Der Klimawandel ist in Spielfilmen nur selten Thema, obwohl Filme wie kaum ein anderes Medium Menschen erreichen können. (Foto: NTN VNC/​Pixabay)

Klimareporter°: Pheline Roggan, Sie haben sich auf der Berlinale für umwelt- und klimabewusste Filmproduktionen eingesetzt, mit einem Stand und mit Aktionen. Wie war die Resonanz?

Pheline Roggan: Die Resonanz war sehr gut und wir konnten einige neue Unterstützer:innen gewinnen. Generell kann man sagen, dass es in der Filmbranche ähnlich aussieht wie gesamtgesellschaftlich. Ein kleiner Teil ist sehr aktiv und sucht Mitstreiter:innen.

Dann gibt es eine große Masse an Menschen, die ein Bewusstsein für den Klimawandel haben und auch gerne was tun möchten, aber nicht wissen, wo sie ansetzen können. Gerade die freuen sich über unsere Initiative.

Natürlich gibt es auch Menschen, die das alles für nicht so wichtig halten. Aber der Gegenwind, den wir, also die Initiative Changemakers.film, noch vor drei Jahren bekommen haben, ist beinahe komplett verebbt.

Was hindert die Leute daran, sich zu engagieren?

Viele haben Angst, dass sie angegriffen werden, wenn sie sich positionieren. Vor allem haben viele Menschen das Gefühl, man müsse schon alles perfekt machen, bevor man sich engagieren darf. Das ist natürlich Quatsch.

Ist das besonders in der Filmbranche ein Problem? Die Angst davor, öffentlich diskreditiert zu werden?

Mit dem Finger auf andere zu zeigen, die noch nicht perfekt sind, ist ein grundsätzliches Problem. Es geht doch eigentlich um strukturelle Veränderungen. Wir sollten uns nicht damit aufhalten, uns gegenseitig zu kritisieren, sondern endlich die wahren Schuldigen der Klimakrise, die fossilen Konzerne, zur Verantwortung ziehen.

Wir können uns so viele Bambuszahnbürsten kaufen, wie wir wollen, während RWE Lützerath weiter abbaggert.

Bei der Klimakrise denkt man oft an Kohle und Schwerindustrie. Wo sind denn die Stellschrauben bei der Filmproduktion? Wie sieht eine nachhaltige Produktion aus?

Das Emissionspotenzial unterscheidet sich von Produktion zu Produktion. Bei einem kleinen Dokumentarfilm sind andere Aspekte zu beachten als bei einem Hochglanz-Kinofilm.

Aber generell gibt es ein riesiges Potenzial, um CO2 einzusparen. Das reicht von der Umstellung auf Ökostrom über Transport mit Elektrofahrzeugen bis zu nachhaltigem Bühnenbild und Catering.

Alte Arbeitsweisen und -abläufe müssen auch hier kritisch hinterfragt werden.

Die Schaupielerin Pheline Roggan sitzt vor einer weißen Wand.
Foto: Yvonne Schmedemann

Pheline Roggan

ist Schauspielerin. Nach kleineren Auftritten wurde sie durch ihre Rolle als Nadine in Fatih Akins Film "Soul Kitchen" einem breiteren Publikum bekannt. Sie engagiert sich seit einigen Jahren in der Klimabewegung.

Vor etwas mehr als einer Woche wurden ökologische Standards für eine nachhaltige Filmproduktion festgelegt. Sie haben die Standards mitverhandelt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Soweit ich weiß, sind es die weltweit ersten verpflichtenden staatlichen Richtlinien, die an Fördergelder geknüpft sind. Das ist ein wahnsinnig wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber natürlich gibt es auch hier noch Luft nach oben. Deshalb müssen die Standards jedes Jahr nachjustiert werden.

In Ihrer Selbstverpflichtung gehen Sie an vielen Stellen noch weiter als die ökologischen Standards und konnten trotzdem schon viele hundert Unterschriften aus der Filmbranche sammeln. Bei welcher Unterschrift haben Sie sich besonders gefreut oder welche hat Sie überrascht?

Veronika Ferres hat die Selbstverpflichtung sofort unterschrieben. Das hat uns total überrascht, aber natürlich auch gefreut. Es ist wichtig, dass sich Leute außerhalb der grünen Bubble positionieren.

Sonst freuen wir uns besonders über Unterschriften aus der Regiefraktion. Da gab es bisher nur vereinzelt welche.

