Open-Air-Festival in Wacken bei Itzehoe im August 2018, nächtlicher Auftritt der finnischen Metal-Band Nightwish..
Musikfestivals und andere Großveranstaltungen verbrauchen jede Menge Energie und andere Ressourcen. (Foto: Andreas Lawen/​Wikimedia Commons)

Coldplay, Massive Attack und Billie Eilish, die Ärzte, die Toten Hosen und Deichkind. Was vereint sie alle? Sie machen Musik für mehr oder minder junge Leute, und es handelt sich um Top-Acts, zu denen Zehntausende in die Konzerte strömen.

Aber nicht nur das. Sie sind auch aktiv für mehr Klima- und Umweltschutz. Die britische Band Coldplay, Vorreiterin der Bewegung, kündigte 2019 an, erst wieder Konzerte zu spielen, "wenn das so nachhaltig wie derzeit möglich geht".

Inzwischen tourt Coldplay wieder. Im vergangenen Sommer war die Band im Berliner Olympiastadion und im Waldstadion in Frankfurt am Main, mit Biokerosin für den Crew-Jet, Ökostrom beim Konzert und einer kinetischen Tanzfläche, auf der das Publikum selbst Elektrizität erzeugt. Und für jedes verkaufte Ticket, so wurde versprochen, lasse man einen Baum pflanzen.

Auch US-Jungstar Billie Eilish und ihr Team bemühen sich darum, die Tourneen so "grün" wie möglich zu gestalten. Und "Ärzte" und "Hosen" machten ihre Gigs auf dem Tempelhofer Feld in Berlin im vorigen Jahr sogar zum Öko-Event mit Cradle-to-Cradle-Nachhaltigkeitslabel.

Viele Bands und Künstler:innen weltweit haben sich dem Bündnis "Music Declares Emergency" angeschlossen, das die Musikindustrie emissionsfrei machen will und fordert, Klimaziele früher zu erreichen. Es hat auch einen deutschen Ableger.

Zudem gibt es hierzulande eine "Green Music Initiative", gegründet von dem Ex-Musikmanager Jacob Bilabel, die sich als Plattform zur Förderung einer klimaverträglichen Musik- und Entertainmentbranche versteht.

Coldplay handelte sich mit der Aktion nicht nur Zustimmung, sondern auch Ärger ein. Es gab Kritik an der Zusammenarbeit mit dem finnischen Agrosprit-Hersteller Neste wegen möglicher Nutzung von Palmöl für das "Öko"-Kerosin, ebenso aufgrund der Kooperation mit dem Autokonzern BMW, der wiederaufladbare Batterien für Elektrofahrzeuge zur Verfügung stellte.

Trotzdem wurde auch weniger klimabewussten Fans klar, dass Veranstaltungen normalerweise alles andere als umweltfreundlich sind – wobei Konzerte oder Festivals mit mehreren zehntausend Fans natürlich einen besonders großen CO2-Fußabdruck haben.

Sechstgrößter Wirtschaftszweig

Die Bedeutung der Branche für den Klimaschutz darf nicht unterschätzt werden. Der Musik- und Veranstaltungssektor war hierzulande zumindest bis Corona der sechstgrößte Wirtschaftszweig. Neben Konzerten der U- und E-Musik gibt es eine Vielzahl von weiteren Events, darunter Messen, Kongresse, Sporttreffen.

Laut dem einschlägigen "Meeting- & Eventbarometer" fanden 2019 in Deutschland rund 2,9 Millionen Veranstaltungen in etwa 7.600 Locations statt, zu denen insgesamt 423 Millionen Menschen kamen. Und es darf erwartet werden, dass diese Vor-Corona-Zahlen in absehbarer Zeit wieder erreicht werden.

Umso mehr ist es ein Signal, dass die Veranstaltungsbranche die Herausforderung offenbar erkannt hat. Der europäische Dachverband der Veranstaltungszentren EVVC hat das Ziel ausgegeben, "Klimaneutralität" in den bei ihm organisierten Locations bis 2040 zu erreichen.

