Eine Luftwärmepumpe steht vor einem modernen Einfamilienhaus in einem Schottergärtchen.
Eine Wärmepumpe spart Heizkosten im Betrieb, die Anschaffung ist aber eher etwas für Wohlhabende. (Bild: Jerome Romme/​Shutterstock)

Seit mit dem Ukraine-Krieg das russische Erdgas nach und nach wegfiel, erlebten viele Menschen in Deutschland eine Explosion der Energiepreise – mit der zugleich gefühlten Ungerechtigkeit, sozial schwächere Haushalte würden besonders stark unter den Kosten leiden. Und daran hätten auch die Preisbremsen bei Strom und Gas wenig geändert.

Wie real die gefühlte Mehrbelastung gerade für ärmere Haushalte ist, bestätigt eine am Montag veröffentlichte Umfrage des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen. Das Beratungsgremium der Bundesregierung hatte zusammen mit dem Umfrageinstitut Forsa genaue Daten von mehr als 4.400 Haushalten erhoben.

Danach haben die Haushalte seit März 2022 im Schnitt monatlich 52 Euro mehr für Strom und Heizung zu zahlen – eine Steigerung um ein Drittel. Für Haushalte mit mittleren Einkommen liegt die Mehrbelastung bei 57 bis 60 Euro monatlich, für wohlhabende Haushalte um die 50 Euro.

Ähnlich hoch fiel mit 45 Euro über die Zeit der Aufschlag für die einkommensschwächsten Haushalte aus. Gerade bei diesen habe die Belastung durch Energiekosten "besonders stark" zugenommen, stellt Sachverständigenrats-Mitglied Veronika Grimm am Montag fest.

40 Prozent der Haushalte sind finanziell überlastet

Mussten im März 2022 ärmere Haushalte zwölf Prozent ihres Einkommens für Strom und Heizung ausgeben, so belief sich dieser Anteil im Juni 2023 auf 16 Prozent. Für mittlere Einkommen erhöhte sich der Anteil von acht auf elf Prozent. Für wohlhabende Haushalte stieg die Belastung dagegen im Schnitt nur von vier auf fünf Prozent ihres Einkommens.

Haushalte mit einem Nettoeinkommen bis etwa 1.330 Euro gelten dabei in der Untersuchung als am einkommensschwächsten, mittlere Einkommen reichen von rund 1.800 bis 2.200 Euro. Wohlhabend sind Haushalte jenseits von 2.860 Euro Nettoeinkommen. Bei diesen Angaben sind zum Beispiel die Zahl und das Alter der Kinder in den Haushalten entsprechend berücksichtigt.

Beträgt der Anteil der Energiekosten mehr als zehn Prozent des Nettoeinkommens, sind die Haushalte nach Ansicht des Verbraucherrats finanziell überlastet. Im März 2022 traf dies laut Umfrage auf rund ein Viertel aller Haushalte zu, im Juni 2023 waren es schon mehr als 40 Prozent, darunter neun von zehn der einkommensschwächsten Haushalte.

"Die Energiearmut hat substanziell zugenommen", betont Veronika Grimm angesichts der Ergebnisse. Für sie besteht politischer Handlungsbedarf. "Kurz- und mittelfristig sollte das Ausmaß der Energiearmut in Deutschland nochmal eingehender untersucht werden", meint die Volkswirtschaftlerin.

Ärmere haben höheren Energiebedarf pro Quadratmeter

Ursachen für die gravierenden Unterschiede liegen dabei nicht nur in der Einkommenshöhe. Ärmere Haushalte wohnten auch öfter zur Miete und in schlechter isolierten Wohnungen, erläutert Grimm weiter. Auch heizten sie häufiger mit Öl und Gas, die sich in der Energiekrise besonders stark verteuerten.

Der Anteil von Öl und Gas bei ärmeren Haushalten beträgt nach den Angaben etwa 84 Prozent, bei den Wohlhabenden lediglich 76 Prozent. Letztere heizen auch überdurchschnittlich viel mit Wärmepumpen oder Biomasse, also Technologien, die mit niedrigeren Heizkosten verbunden sind, wie der Sachverständigenrat betont.

Konsequenz all dessen ist der Studie zufolge, dass der Energiebedarf des Hauses pro Quadratmeter umso höher ausfällt, je niedriger das Haushaltseinkommen ist.

Auch Möglichkeiten zum Energiesparen hängen laut den Ergebnissen stark vom Einkommen ab. Haushalte im unteren Einkommensbereich hätten sich zwar sehr große Mühe gegeben, Energie zu sparen. Dennoch sei im oberen Einkommensbereich das realisierte Einsparpotenzial höher, erklärt Grimm.

Diese Haushalte hätten einfach mehr finanzielle Möglichkeiten, die Wohnungen besser zu isolieren, eine neue Heizung zu installieren oder einfach auch Räume ungeheizt zu lassen.

Verlängerung der Preisbremsen noch offen

Die Umfrageergebnisse zeigen aber auch, dass die Preisbremsen bei Strom und Gas durchaus ihre Wirkung taten. "Der Höhepunkt der Kostensteigerung scheint für die meisten Haushalte überschritten zu sein", erläutert Veronika Grimm. Dennoch bewegten sich die Energiekosten weiter auf höherem Niveau als vor der Krise.

Das wird laut dem Sachverständigenrat mittelfristig auch so bleiben. Das Gremium spricht sich deshalb für eine Verlängerung der Preisbremsen für Gas und Strom bis Ende April 2024 aus – auch wenn die Bremsen die Kostensteigerung nicht komplett abfangen, sondern nur auf ein möglichst erträgliches Maß deckeln könnten, so Grimm.

Der Rat plädiert auch dafür, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung von Kraft- und Brennstoffen in Form des Klimageldes an die Bevölkerung zurückzugeben. Davon könnten Haushalte im niedrigen Einkommensbereich unterm Strich profitieren.

 

Ob die Preisbremsen bis April nächsten Jahren verlängert werden – dazu kann das Bundesumweltministerium anlässlich der Präsentation der Kostenstudie nichts weiter sagen. Man hoffe, dass die EU-Kommission die Verlängerung zeitnah genehmigt, sagt die auch für Verbraucherschutz zuständige Staatssekretärin Christiane Rohleder am Montag.

Ihr Ministerium setze sich ebenfalls dafür ein, dass Haushalten auch im kommenden Winter Strom und Gas nicht abgestellt werden, so Rohleder. Hier wolle man zudem eine generelle Entfristung erreichen, so die Staatssekretärin. Diese Schutzregeln sollten dauerhaft gelten.

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