umweltvorfällen. Dazu zählte der Austritt von Lack in das Grundwasser. Mittlerweile ist bekannt, dass Tesla mehrmals Abwassergrenzwerte überschritten hat. Die Behörden sahen keine Gefahr für die Trinkwasserversorgung, während Umweltforscher:innen wie Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Zweifel an der Entwarnung äußerten.

Bei den gegenwärtigen Protesten geht es aber noch um wesentlich mehr. "E‑Autos sind nicht nachhaltig und kein Klimaschutz", heißt es in einem Aufruf. Außerdem brauche es zur Produktion große Mengen an Ressourcen, für die Menschen weltweit ausgebeutet würden.

Natürlich fordern die Aktivist:innen kein Festhalten am Verbrennungsmotor, sondern eine "Verkehrswende statt Antriebswende". Disrupt-Sprecher Ole Becker zählt auf: "Die Autos rollen vom Band, die Beschäftigten werden ausgebeutet, die Klimaziele werden gerissen und am Ende stehen wir alle wieder im Stau."

Wasserwerfer, Reiterstaffel, Polizei an jeder Ecke

Die Aktionen würden sich deshalb gegen ein Festhalten am Autokapitalismus wenden. Ziel sei "Mobilität für alle" in Form eines gut ausgebauten und kostenfreien öffentlichen Nahverkehrs. 

Der nächste Bahnhof liegt genau zwischen der Gigafactory und dem Protestcamp. Welches Polizeiaufgebot für die Protesttage zusammengetrommelt wurde, wird schon auf dem Weg vom Bahnhof zum Camp deutlich.

Alle paar Minuten fahren Polizeibusse vorbei, an jeder Straßenecke, auf jedem Waldweg stehen die blau-weißen Blechkisten. Brandenburgs Innenministerium hat zum Schutz des US-Unternehmens auch die Bundespolizei und Beamt:innen aus mehreren Bundesländern angefordert.

"Ich empfinde das als bedrohlich – Wasserwerfer, Reiterstaffel, Polizei an jeder Ecke", schimpft Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide. "Wir protestieren seit 2019 gegen Tesla, und zwar immer friedlich", betont sie.

 

Aktivist:innen aus dem besetzten Wald berichteten in den vergangenen Monaten immer wieder über Polizeibrutalität, anzügliche Gesten von Beamt:innen, die in die als Versammlung angemeldete Waldbesetzung eingedrungen waren, und weitere Provokationen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) hatte bereits erklärt, wegen möglicher Auseinandersetzungen mit den Protestierenden besorgt zu sein.