Klimaneutral? Das war gestern. Inzwischen gibt es immer mehr "klimapositive" Produkte. Mit dem Slogan wirbt inzwischen beispielsweise eine regionale bayerische Biermarke genauso wie ein großer deutscher Babynahrungshersteller. Oder auch Ppura, ein italienischer Bio-Pasta- und Soßenproduzent mit Sitz in der Schweiz, dessen Produkte hierzulande auch bei Drogerieketten zu finden sind.
Jedes Gramm CO2 aufzuspüren, das in Produkten steckt, ist zunächst ein ziemliches Puzzlespiel. Ppura breitet seine CO2-Bilanz dabei recht vorbildlich auf der Website aus und antwortet auch auf Nachfragen.
Nach den Angaben stammt zum Beispiel der von Ppura benötigte Strom zu hundert Prozent aus eigenen Photovoltaikanlagen, ausgenommen die in Italien ansässige Pastaherstellung. Die Elektrizität für die Nudelproduktion stamme aber aus hundert Prozent Wasserkraft, geliefert von einem in Rom ansässigen Versorger, teilt Ppura mit.
Positiv rechnet sich der Bioproduzent auch den Bahntransport von Pasta und Soßen aus Italien in nördlicher Richtung an. Als wirklich klimafreundlich kann ein Bahntransport aber nur gelten, wenn die E-Loks mit Ökostrom angetrieben werden.
Beim Transit durch die Schweiz transportieren die Bundesbahnen die Ppura-Produkte schon mit hundert Prozent grünem Strom. Die Deutsche Bahn gibt an, 61 Prozent Ökostrom zu nutzen.
Vom italienischen Bahnunternehmen Trenitalia gebe es leider zum Grünstronanteil "keine belastbaren Daten", erklärt Ppura, man schätze aber den Ökostromanteil dort auf 60 bis 80 Prozent.
Umstrittene Aufforstungsprojekte
Der eigentliche CO2-Ausgleich geschieht bei Ppura, indem sich die Firma CO2-Einsparungen aus Waldprojekten und erneuerbarer Stromerzeugung anrechnet.
Von einem der Waldprojekte – es geht um Aufforstung in Uruguay – habe man sich kürzlich aber getrennt, erklärt Tina Ulmer von der Ppura-Unternehmenskommunikation. Das Projekt war unter anderem in einem ZDF-Beitrag in die Kritik geraten. "Wir waren dann auch nicht mehr von der Sinnhaftigkeit überzeugt", sagt Ulmer.
Die Unterstützung eines Waldschutzprojekts in Brasilien lässt sich Ppura dagegen weiter klimapositiv anrechnen. Zweck des Projekts sei es auch, illegale Abholzung zu vermeiden, den Wald also als CO2-Senke zu erhalten, erläutert Ulmer.
Zu dem brasilianischen Projekt gehöre auch ein strenger Überwachungs- und Durchsetzungsplan samt Monitoring. Vor diesem Hintergrund habe Ppura bisher keinen Grund gesehen, den Ausgleich der Emissionen infrage zu stellen, so die Sprecherin.
Weitere CO2-Gutschriften erzielt Ppura aus einem Laufwasserkraftwerk in Indonesien und einem Windkraftprojekt in Namibia. Ob das alles reicht, um tatsächlich klimapositiv zu werden, lässt sich am Ende nicht endgültig beurteilen.
Wichtiger als die Kompensation ist das Geschäftsmodell
Ein Grund dafür: Die Projekte selbst werden von Kompensations-Unternehmen betreut, die die jeweils angenommene CO2-Kompensation an mehrere Kunden weiterverkaufen. Wer dann wie viel von der Einsparung bekommt, wird in der Regel nicht transparent gemacht.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht die Kompensation durch den Kauf von Emissionsgutschriften aus Wiederaufforstungs- oder Waldschutzprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern generell kritisch. Die Klimawirkung sei zweifelhaft, weil die CO2-Emissionen für eine sehr viel längere Zeit in der Atmosphäre bleiben würden, als die Bindung von Kohlenstoff in Bäumen dies ausgleichen könne, betont die Umweltorganisation gegenüber Klimareporter°.
Für Ppura spricht, dass die auszugleichende CO2-Menge relativ gering ist. 2021 habe das Unternehmen nur rund 1.880 Tonnen CO2 verursacht, gibt Ulmer an.
Diese CO2-Menge ließe sich rein rechnerisch kompensieren, würde Ppura jedes Jahr drei Megawatt Photovoltaik neu installieren und betreiben.
Bei großen deutschen Einzelhandels-Discountern verursacht dagegen allein die verkaufte Milch jährlich mehrere zehntausend Tonnen CO2. Wer das durch Waldprojekte ausgleichen will, kommt an Schönrechnereien praktisch nicht vorbei.
Entscheidend, ob eine wirtschaftliche Aktivität als klimaschonend gelten kann, ist denn auch viel weniger die Güte der CO2-Kompensation, sondern die Frage, ob es eine glaubwürdige Strategie gibt, die Emissionen zu verringern. Es komme darauf an, zunächst die Wertschöpfung so weit wie möglich auf nachhaltig, regional und bio umzustellen und erst im letzten Schritt den Rest zu kompensieren, betont Tina Ulmer von Ppura ihrerseits. Das sei aber eindeutig der schwerere Weg.
Im Laden lassen sich Klimaversprechen kaum prüfen
Auch für die DUH steht das Vermeiden und Verringern von CO2-Emissionen in Produktion und Transport im Vordergrund. Dass immer mehr Produkte als "klimapositiv" beworben werden, zeigt für die Umweltschützer: Der Kundschaft ist es zunehmend wichtig, welche Auswirkungen ihr Konsum auf das Klima hat.
Beim täglichen Einkauf ist es allerdings – wie die diffizile CO2-Bilanz von Ppura zeigt – fast unmöglich zu überprüfen, ob ein Klimaversprechen glaubwürdig oder nur geschicktes Greenwashing ist. Die DUH weist darauf hin, dass es bisher auch keine staatliche Kontrolle gibt, ob die von den Unternehmen behaupteten CO2-Einsparungen tatsächlich stattfinden.
Am Ende können sich Klimabewusste hier nur an Kriterien halten, die ohnehin für Nachhaltigkeit sprechen: regionale Erzeugung, sparsamer Umgang mit Ressourcen, wenig Verarbeitung, viel Bio und ein fairer Umgang mit den Produzenten.
Den Begriff "klimapositiv" selbst hält die Umwelthilfe allerdings für "hochgradig irreführend". Er suggeriere, dass das Klima umso besser geschützt sei, je mehr von dem Produkt konsumiert werde. Das, so die DUH, sei eine ziemlich durchsichtige Strategie der Konsumförderung.