Heizung
Heizkosten machen in vielen Haushalten 70 Prozent der Energiekosten aus. (Foto: Gelly/​Pixabay)

Bei Gasknappheit und explodierenden Energiepreisen, wie wir sie derzeit erleben, müsste Energiesparen eigentlich das Gebot der Stunde sein. Wenn weniger verbraucht wird, sinkt die Nachfrage, das würde den Preisschock abmildern und zusätzlich auch noch Treibhausgase sparen.

Doch bislang tut sich Deutschland damit schwer. Energiesparen ist seit 50 Jahren, seit der Ölkrise, nicht mehr populär. Obwohl alle Nachhaltigkeit gut finden, stecken wir fest in einem alten Denken, in dem Sparen stets nach Verzicht und Arme-Leute-Leben klingt. Effizienz ist okay, Sparen nicht.

Zwar senken die Bürger:innen angesichts extrem hoher Preise schon ihren Verbrauch. Kommunen wollen ihre Gebäude und Schwimmbäder weniger heizen.

Die Bundesregierung setzt dagegen ganz auf die Angebotsseite. Für das russische Gas soll Ersatz her. Aus Norwegen und Katar, mit schwimmenden LNG-Terminals und auch mit reaktivierten Kohlekraftwerken. Fürs Energiesparen gibt es nur Tipps und Förderangebote, was noch nie viel gebracht hat.

So ernst, wie die Lage ist, wäre mehr nötig. So etwas wie eine gemeinsame Anstrengung, bei der alle mitmachen. Wie das aussehen könnte, hat das Umweltbundesamt skizziert. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ließe sich der Verbrauch von Gas und Öl "schnellstmöglich" reduzieren. Man bräuchte dafür nicht einmal Fachkräfte oder Baustoffe, die derzeit ja ebenfalls knapp sind.

Zunächst beim Heizen: In allen öffentlichen Gebäuden wird die Raumtemperatur um zwei Grad gesenkt. Für alle Verbraucher:innen gibt es verständliche Heizinformationen, etwa zum Lüften und zum sparsamen Umgang mit Warmwasser.

Die Bundesregierung startet eine aktivierende, aufsuchende Kommunikationsoffensive. Alle Haushalte werden persönlich vom Kanzler oder seinen Minister:innen angeschrieben. Es gibt einfache Online-Tools und Video-Tutorials. Auf dem Sendeplatz von "Wirtschaft vor acht" läuft "Energiesparen vor acht".

Und beim Verkehr: Ein Tempolimit wird eingeführt. Das spart immerhin zwei Milliarden Liter fossile Kraftstoffe (3,8 Prozent des Gesamtverbrauchs) und rund fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Jeder zweite Sonntag wird autofrei (drei Prozent).

Wo immer möglich, wird Homeoffice Standard (bis zu 2,3 Prozent). Im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr wird das Angebot verbessert und ein günstiges Deutschlandticket eingeführt.

"Selbsthilfe" wird teuer

Umsetzen könnte man das sofort. Der nächste Winter und die nächste Energierechnung wären dann weniger bedrohlich. Und für das Klima wäre es auch gut.

Und es gibt noch ein Argument: Setzt die Politik keinen klaren Rahmen, sondern überlässt alles der Eigenverantwortung des Einzelnen, kann es schnell zu dem kommen, was das Umweltbundesamt "Scheinlösungen" nennt: Heizen mit Strom, Holz, Kohle als Alternative zur Gasheizung.

Das lässt sich schon jetzt beobachten. Nach Medienberichten ist die Nachfrage nach Heizlüftern, Kaminholz und sogar Kohleöfen sehr deutlich gestiegen. Teilweise geht es um eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.

Dabei ist die Nutzung von Elektroheizern nicht nur sehr teuer und ineffizient, "sondern würde auch den Stromverbrauch erhöhen und womöglich zu Stromengpässen in der Industrie führen", warnt das Umweltbundesamt. Die scheinbare Lösung für die Privathaushalte würde für die Wirtschaft neue Probleme schaffen und das gesamte Energiesystem weiter belasten.

Verena Kern ist Co-Chefredakteurin von Klimareporter°.

Ähnlich ungünstig wäre die Bilanz bei zusätzlichen Holz- und Kohleöfen: mehr Luftschadstoffe, mehr Treibhausgase und noch mehr Druck auf die Wälder, aus denen schon jetzt mehr Holz entnommen wird als nachwachsen kann.

Der Winter wird wohl wirklich hart.

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