An kaum jemand zahlen Bürgerinnen und Bürger so viel Geld wie an ihre Stadtwerke. Schließlich heizen in Deutschland rund 90 Prozent aller Menschen mithilfe der kommunalen Werke.
Zwischen 3.000 und rund 7.000 Euro pro Jahr gibt eine vierköpfige Familie durchschnittlich für Strom und Gas für ein warmes und helles Zuhause aus. Wer das auf die Lebenszeit grob hochrechnet, kommt schnell auf Beträge von weit über 100.000 Euro pro Haushalt.
Aber nutzen die kommunalen Versorger ihre Einnahmen auch dazu, die Kundschaft möglichst klimafreundlich zu versorgen und künftig vor allem erneuerbare – und damit günstige – Energien zu nutzen?
Nach einer bundesweiten Analyse der Investigativredaktion Correctiv und der Wirtschaftswoche bei den 14 größten Stadtwerken in Deutschland lautet das Fazit: Nein, das tun nur die wenigsten. Erdgas spielt für sie weiterhin die Hauptrolle.
Viele Werke schließen noch immer Neubauviertel an das Gasnetz an. Die meisten ihrer Kundinnen und Kunden sind weiter von dieser fossilen Energie abhängig – trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine und des Endes der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2.
Dabei wird das Heizen mit Erdgas zwangsläufig teurer: Ab 2027 greift der europäische Emissionshandel für Gebäude, der CO2-Preis und damit die Betriebskosten für Erdgasheizungen werden dann deutlich steigen.
Gasverbrauch stagniert seit zehn Jahren
In Bremen werden noch immer 63 Prozent aller Haushalte mit Erdgas versorgt. Der Versorger Mainova in Frankfurt am Main beliefert 1,1 Millionen Haushalte mit Gas und Öl. Die fossilen Energien machen hier rund 75 Prozent aus.
Auch in Düsseldorf und Dortmund verdienen die Stadtwerke noch immer an rund 75 Prozent Gaskunden – es seien aber zuletzt keine neuen Quartiere mehr angeschlossen worden, heißt es dort. In den meisten anderen abgefragten Städten – Hannover, München, Duisburg und Chemnitz – zahlt rund die Hälfte der Stadtwerke-Kundschaft für eine Gasheizung.
Offensichtlich haben viele Stadtwerke ihr Geschäftsmodell kaum verändert. Seit zehn Jahren ist der Gasverbrauch auch bundesweit etwa gleich hoch – nach Gas und Öl folgen erneuerbare Energien erst an dritter Stelle. Wie schon 2014. Mit Erdgas lässt sich mehr Geld verdienen als mit erneuerbaren Energien und – auch das zeigt die Recherche – viele Stadtwerke sind eng mit der Gasindustrie verwoben.
Einige Stadtwerke antworteten auf die Correctiv-Umfrage zunächst gar nicht, andere nur nach zähen Nachfragen. Diese Intransparenz ist die zweite Überraschung: Stadtwerke sind als Unternehmen mit kommunalen Anteilen dazu verpflichtet, Auskunft zu geben, transparent zu sein. Sie spielen die entscheidende Rolle dabei, unabhängig von klimaschädlichen Gasen und fragwürdigen Lieferländern zu werden.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der die Stadtwerke bundesweit vertritt, beharrt zwar darauf, dass sie rein rechtlich ans Gasnetz anschließen müssen, wenn es der Bauherr will. Aber zur Wahrheit gehört auch: Städte und Stadtwerke beraten die Bauherren über mögliche Energiequellen – und könnten ihre Kundinnen und Kunden sehr wohl vom Einbau klimafreundlicher Wärmepumpen überzeugen.
Erdgas ist noch immer die Cashcow
Selbst nach dem Aus für die Nord-Stream‑1-Pipeline und damit den Hauptlieferanten Russland setzten viele Stadtwerke weiterhin auf den Import von Erdgas.
In Chemnitz beispielsweise verlegte der Versorger Eins seit 2022 "moderne Erdgasleitungen", um die Gemeinde Börnichen anzuschließen. Auch die Stadtwerke München (SWM) haben noch in vier Netzabschnitten Gebäude angeschlossen. Duisburg gab auf Anfrage lediglich an, dass die Gasanschlüsse rückläufig seien.
Dass es auch anders geht, zeigt die Badenova in Freiburg: Dort werden nach eigenen Angaben keine neuen Erdgasanschlüsse mehr verlegt, und der neue Stadtteil Dietenbach mit 16.000 Einwohnern und Einwohnerinnen wird CO2-frei versorgt. Das gesamte Badenova-Versorgungsgebiet soll ab 2035 mit lokalen Energiequellen beheizt werden, die Hälfte durch Geothermie.
Annika Joeres
ist Journalistin und Buchautorin. Sie arbeitet für die Rechercheplattform Correctiv und berichtet für Die Zeit aus Frankreich, vor allem zu Europa, Energiepolitik und Klimawandel. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Sogar in Hannover, der früheren Hochburg von gasfreundlichen Politikern wie Gerhard Schröder (SPD), haben die örtlichen Stadtwerke, Enercity, seit 2016 keine neuen Häuser mehr mit Gasleitungen angeschlossen.
"Wir sind Überzeugungstäter der Energiewende, wir gehen volle Kraft voraus", sagte Enercity-Vorstandschefin Aurélie Alemany im Gespräch mit Correctiv und Wirtschaftswoche.
Beispielsweise werde deutlich mehr als eine Milliarde Euro in den Kohleausstieg und den Ausbau der grünen Fernwärme investiert. In diese könne beispielsweise die Energie von Großwärmepumpen oder Biomethan fließen.
Dort, wo Städte explizit für Wärmepumpen und Solaranlagen werben, entscheiden sich die Menschen zunehmend für diese ökologischen und langfristig günstigeren Systeme. Diese Überzeugungsarbeit sei mühsam, aber lohnend, berichten Energieberater.
Jens Watenphul etwa geht mit seiner Klimaagentur direkt in die Stadtteile und berät dort Menschen zu Solaranlagen, Hausdämmung und Wärmepumpen. Dadurch lässt sich der Anteil der erneuerbaren Energien innerhalb weniger Wochen von rund einem Prozent auf 14 Prozent steigern – entsprechend sinkt der Anteil fossiler Gase.
Ein Grund, warum die Stadtwerke bremsen: Sie machen den Großteil ihrer Gewinne mit Gas. Die klimafreundlichen Alternativen sind für Stadtwerke weniger lukrativ.
Eine Wärmepumpe nimmt einen Großteil ihrer Wärme aus der Umgebung auf, etwa dem Boden oder Grundwasser, je nach Modell sind es zwischen 50 und 70 Prozent. Kostenlose Energie, die die Stadtwerke nicht mehr verkaufen können.
Der VKU prophezeit schon jetzt, dass die öffentlichen Angebote schrumpfen müssen: Die Stadtwerke müssten für die Energiewende hohe Milliardenbeträge investieren – in die Stromnetze, um Wärmepumpen, Solar- und Windkraftanlagen in die Verteilnetze zu integrieren, in Speicher und in den Ausbau der Fernwärme.
Damit stünden den Kommunen weniger Erträge für "defizitäre Aufgaben" zur Verfügung. Gemeint sind klassischerweise Schwimmbäder, Jugendzentren oder Bibliotheken, aber auch der öffentliche Busverkehr.
Eine Langfassung dieses Beitrags auf dem Portal Correctiv beleuchtet auch, wie eng viele Stadtwerke mit der Gaslobby zusammenhängen und warum ein Stadtwerk sogar einen Golfclub finanziert.