Riesiger Kupfertagebau mit mehr als einem Dutzend Etagen, die stufenförmig in die Tiefe gehen.
Kupfertagebau: Das Weltwirtschaftssystem scheint immer weniger zu funktionieren. (Foto: Neta 623/​Pixabay)

Auf manchen Grafiken von Rohstoffpreisen lässt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine deutlich erkennen. Der Preis für Weizen lag zum Beispiel zeitweise 46 Prozent über dem Preis am 23. Februar, dem Tag vor der Invasion.

Mittlerweile ist Weizen aber sogar etwas billiger als vor dem Krieg. Das ist nicht zuletzt dem Abkommen zwischen der Türkei, Russland und der Ukraine zu verdanken, das den Export von ukrainischen Agrargütern über das Schwarze Meer ermöglicht.

Etwas weniger ausgeprägt sieht man die gleiche Entwicklung beim Preis für Öl. Er stieg in den ersten Tagen des Konflikts um ein Drittel und liegt jetzt wieder auf dem Vorkriegsniveau. Der Grund ist hier aber ein anderer: Viele Anleger befürchten eine Rezession und damit eine geringere Ölnachfrage. 

Das zeigt auch der Kupferpreis, der als Frühindikator für die Konjunktur gilt und wegen seines Prognosetalents "Dr. Copper" genannt wird. Kupfer hat seit Anfang Juni an den Börsen die Hälfte an Wert verloren.

Auf wirtschaftliche Schwierigkeiten in China deutet derweil der Preis für Eisenerz hin. Wegen des Kollapses vieler Immobilienentwickler wie Evergrande geht dort die Nachfrage nach Baustahl zurück. Das hat dem spektakulären Anstieg des Preises für Eisenerz ein Ende gesetzt.

Dieser war ab dem Beginn der Coronapandemie nach oben geschnellt, wohl nicht zuletzt in der Hoffnung auf einen Bauboom in China wegen der dortigen Stimulusmaßnahmen. Zwischen Anfang 2020 und Mitte 2021 hatte sich der Preis für Eisenerz mehr als verdoppelt. Doch mittlerweile ist er wieder genau dort, wo er Anfang 2020 lag.

Kohle- und Erdgaspreis historisch hoch

An den Rohstoffmärkten ist aber trotz der genannten Beispiele noch lange nicht Normalität eingekehrt. Die Preise für Kohle und Erdgas liegen beide auf historischen Höchstwerten.

Der Preisanstieg begann Mitte 2021 und hat sich dann mit Beginn des Kriegs in der Ukraine noch deutlich beschleunigt. Heute ist Kohle viermal so teuer und Gas knapp sechsmal so teuer wie vor einem Jahr. Da Russland seine Gasexporte Richtung EU stark eingeschränkt hat, kaufen EU-Länder nun jede Ladung Flüssigerdgas (LNG), derer sie habhaft werden können.

Das Gleiche gilt für Kohle. Vor gut einer Woche ist das EU-Importembargo für Kohle aus Russland in Kraft getreten und die EU-Länder versuchen nun ihren Bedarf mit Lieferungen aus Südafrika, Kolumbien und Indonesien zu decken.

Das ist ein Problem für die Länder, die zuvor Kohle aus diesen Ländern oder LNG aus Australien und Katar gekauft haben. So ist Pakistan im Juli zum vierten Mal daran gescheitert, LNG zu kaufen. Das Land hat kein einziges Angebot bekommen. Die Folge sind Stromausfälle, und das in einer Hitzewelle.

Für viele andere Länder ist es die Kombination aus der wirtschaftlichen Schwächung infolge der Coronapandemie und den Energie- und Nahrungsmittelpreisen. Die Preise für Lebensmittel sind zuletzt gesunken, liegen aber immer noch deutlich über den Preisen von 1974, der Zeit der Ölkrise, wie der Index der UN-Ernährungsorganisation FAO zeigt.

Das ist teuer: Auf dem aktuellen Preisniveau müssen die 20 größten Importländer von Lebensmitteln knapp 70 Milliarden Dollar bezahlen wie vor zwei Jahren, wie Daten des US-Marktforschungsinstituts Gro Intelligence zeigen.

Kein Ende der Lebensmittelkrise in Sicht

Dass die Lebensmittelpreise demnächst deutlich sinken werden, ist nicht zu erwarten. Zum einen werden die Ernten immer stärker durch Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen dezimiert, die mit der eskalierenden Klimakrise weiter zunehmen werden.

Zum anderen sind Düngemittel derzeit sehr teuer. Gerade für die Herstellung von Stickstoffdünger wird viel Erdgas benötigt, sodass dessen Preis derzeit dem Gaspreis folgt. Zurzeit ist die als Kunstdünger verwendete Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung doppelt so teuer wie vor einem Jahr und fast fünfmal so teuer wie vor zwei Jahren.

Der Weltverband der Düngemittelindustrie IFA schätzt daher, dass der Einsatz von synthetischem Dünger in diesem Jahr um sieben Prozent zurückgeht. IFA-Chefin Alzbeta Klein warnt vor den Folgen: "Der geringere Düngerverbrauch in diesem Jahr erhöht das Risiko deutlich geringerer Ernteerträge bei der nächsten Ernte, was eine geringere Nahrungsmittelproduktion und letztlich mehr Menschen bedeutet, die von Hunger bedroht sind."

Wie sich die Preise in den nächsten Monaten entwickeln, ist kaum abzuschätzen. Aus Sicht von Jeffrey Currie von der US-Investmentbank Goldman Sachs ist das aktuelle Verhalten der Märkte paradox: "Heute scheinen die Rohstoffmärkte irrationale Erwartungen zu hegen, da Preise und Lagerbestände gleichzeitig fallen, die Nachfrage die Erwartungen übertrifft und das Angebot enttäuscht."

Sicher ist da nur eins: Die Rohstoffpreise sind noch immer auf der Achterbahn.

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