Wieso ist die Regie da so schüchtern?

Vermutlich weil Geld und Drehzeit sowieso immer knapp sind und viele Regisseur:innen Angst haben, dass es durch so eine Selbstverpflichtung noch enger wird. Was nicht unbedingt stimmt. Wenn man es von Anfang an konsequent mitdenkt, kann man mit einer nachhaltigen Produktion sogar Energie und Geld sparen.

Die Regie nimmt eine zentrale Rolle bei einer Produktion ein. Sie kann die ökologischen Standards positiv besetzen – oder als eine Bürde verstehen. Das färbt auf das gesamte Team ab.

Ihre Initiative findet immer mehr Anhänger:innen. Was sind die nächsten Ziele?

Wir wollen die Filmhochschulen überzeugen, grünes Drehen verpflichtend auf den Lehrplan zu setzen. Dort kommt der Nachhaltigkeitsgedanke leider ganz häufig noch zu kurz. Es gibt bei einem Studium zur Regie oder Produktion bis jetzt keine Pflichtseminare dazu. Wenn das aber die Zukunft des Filmemachens ist und durch die ökologischen Standards gesetzt ist, sollten wir auch den Nachwuchs dementsprechend ausbilden.

Ein Punkt in der Selbstverpflichtung ist "Storytelling", da wird auf die Vorbildfunktion von Filmen verwiesen. Wie machen Sie das persönlich? Achten Sie bei Anfragen darauf, ob die Geschichte nachhaltig gedacht ist?

Es gibt nur sehr wenige Schauspieler:innen, die sich frei aussuchen können, wo sie mitspielen und wo nicht. Nur in nachhaltigen Produktionen mitzuspielen, kann sich niemand leisten.

Es geht mir darum, ins Gespräch zu kommen und im Prozess Sachen zu verändern. Das gilt auch für Storytelling. Vieles wird erst am Set entschieden.

Neulich habe ich zum Beispiel eine Yoga-Mutter gespielt. Die sollte dann mit einem riesigen, neuen Auto einkaufen fahren. Das hat überhaupt nicht gepasst. Warum hat sie kein Fahrrad?

Über solche Punkte kann man dann mit der Regie ins Gespräch kommen und sie möglicherweise verändern.

Die vier Initiator:innen von Changemakers Punkt Film stehen nebeneinander an eine Wand gelehnt.
Moritz Vierboom, Laura Fischer, Pheline Roggan und Silke Bacher (v.l.n.r.) gründeten 2020 die Initiative Changemakers.film. Ihre Selbstverpflichtung für nachhaltigen Drehen haben bereits hunderte Kolleg:innen unterschrieben. (Foto: Philip Leutert)

Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimawandel spielen bisher in sehr wenigen Drehbüchern eine wirkliche Rolle, oder?

Das stimmt. Dazu gibt es auch eine Studie aus USA. Dort wurden über 37.000 Drehbücher aus den Jahren 2016 bis 2020 untersucht. In weniger als drei Prozent von ihnen kamen Klimaschlagwörter vor und in gerade mal 0,6 Prozent das Wort "Klimawandel".

Gleichzeitig gibt es aber ein großes Bedürfnis von Menschen, ihre Sorgen und Gedanken bezüglich des Klimawandels auch fiktional gespiegelt zu bekommen.

Die Filmbranche hat so eine große Strahlkraft und Möglichkeiten, die Menschen zu berühren. Was uns allen fehlt, sind Utopien. Es ist wichtig sich zu überlegen, in welcher Welt wir leben wollen, und diese auch zu erzählen.

Gibt es Filme, die das geschafft haben? Oder Filme, die Sie motiviert haben?

Leider gibt es da noch wahnsinnig wenige. Ich habe vor Kurzem "Tenet" von Christopher Nolan gesehen. Der Film ist eine riesige Metapher. Die Zukunft kommt zurück und bekämpft die Gegenwart. Nur in einem einzigen Satz wird gesagt, warum: "Die Flüsse vertrocknen, die Meere steigen über die Ufer …" und so weiter.

Es ist also möglich, einen unheimlich beeindruckenden und erfolgreichen Film zu drehen und trotzdem damit ein relevantes Thema aufzugreifen – ohne Moralkeule.

Aber eine Utopie ist auch das nicht.

Stimmt. Die Utopie habe ich noch nicht gefunden (lacht). Da müssen wir ran. Unbedingt.

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