Antarktis
Das Schmelzwasser der Antarktis könnte erheblich mehr bewirken als "nur" den Meeresspiegel ansteigen zu lassen. (Foto: Vincent van Zeijst/​Wikimedia Commons)

Bis vor zehn Jahren gingen viele Wissenschaftler noch davon aus, dass die schmelzenden Polkappen die Meere ansteigen lassen, aber ansonsten keinen großen Einfluss auf unser Klimasystem haben werden.

Diese Sicht hat sich inzwischen radikal geändert: Wenn die Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis abschmelzen, dann kann das ganze Meereszirkulationssysteme aus dem Lot bringen, es kann Rückkopplungseffekte in Gang setzen, die das Eis umso schneller tauen lassen, und es können Extremwetterereignisse verstärkt werden.

Erst langsam verstehen Wissenschaftler, welch stabilisierende Rolle die Eisschilde für unser Klimasystem spielen – und welch destabilisierende Rolle sie einnehmen, wenn sie durch den Klimawandel verschwinden.

Ein internationales Forscherteam hat nun mithilfe von neuesten Satellitenbeobachtungen und Klimamodellen genau das untersucht. Und zwar unter der Annahme, dass sich die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts um insgesamt vier Grad erwärmt.

"Unseren Modellen zufolge wird dieses Schmelzwasser die Meeresströmungen erheblich stören und das Klima auf der ganzen Welt verändern", sagt Nick Golledge vom Antarktis-Forschungszentrum der Victoria University in Wellington, der Hauptstadt Neuseelands.

Temperaturen schwanken stärker

Die Ergebnisse der Studie, die nun im Fachblatt Nature veröffentlicht wurde, zeigen eine ganze Reihe von destabilisierenden Effekten durch die Eisschmelze.

So könnte sich die sogenannte atlantische meridionale Umwälzbewegung (siehe Kasten) abschwächen, was zu einem dauerhaften Kälteeinbruch in Europa führen könnte. In Zentralamerika, Ostkanada und in der Arktis könnten hingegen die Temperaturen dadurch steigen. Die Forscher errechneten, dass sich die Stärke des Zirkulationssystems im Verlauf der zweiten Hälfte des Jahrhunderts um 15 Prozent abschwächen wird.

Die atlantische meridionale Umwälzbewegung

Dieser Wasserkreislauf, englisch abgekürzt AMOC, führt warmes oberflächennahes Wasser aus den Tropen nach Norden, wo es abkühlt und absinkt. Von dort strömt es in der Meerestiefe wieder zurück nach Süden. Der Nordwesten Europas genießt deswegen ein mildes Klima, weil die Umwälzpumpe das warme Wasser herbeiträgt und einen Teil der Wärme in die Atmosphäre abgibt.

Landläufig sprechen wir vom Golfstrom, der aber nur einen Teil der atlantischen Umwälzbewegung ausmacht. Diese wiederum bildet mit anderen Ozeanströmungen das "globale Förderband".

"Wir werden mehr von diesem Extremwetter bekommen, sowohl heißes als auch kaltes – mit äußerst zerstörerischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Infrastruktur und das menschliche Leben", erklärt Golledge. "All das wird in der jetzigen globalen Klimapolitik nicht berücksichtigt."

Die Forscher machen auch auf einen Effekt in der Antarktis aufmerksam, der durch die Eisschmelze entsteht: Weil das Schmelzwasser eine geringere Dichte als das Salzwasser im Meer aufweist, könnte es sich wie ein Überzug über das Meer legen und die Wärme darunter konservieren.

Die Folge: Die unteren Wasserschichten könnten sich stärker aufheizen und das Antarktis-Eis umso schneller zum Abschmelzen bringen. Das aber hätte weitere Folgen – beispielsweise würden die jährlichen Temperaturschwankungen deshalb zunehmen.

Und zwar um bis zu 50 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts, wenn die Welt weiterhin so viel Treibhausgase wie heute ausstößt. Das würde wiederum Extremwetterereignisse begünstigen – etwa häufigere und stärkere Hitzewellen.

In den vergangenen Wochen haben mehrere Studien sowohl für Grönland als auch für die Antarktis gezeigt, dass das Eis im Zuge der Erderwärmung deutlich schneller schmilzt als bislang gedacht.

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