Die Europäische Union strebt an, bis 2050 klimaneutral zu werden. Außerdem soll die Digitalisierung deutlich beschleunigt werden. Beides erfordert zukünftig große Mengen an Rohstoffen wie Lithium und seltenen Erden, die bisher weitgehend importiert werden, unter anderem aus China.
Die EU-Kommission will deswegen die Abhängigkeit von Rohstoffimporten verringern. Die sogenannten kritischen Mineralien sollen künftig in größeren Mengen aus Minen in Europa gefördert und auch hier verarbeitet werden, zudem soll das Recycling gefördert werden.
Das geht aus dem jüngsten Entwurf für den "Critical Raw Materials Act" hervor, der Klimareporter° vorliegt und am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden soll. Kritiker monieren, Brüssel lege zu wenig Wert auf die Einhaltung von Menschenrechts-, Umwelt- und Klimastandards.
Die EU hat 30 Mineralien oder Mineraliengruppen als kritisch eingestuft, darunter Gallium, Kobalt, Lithium und Mangan, die etwa für E-Auto-Batterien oder Windkraftanlagen gebraucht werden. Laut dem Entwurf sollen 2030 zehn Prozent des europäischen Bedarfs auch in der EU abgebaut werden, weitere 15 Prozent sollen durch Recycling gewonnen werden.
Zudem will Brüssel den Bau von Raffinerien, in denen die Rohstoffe aufbereitet werden, fördern und beschleunigen. Die Kapazitäten sollen hier 40 Prozent des Bedarfs erreichen. Bisher gibt es in der EU auf diesem Sektor kaum Kapazitäten.
In dem Gesetz, das von Industriekommissar Thierry Breton erarbeitet wurde, heißt es, man wolle "wachsenden Versorgungsrisiken" bei den kritischen Materialien entgegenwirken.
Vorgesehen ist auch die Einrichtung einer zentralen Beschaffungsstelle für die kritischen Materialien. Eine neue Agentur, genannt "Europäischer Ausschuss für kritische Rohstoffe", soll die Maßnahmen unter den 27 EU-Ländern koordinieren. Die Kommission werde ein System einrichten, das in der Lage ist, die Nachfrage von Käufern aus der EU zu bündeln "und dann in ihrem Namen mit den Verkäufern weltweit zu verhandeln", so der Text.
Weder Einsparziele noch Recyclingquoten
Bestimmte Bergbau- und Verarbeitungsprojekte könnten laut dem Plan von der EU künftig als "strategisch" eingestuft werden. Diese würden dann schneller genehmigt, nämlich binnen maximal 24 beziehungsweise zwölf Monaten, und erhielten leichteren Zugang zu Finanzierungen. Außerdem ist geplant, "strategische Lager" für die Rohstoffe zu bilden.
Eine weitere Vorschrift betrifft den Umweltbereich. Danach will die EU von den Verkäufern kritischer Mineralien verlangen, einen "ökologischen Fußabdruck" der von ihnen angebotenen Rohstoffe auszuweisen, damit potenzielle Kunden auf Wunsch nachhaltige Produkte kaufen können.
Die Nichtregierungsorganisation Powershift kritisiert, dass in dem Kommissionsentwurf "die Einhaltung von Menschenrechts-, Umwelt- und Klimastandards keinerlei Stärkung" erfahre. Die Planungsbeschleunigung auf vielen Ebenen drohe sogar innerhalb der EU diesen Standards zuwiderzulaufen, was vor Ort die Zustimmung zum Abbau gefährde.
Auch mögliche Verbesserungen in den bisherigen Lieferländern, etwa im globalen Süden, würden in dem Text kaum erwähnt. Dabei habe die EU-Kommission im Vorfeld immer wieder betont, mehr Wertschöpfung durch Verarbeitung der Rohstoffe vor Ort ermöglichen zu wollen. "Mit dem Ziel, 40 Prozent der Verarbeitung von Rohstoffen in die EU zu holen, torpediert sie dieses Interesse", so die Organisation.
Michael Reckordt, Rohstoffexperte bei Powershift, monierte weiter, der Entwurf habe eine Leerstelle bei der Frage, wie die hohe Nachfrage nach kritischen Rohstoffen reduziert werden könnte. "Bei wichtigen Themen wie dem Recycling sind nur unpräzise Wünsche an Mitgliedsstaaten formuliert", sagte er. Brüssel müsse EU-weit verbindliche Quoten für das Recycling und den Einsatz von Rezyklaten festlegen und endlich eine "Rohstoffwende" einleiten.