Minus 19,1 Milliarden Euro – das ist die Bilanz des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper für das vergangene Geschäftsjahr. Das teilte am Freitag die scheidende Finanzchefin Tiina Tuomela mit. Grund dafür sind die höheren Beschaffungskosten für Erdgas nach dem Ende der russischen Lieferungen.
Es hätte wohl noch teurer werden können. Zeitweise hatte der junge Staatskonzern mit rund 40 Milliarden Euro Verlust gerechnet. Nun ist es die Hälfte davon geworden, aber wenig ist auch das nicht.
Eine Reihe von unternehmerischen Fehlentscheidungen – ohne politischen Widerstand – war für die Abhängigkeit von Russland und schlussendlich für die wirtschaftliche Schieflage verantwortlich. Noch bis Mai 2022 bezog das Unternehmen 60 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.
Und die Geschäftsbeziehungen gingen weit über Importe hinaus: Uniper betreibt fünf Kraftwerke in Russland und hielt bis vor wenigen Jahren noch Anteile an einem sibirischen Gasfeld. Der Konzern war außerdem einer von fünf Finanziers der Gaspipeline Nord Stream 2.
Uniper-Sprecher Oliver Roeder erklärte gegenüber Klimareporter°, dass der Konzern die russischen Kraftwerke loswerden wolle. Allerdings fehle bisher noch die Zustimmung des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
"Too big to fail"
Als Deutschlands größter Gasimporteur und -händler ist Uniper die deutsche Definition von too big to fail. Die Düsseldorfer versorgen 500 Stadtwerke und 500 weitere Industriekunden. Seit Frühjahr 2022 verhandelte die Bundesregierung mit dem Konzern um Staatshilfen und Staatsbeteiligung.
Das Ende vom Lied: Die Rettung des Unternehmens kostete 34,5 Milliarden Euro Steuergeld und der Bund hält nun 99 Prozent der Geschäftsanteile.
Uniper geht davon aus, dass die finanzielle Unterstützung des Staates Ende 2024 nicht mehr nötig sein wird. Überhaupt klingen die Stimmen aus dem Unternehmen überraschend optimistisch.
Finanzchefin Tuomela findet, dass der Konzern insgesamt stark abgeschnitten hat. Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach resümierte: "Uniper ist im Kern ein starkes Unternehmen, das das schwierigste Jahr seiner Firmengeschichte erfolgreich überstanden hat".
Aber auch Maubach erklärte, dass sich der Konzern weiterentwickeln müsse. Das sei Aufgabe des neuen Vorstandes und Aufsichtsrates.
Doch was heißt das? Was ist die Zukunftsstrategie für Uniper und kann der Bund seinen Einfluss geltend machen, um endlich einen nachhaltigen Kurswechsel einzuläuten?
Russisches Gas war das Kerngeschäft
Um zu verstehen, wie wichtig und gleichzeitig schwierig ein radikaler Kurswechsel ist, lohnt sich ein kurzer Blick in die Firmengeschichte.
Uniper ging 2016 aus Eon hervor. Oder in anderen Worten: Eon hat bei sich mal ordentlich durchgefegt und alles "schmutzige" und möglicherweise imageschädigende – allen voran Erdgas, aber auch Kohle – unter dem Namen "Uniper" ausgelagert.
Kritiker:innen sprachen von einer "Resterampe".
Kurz darauf kam es zu einer schrittweisen Übernahme durch den finnischen Energiekonzern Fortum. Das Unternehmen besaß bis zur Verstaatlichung von Uniper 78 Prozent. Aber auch Fortum hat in keiner Form eine Abkehr vom fossilen Geschäftsverkehr eingeleitet.
Uniper gibt sich zwar gerne nachhaltig und stellt sein Engagement für Wasserstoff heraus. Die Realität ist aber: Erdgas ist Unipers absolutes Kerngeschäft – und bis zum Ukrainekrieg war es russisches Erdgas.
Zudem betreibt Uniper Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden und ist jetzt beteiligt am Bau und Betrieb von LNG-Terminals.
Wenig überraschend ist Uniper ein wichtiger Akteur der Gaslobby. 2021 gab der Konzern gemäß Lobbyregister 2,8 Millionen Euro für Lobbyismus aus. Damit liegt Uniper laut der Transparenzinitiative Lobbycontrol auf Platz zehn der Unternehmen mit den größten Lobbyausgaben in Deutschland.
Dabei lobbyiert das Unternehmen für die Zukunft fossiler Energieträger. So setzt es sich etwa für Wasserstoff auf Erdgasbasis ein. Um die eigenen Geschäftsinteressen durchzusetzen, kann Uniper, wie Lobbycontrol in einer Analyse darlegt, auf gute Verbindungen in die Politik zurückgreifen.
Wird Uniper zum Glaubwürdigkeitsproblem für die Regierung?
All das schmückt die Bundesregierung nicht unbedingt. Sie wird sich wohl in Zukunft öfter die Frage gefallen lassen müssen, warum sie die fossilen Kraftwerke des Staatskonzerns nicht abschaltet. So ganz passen sie schließlich nicht zu ihren klimapolitischen Ambitionen.
Eine neue Strategie für Uniper existiert bisher allerdings noch nicht. "Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung werden zwar Kernelemente einer neuen Strategie sein, aber wie genau bleibt abzuwarten", sagt Sprecher Roeder.
Auch das Bundesfinanzministerium äußerte sich bisher nicht zur Zukunft von Uniper. Eine Anfrage von Klimareporter° ließ das Ministerium bis Samstagnachmittag unbeantwortet.
Einige Geschäftsteile muss Uniper in den nächsten Monaten abstoßen. Das ist eine Auflage der Europäischen Kommission, um den Wettbewerbsvorteil auszugleichen, den Uniper durch die Staatshilfen hat.
Dazu gehört unter anderem das umstrittene Kraftwerk Datteln 4. Das Steinkohlekraftwerk im Ruhrgebiet ist 2020 ans Netz gegangen. Von der Planung über die politische und juristische Durchsetzung bis zur Inbetriebnahme wurde Datteln 4 von heftigen Protesten begleitet.
Sich wenigstens damit nicht weiter herumärgern zu müssen, wird das Finanzministerium freuen. Die große Frage aber bleibt: Lässt sich Uniper transformieren oder wird der Konzern zum Glaubwürdigkeitsproblem für die Regierung?