Als "unzulässig" ("inadmissible") hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) die Klimaklage von zehn Familien abgewiesen, die auf diesem Weg strengere Klimaziele in der EU erreichen wollten.
Für die Kläger ist dies zwar ein Rückschlag, muss aber nicht das letzte Wort sein. Denn die Entscheidung stellt nur ein erstinstanzliches Urteil dar. Rechtsmittel können bis Mitte Juli dagegen eingelegt werden.
Im Mai 2018 hatten zehn besonders vom Klimawandel betroffene Familien, die aus fünf EU-Ländern, Kenia und Fidschi kommen, sowie eine Jugendorganisation aus Schweden gegen die EU-Organe Klage eingereicht. Der Vorwurf: Die Klimaziele der EU für das Jahr 2030 seien unzureichend und verletzten deshalb die Grundrechte der Kläger.
Die Klage – People's Climate Case genannt – ist ein Novum. Zum ersten Mal wurde die EU wegen mangelndem Klimaschutz verklagt. Ein Erfolg der Klage wäre ein Präzedenzfall.
Derzeit wollen die EU-Staaten ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 lediglich um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Das Ziel stammt jedoch von 2014, ist also ohne Kenntnis des erst ein Jahr später beschlossenen Pariser Klimaabkommens entstanden.
Die Kläger fordern hingegen, dass das Ziel auf 50 bis 60 Prozent erhöht wird. Für ihre Grundrechtsklage trugen sie, unterstützt von mehreren Umweltorganisationen, über 6.000 Seiten Gutachten zusammen.
Im August 2018 erreichten die Kläger eine wichtige Etappe. Das EU-Gericht nahm die Klage an. Im Oktober beantragten indes die EU-Institutionen die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit.
Dem ist das EuG nun gefolgt. Auf 20 Seiten begründet die zuständige Zweite Kammer des Gerichts, warum sie die Klage abweist. Diese Begründung hat es in sich.
Denn einerseits erkennt das Gericht an, dass Menschen vom Klimawandel akut betroffen sind – folgt also dem, was die Kläger vorbringen. Andererseits verweist das EuG jedoch darauf, dass alle betroffen seien – und will deshalb bei den Klägern keine "unmittelbare und individuelle Betroffenheit" erkennen, die zu einer Anfechtung der EU-Klimapolitik berechtigen würde.
"Absurde Argumentation des Gerichts"
"Es ergibt keinen Sinn, eine Klage mit dem Argument abzulehnen, viele andere seien auch betroffen", sagt der Nachhaltigkeitsforscher und Umweltjurist Felix Ekardt gegenüber Klimareporter°. "Das macht es doch umso nötiger, sich mit dem Anliegen – hier dem flagrant mangelhaften Klimaschutz – auseinanderzusetzen."
Ekardt – der nicht mit dem People's Climate Case befasst ist, aber eine weitere Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt – hält das EuG-Urteil für "falsch". Und für "absehbar". Das Europäische Gericht beschränke schon seit Langem die Möglichkeit von Individuen, vor EU-Gerichte zu ziehen, auf Ausnahmefälle, kritisiert Ekardt.
Auch der Bremer Juraprofessor Gerd Winter, einer der Rechtsvertreter der klagenden Familien, beklagt die "enge Auslegung der Klagebefugnis" des EuG. "Diese Entscheidung ist nicht überraschend, denn sie bewegt sich auf eingefahrenen Gleisen", sagt Winter. "Dennoch ist sie enttäuschend, weil sie sich nicht auf die ausführlichen Argumente der Kläger für eine Öffnung der Klagebefugnis einlässt."
Christoph Bals von der Entwicklungsorganisation Germanwatch, die die Klimaklage unterstützt, spricht von einer "absurden" Argumentation des Gerichts, wenn den Familien abgesprochen werde, besonders betroffen zu sein, weil ja alle betroffen seien.
Bis Mitte Juli wollen die Kläger nun Rechtsmittel einlegen, das heißt die Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof – das ist die übergeordnete Instanz – überprüfen lassen. Denn mit dem eigentlichen Klima-Anliegen der Kläger hat sich das Gericht gar nicht beschäftigt.
Lesen Sie dazu die Kolumne von Joachim Wille: Langeoog forever