Zwei Frauen betrachten die Kurse von Zertifikaten.
Die Leipziger Strombörse ist einer der Marktplätze für Emissionsberechtigungen in der EU. (Foto: EEX)

Soll die Erhitzung der Erde auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden, muss der Preis für eine Tonne ausgestoßenes CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen und bis 2030 auf 50 bis 100 US-Dollar steigen. Das haben die renommierten Ökonomen Joseph Stiglitz und Nicholas Stern ausgerechnet.

Für das 1,5-Grad-Ziel müsste der CO2-Preis bis 2030 noch stärker ansteigen: auf 150 bis 400 Dollar. Auch die Wirtschaftswissenschaftler selbst bezweifeln, ob solch hohe Preise überhaupt möglich sind.

Auf der anderen Seite wird häufig angenommen, dass niedrige CO2-Preise kaum Wirkung entfalten. So warnte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) davor, dass niedrige Preise die Marktbeteiligten nicht dazu veranlassen, ihre Emissionen zu senken und in CO2-neutrale Technologien zu investieren. 

Patrick Bayer und Michaël Aklin, zwei Forscher von der schottischen University of Strathclyde und der US-Universität Pittsburgh, argumentieren jedoch, dass die Marktpreise nicht unbedingt einen Rückschluss darauf erlauben, ob ein CO2-Markt funktioniert. In einer Studie, die im Fachmagazin PNAS erschienen ist, haben sie untersucht, wie viel CO2-Minderung durch das EU-Emissionshandelssystem ETS erreicht wurde.

Um die Auswirkungen des ETS zu bewerten, versuchten die Autoren die Emissionen einer hypothetischen EU abzuschätzen, in der es das Emissionshandelssystem nicht gibt. Dafür verwendeten sie ein statistisches Modell, bei dem sie zwei Datensätze von Emissionsdaten unterschiedlicher Wirtschaftssektoren – mit und ohne ETS – für den Zeitraum von 1990 bis 2016 zusammenführten. 

Die vom Modell geschätzten Emissionen mit existierendem CO2-Markt entsprechen der Entwicklung, wie sie tatsächlich passiert ist. Dies wurde mit der Schätzung für eine EU ohne CO2-Markt verglichen. Demnach hat das ETS zwischen 2008 und 2016 rund 1,2 Milliarden Tonnen CO2 eingespart – trotz niedriger CO2-Preise.

"Ob das für den Pfadwechsel reicht, bleibt unklar"

Die Emissionen in den Sektoren, die am europaweiten Emissionshandel teilnehmen, sanken in dem Modell um 7,5 Prozent – allein aufgrund des CO2-Preises. 

Rechnet man auch alle Emissionen ein, die nicht durch den Markt abgedeckt sind, ergibt sich für die EU eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 3,8 Prozent. Das ist etwa die Hälfte von dem, was die EU 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls versprochen hatte. 

"Die Studie zeigt: Billige Emissionszertifikate sind nicht vollkommen nutzlos. Aber daraus folgt nicht, dass sie ausreichend für den Klimaschutz sind", sagt Anita Engels vom Exzellenzcluster "Klima, Klimawandel und Gesellschaft" an der Universität Hamburg.

Die Autoren hätten lediglich nachgewiesen, dass niedrige CO2-Preise nicht vollkommen effektfrei sind. "Sie vermuten, dass zumindest bei einigen Unternehmen im EU-Emissionshandelssystem selbst die niedrigen Preise Investitionen in emissionssparende Technologien ausgelöst haben", so Engels.

"In der Summe ist dieser Effekt nicht zu vernachlässigen", meint die Soziologin. Die Methode prüfe aber nicht, ob solche niedrigen Preise auch in der Lage wären, einen Pfadwechsel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise zu bewirken.

Aus Sicht von Engels liegt die Messlatte also deutlich höher. "Es geht viel grundsätzlicher um die Frage, ob marktförmige Instrumente und moderate CO2-Bepreisung den Quantensprung im Klimaschutz überhaupt herbeiführen können."

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