Graue Erdgasleitung mit der Aufschrift
Die umstrittene Ostseepipeline kommt nun auch wegen möglicher Methanleckagen unter Druck. (Foto: Oksana Wojewtschik/​Shutterstock)

Die Pipeline Nord Stream 2, mit der Russland Erdgas nach Deutschland transportieren will, hat allenfalls regionale Auswirkungen fürs Klima. Davon ging zumindest das Bergamt Stralsund aus, als es den Bau und den unbefristeten Betrieb der Pipeline Anfang 2018 mit einem Planfeststellungsbeschluss genehmigte.

Im Behördendeutsch heißt es darin: "Für die Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens auf das Klima ist vor allem das lokale Klein- oder Geländeklima relevant, da Auswirkungen auf das großräumige (Makroklima) oder Regionalklima (Mesoklima) durch das Vorhaben von vornherein ausgeschlossen werden können."

Doch jüngere Ergebnisse aus der Klimaforschung legen nahe, dass die Treibhausgasemissionen infolge der Gasförderung deutlich höher sind als bislang angenommen.

Jahrelang wurden lediglich Handmessungen an Ventilen von Erdgasrohrleitungen vorgenommen und die Ergebnisse auf die gesamte Infrastruktur hochgerechnet. Andere Austrittsstellen blieben unberücksichtigt. Neue Methoden wie zum Beispiel die Messung per Flugzeug im Luftraum über der Erdgas-Infrastruktur haben aber gezeigt, dass weitaus mehr Methan freigesetzt wird.

Demnach liegt die Leckagerate der Öl- und Gasindustrie in den USA bei 2,3 Prozent – 60 Prozent höher als von der Branche selbst angegeben. Methan ist ein sehr wirksames Treibhausgas und wirkt etwa 30-mal so stark wie Kohlendioxid.

Juristisches Gutachten

Dass das Bergamt Stralsund die Untersuchungen zu den betriebsbedingten Methanemissionen berücksichtigen muss, die erst nach der Genehmigung von Nord Stream 2 bekannt wurden, liegt für die Juristin Cornelia Ziehm auf der Hand. "Die möglichen Emissionen würden deshalb wahrscheinlich heute anders bewertet werden als noch im Genehmigungsverfahren", sagt Ziehm, die im Auftrag der TU Berlin ein Gutachten zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Pipeline-Genehmigung verfasst hat. Die Gaspipeline müsse mit Blick auf die neuere Forschung noch einmal geprüft werden.

Ein Entscheidungsvorbehalt, den die Stralsunder Behörde in der Genehmigung verankert hat, bietet aus Sicht der Juristin den notwendigen Hebel. Das Bergamt könnte demnach eine Neubewertung des Pipeline-Baus vornehmen und den Betreiber zu Untersuchungen über die betriebsbedingten Gesamt-Methanemissionen auffordern.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deshalb bei der Behörde beantragt, dass die Genehmigung für Nord Stream 2 überprüft wird. Das Amt müsse auch die neue Messmethode berücksichtigen.

"Die Pipeline steht für jährlich 100 Millionen Tonnen CO2", sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Weitere Emissionen in unbekannter Höhe aus Methan-Leckagen kämen hinzu. Die Leckagen müssten gemessen und geprüft werden, um die Klimawirkung und somit die Umweltverträglichkeit tatsächlich beurteilen zu können.

"Erdgas ist Teil des Problems"

Auch aus anderen Gründen ziehen Forscher die Notwendigkeit von weiteren Erdgas-Infrastrukturen in Zweifel. "Um die Klimaziele einzuhalten, muss Deutschland weniger Erdgas importieren", sagt der Ökonom Christian von Hirschhausen von der TU Berlin. Nicht erst zur Mitte des Jahrhunderts, sondern schon viel früher müsse Deutschland aus der Nutzung fossiler Gase aussteigen. Werde die Pipeline fertig gebaut, könnte das zu Lock-in-Effekten führen und die Abhängigkeit von Erdgas noch erhöhen.

Auch das Narrativ, Erdgas sei eine notwendige Brückentechnologie auf dem Weg zu den erneuerbaren Energien, sei absurd. "Erdgas ist Teil des Problems", sagte von Hirschhausen weiter. Die Technologien für das Zeitalter der Erneuerbaren seien die Erneuerbaren selbst, und diese seien auch bereits vorhanden.

Nord Stream 2 soll Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren. Eigentlich sollten die Lieferungen schon Ende vergangenen Jahres beginnen. Den USA ist die Pipeline aber ein Dorn im Auge, weil sie ihr eigenes, gefracktes Erdgas verflüssigt als sogenanntes LNG an Europa verkaufen möchten.

Die Trump-Regierung warnt vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas und hat Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die an der Ostsee-Pipeline mitbauen. Weil deswegen ein Spezialschiff abgezogen wurde, könnte die Fertigstellung noch bis Ende des Jahres dauern. 

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