Umgesetzt werden soll das laut einem Elf-Punkte-Papier unter anderem durch folgende Maßnahmen: gute Gebäudedämmung möglichst bis zum Passivhaus-Standard, Heizen mit Ökoenergie und energiesparende Veranstaltungstechnik, 100 Prozent Ökostrom bis 2030, Nachhaltigkeit als Kriterium in Ausschreibungen, weniger Abwasser und Abfall, Catering unter Berücksichtigung von Klima- und Ressourcenschutz sowie umweltfreundliche Anreise der Besucher:innen.

Allein die multifunktionalen Veranstaltungshallen sind laut EVVC hierzulande pro Jahr für etwa 300.000 Tonnen CO2 verantwortlich. Der Verband, in dem rund 650 Veranstaltungsorte von der Messe Berlin über das Stadion in Frankfurt am Main bis zur Wiener Stadthalle Mitglied sind, betont allerdings die Finanzfrage.

Aus den normalen Einnahmen seien die Maßnahmen nicht zu stemmen. So bedürfe es wegen der nötigen "erheblichen Investition in die energetische Sanierung der Häuser" Unterstützung nicht nur der kommunalen Träger, sondern auch von Bund und Ländern.

"Blauer Engel" für Veranstaltungen geplant

Den Öko-Anspruch will man dann aber auch mit dem bekannten Ökosiegel "Blauer Engel" sichtbar machen, das für besonders nachhaltige Events und Veranstaltungszentren gelten soll. Wie genau die Kriterien dafür aussehen sollen, darüber führt der EVVC Gespräche mit dem Umweltbundesamt (UBA), das das Umweltzeichen vergibt.

Ein Treffen mit dem UBA gab es dazu in dieser Woche auf der "Sustainable Events Conference", dem größten Nachhaltigkeitskongress der Veranstaltungsbranche in Osnabrück. Dort, am Sitz der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), wurde klar, dass die Branche nach der Coronakrise in der Tat einen grünen Neustart plant. 

Grüne Veranstaltungen 

Der Nachhaltigkeitskongress der Veranstaltungsbranche, die "Sustainable Events Conference", hat in dieser Woche in Osnabrück stattgefunden, unter anderem in den Gebäuden der dort ansässigen Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die DBU-Tochtergesellschaft "Zentrum für Umweltkommunikation" (ZUK) versteht sich bundesweit als Vorreiterin für Nachhaltigkeit in der Branche.

 

Die Stiftung verlangt bei allen von ihr durchgeführten oder geförderten Veranstaltungen – wie dem Festakt zum jährlich verliehenen Deutschen Umweltpreis oder der Digitalmesse "Re:publica" – das Einhalten von Ökostandards: Energieeffizienz, Nutzung regenerativer Energie, Mehrweg sowie regionale, saisonale oder Bio-Produkte beim Catering. Für die Gestaltung der Bühne beim Umweltpreis werden jedes Jahr aufs Neue dieselben Teppichstücke verlegt.

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde sagte dazu gegenüber Klimareporter°: "Die Veranstaltungsbranche muss viel stärker als bisher in den Blick genommen werden, wenn wir auf Bundes- und EU-Ebene die Klimaziele erreichen wollen."

Mit energetischen Maßnahmen könnten die Emissionen der Veranstaltungshäuser fast um die Hälfte reduziert werden. Hier gebe es aber einen Sanierungsstau, der überwunden werden müsse. "Wie das gehen kann, zeigen erfolgreiche Sanierungen der Osnabrück-Halle hier in Osnabrück ebenso wie der Messe Frankfurt", sagte Bonde.

Der DBU-Chef nannte weitere Stellschrauben für mehr Klima- und Umweltschutz in dem Bereich: "Es geht vom klimaschonenden Anreisen der Teilnehmenden über energiesparende Livestreams und zu papierlosen Kongressen bis zum Catering mit regionalen und saisonalen Produkten."

Manches ist dabei für viele noch gewöhnungsbedürftig. Beim Ärzte-Open-Air-Konzert in Berlin letztes Jahr zum Beispiel waren die Schlangen vor dem Thüringer-Bratwurst-Stand deutlich länger als die vor dem mit dem veganen Lachswrap. Aber das kann ja noch werden.

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