Auf dem Boden liegendes Thermometer zeigt 37 Grad Celsius.
Das Wetter ändert sich bei uns meist alle paar Tage. Künftig bleibt es öfter mal länger stabil – das begünstigt Hitzewellen und anderes Extremwetter. (Foto: Tangopaso/​Wikimedia Commons)

Wer autolärmgeplagt an einer Straße wohnt, kann die Kommune veranlassen, Messgeräte aufzustellen, um über Wochen und Monate die Dezibel zu messen und feststellen zu lassen, ob die Grenzwerte überstiegen sind. Da gibt es dann schöne Zeitreihen und diskutierbare Prognosen, ob es künftig immer schlimmer, also lauter, wird.

Denkbar ist aber auch, jedes Fahrzeug einzeln zu erfassen, mit welchem Tempo es in welcher Entfernung vorbeibrettert, ob der 40-Tonner laut brummend unterm Fenster hält oder der SUV-Fahrer nochmal extra den Motor aufheulen lässt. Das würde möglicherweise ein realeres Bild von der Lärmbelastung ergeben.

Der Vergleich gibt in vereinfachter Form eine Vorstellung davon, was Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Rahmen einer jetzt im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlichten Studie taten. Sie befassten sich darin mit der sogenannten Persistenz, also der Beständigkeit oder dem Beharrungsvermögen, bestimmter Wetterbedingungen.

Dazu analysierten sie mit einer Bilddaten-Vergleichsmethode weltweit Millionen aufeinanderfolgende Wetterzirkulationsmuster der letzten 40 Jahre, darunter besonders genau die Hitzewelle 2010 in Russland und den supertrockenen Sommer 2018 in Europa.

Auf den ersten Blick klingt das Ergebnis der Studie nicht sehr spektakulär: Die globale Erwärmung macht es wahrscheinlicher, dass im Sommer Wetterlagen auf der Nordhalbkugel länger anhalten, sich immer ähnlicher werden und letztlich extreme Wetterereignisse begünstigen. "In Europa sind bereits rund 70 Prozent der Landfläche von länger an einer Stelle verharrenden Wetterlagen betroffen", sagt Peter Hoffmann, PIK-Forscher und Erstautor der Studie.

Die zunehmende regionale Wetterpersistenz wirkt sich dabei vor allem im Sommer in einem Band vom Nordatlantik über Europa bis nach Sibirien aus (siehe Grafik unten). Anderswo auf dem Globus seien die Trends "schwächer oder eher negativ", erläutert Hoffmann.

Warum in der nördlichen Hemisphäre die Wetterpersistenz besonders markant zunimmt, "ist noch nicht endgültig geklärt", räumt der Meteorologe ein.

Es gebe Hinweise darauf, dass in dieser Region veränderte Temperaturkontraste zwischen Nordpol und Äquator sowie zwischen Landmassen und Ozeanflächen sich auf die dynamischen Wettersysteme auswirken. Dadurch schwächten sich die Westwinde ab, sodass lang anhaltende Wetterlagen häufiger dort auftreten, wo sie bisher eher untypisch sind – und in der Folge dann Wetterextreme auslösen.

Dann gibt es in der betroffenen Region statt ein paar sonnigen Tagen eine mehrwöchige Hitzewelle. Oder Regenfälle halten so lange an, dass es zu Überschwemmungen kommen kann. Hoffmann: "Je länger diese Wetterlagen andauern, desto intensiver können die Extreme werden, sowohl auf der warmen und trockenen Seite als auch auf der Seite des Dauerregens."

Klimamodelle haben Wetterextreme eher unterschätzt

Im Kern ergibt die neue Studie aber auch, dass es um den Trend zu Wetterextremen eigentlich schlimmer steht, als das die Forschung bisher widerspiegelte. Werden mit derselben Bilddaten-Methode die Ergebnisse von Klimamodellen analysiert – diese liegen als Computersimulationen vor –, "sehen wir keine vergleichbare Zunahme lang anhaltender Wetterlagen, insbesondere nicht über Europa", erläutert Mitautor Fred Hattermann vom PIK.

Vereinfacht gesagt: Die Bilder der Wetterzirkulationen, die die Computermodelle "erzeugen", führen nicht zu den Wetterextremen, wie sie sich aus den realen Wetterdaten ergeben. "Möglicherweise waren die Klimamodelle etwas zu konservativ und haben den Anstieg der Wetterpersistenz unterschätzt – und damit auch die Wetterextreme über Europa", vermutet Hattermann.

Ein reales Bild von kommenden Wetterextremen zu gewinnen und diese nicht zu unterschätzen, werde angesichts des fortschreitenden Klimawandels immer wichtiger, betonen die PIK-Forscher. Bilden Modellsimulationen die Zunahme von anhaltenden Wetterlagen nicht richtig ab, könnten sie beispielsweise das Auftreten extremer Trockensommer wie 2018 künftig unterschätzen.

Weltkarte mit gelben Bändern vom Nordatlantik über Europa bis Nordsibirien sowie über das südliche Afrika, auch dort in Ost-West-Richtung.
In einigen Weltregionen werden länger anhaltende sommerliche Wetterlagen häufiger. (Grafik: PIK/​aus der Studie)

"Tatsächlich ist es so, dass Trockenzeiten wie 2018 und 2019 in Deutschland nicht gut in der gegenwärtigen Szenariengeneration wiedergegeben werden", räumt Hoffmann ein. Das lässt sich mit der neuen Studienmethode verbessern.

Die Forscher halten dies für wichtig. Denn bei einer kritischen Wetterlage im Sommer bedeute jeder Tag, den sie länger andauere, mehr Hitze und Trockenheit oder mehr intensiven Regen. "Unsere Ergebnisse stützen die bislang eher subjektiven Wahrnehmungen der Veränderungen im Zusammenhang mit Wetterextremen", bilanziert PIK-Forscher Hoffmann.

Anders gesagt: Was die neue, genauere Auswertungsmethode liefert, passt auch besser zu den gefühlten Wetterextremen.

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