Getrübter blauer Ozean von unter Wasser gesehen
Wissenschaftler nennen die toten Organismen und Ausscheidungen, die auf den Grund der Ozeane sinken, "Meeresschnee". (Foto: Unsplash/​Pixabay)

Die Weltmeere sind die aktivsten Helfer der Menschheit gegen die Klimakrise. Sie agieren nämlich als größte "Kohlenstoff-Senke", das heißt, sie entfernen kontinuierlich große Mengen Kohlendioxid aus der Luft, lassen so die Konzentration des Gases in der Atmosphäre langsamer steigen und dämpfen damit den globalen Temperaturanstieg.

Klimaforscher sehen allerdings Anzeichen dafür, dass diese wichtige Funktion mit weiterer Erwärmung erlahmen könnte. Denkbar ist sogar, dass sie dereinst ganz zum Erliegen kommt. Die Folge: Der Klimawandel würde zusätzlich angeheizt.

Tatsächlich stellt der Ozean den größten Speicher von Kohlenstoff auf dem Globus dar. Die Zahlen sind beeindruckend: Dort ist über 50-mal mehr Kohlendioxid gespeichert als in der gesamten Atmosphäre und 20-mal mehr als in der Biosphäre, also in Pflanzen und Böden. Zwischen Luft und Ozean findet ständig ein Kohlenstoff-Austausch statt, jährlich werden über 90 Milliarden Tonnen des Elements umgewälzt – und zwar in beiden Richtungen.

Dabei ist dieser Austausch, der vor allem in der Ozean-Deckschicht von 50 bis 100 Metern Tiefe stattfindet, regional sehr unterschiedlich. So gibt es Zonen mit warmem und aufsteigendem Wasser, in denen das Meer von Natur aus eine Quelle von Kohlenstoff ist, vor allem in den Tropen. Und andere, in denen kaltes und salzreiches Wasser absinkt, dort ist das Meer eine Senke. Hier geht es vor allem um die Ozeane in den höheren Breiten, etwa den Nordatlantik.

Doch der Mensch hat in dieses Gleichgewicht eingegriffen. Seitdem er die CO2-Konzentration in der Atmosphäre vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas sowie die Vernichtung von Wäldern erhöht, hat sich der Austausch verschoben. Pro Jahr werden heute rund 2,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff mehr vom Ozean aufgenommen als abgegeben.

Seit Beginn der Industrialisierung um 1800 ist so nach Angaben des Helmholtz-Zentrums für Meeresforschung in Kiel (Geomar) rund ein Viertel der zusätzlich in die Atmosphäre emittierten CO2-Frachten in den Ozeanen "eingelagert" worden. Ohne dieses Phänomen würde die globale Erwärmung, die derzeit rund 1,1 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit beträgt, deutlich höher liegen.

"Physikalische Kohlenstoffpumpe" funktioniert unverändert

Die Frage, wie viel vom menschengemachten Kohlendioxid der Ozean genau aufnimmt und ob respektive wie sich das verändert, ist eine der wichtigsten Fragen, um verlässliche Klimaprognosen abgeben zu können. Die Wissenschaftler unterscheiden dabei zwei Wege, auf denen das CO2 ins Meer gelangt: die "physikalische Kohlenstoffpumpe" und die "biologische Kohlenstoffpumpe".

Beide laufen Gefahr, durch den Klimawandel geschwächt zu werden. Von "Pumpe" wird gesprochen, weil die Menge von Kohlenstoff mit der Wassertiefe zunimmt und der Transport – eben wie bei einer Pumpe – gegen dieses "Gefälle" erfolgen muss.

Die physikalische Pumpe kann durch mehrere Faktoren geschwächt werden: durch die Erwärmung des Meerwassers von oben, wodurch die Schichtung der Wasserschichten stabiler wird, durch die Schwächung der natürlichen Umwälzbewegung in den Ozeanen, also etwa des Golfstroms, sowie durch die zunehmende Ozeanversauerung, die dazu führt, dass das CO2 im Wasser schlechter löslich ist.

Bislang allerdings funktioniert diese Pumpe unverändert, wie eine Studie eines internationalen Forscherteams unter Leitung von Experten der ETH Zürich aus dem letzten Jahr zeigte. In der Untersuchung gelang es, die "Aufnahmeleistung" des Meeres für einen Zeitraum von 13 Jahren genau zu bestimmen – die Periode zwischen 1994 und 2007.

Es zeigte sich, dass der Ozean netto 26 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aufnahm, prozentual genauso viel wie in den 200 Jahren zuvor, mengenmäßig jedoch viel mehr als früher. Denn: Je höher der Gehalt von CO2 in der Luft, desto mehr wird es vom Meer absorbiert – bis dieses irgendwann gesättigt ist.

Allerdings gab es große Unterschiede zwischen verschiedenen Meeresgebieten. So nahm der Nordatlantik in den 13 Jahren rund 20 Prozent CO2 weniger auf, als er eigentlich sollte. Das habe wahrscheinlich am Schwächeln der nordatlantischen Umwälzpumpe – also des Golfstroms und seiner Verlängerung, des Nordatlantikstroms – Ende der 1990er Jahre gelegen, erläutert ETH-Professor Nicolas Gruber. Ausgeglichen wurde das allerdings durch eine höhere CO2-Aufnahme im Südatlantik. Unter dem Strich ein Nullsummenspiel.

"Biologische Kohlenstoffpumpe" könnte schwächeln

Die biologische Kohlenstoff-Pumpe funktioniert so: Organismen im Meer wie Kieselalgen, Grünalgen oder Cyanobakterien – das sogenannte Phytoplankton – nehmen CO2 aus den oberen Wasserschichten auf und wandeln es vermittels Fotosynthese in Biomasse um. Sterben sie ab, sinken sie in die Tiefsee ab und werden dort mineralisiert und so für Hunderte bis Tausende von Jahren festgelegt.

Wissenschaftler nennen die toten Organismen und Kotkügelchen, die von oben herabrieseln, plastisch "Meeresschnee". Mit höheren Wassertemperaturen könnte diese "Pumpe" jedoch geschwächt werden.

Einen Hinweis darauf erbrachte zum Beispiel eine britisch-deutsche Studie aus dem Jahr 2015, für die Daten aus verschiedenen Bereichen des Nordatlantiks ausgewertet wurden – vom subpolaren bis zum subtropischen Bereich.

"Wir haben herausgefunden, dass bei steigender Temperatur die Re-Mineralisierung schneller vonstattengeht", erläutert der Geomar-Wissenschaftler und Co-Autor der Studie Eric Achterberg. Dadurch werde die Eindringtiefe des organischen Materials und somit der Transfer von Kohlenstoff in den tiefen Ozean reduziert. "Das setzt letztendlich die CO2-Aufnahme des Ozeans herab."

Serie: Kippelemente

Werden die Kippelemente im Klima- und Erdsystem ausgelöst, kann es zu Kettenreaktionen kommen, durch die sich die Erderwärmung unkontrollierbar verstärken würde. Wissenschaftler haben 16 Kippelemente identifiziert, die sogar für ein Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir sie kennen, sorgen könnten. Wir stellen sie in einer Serie vor.

Die Abhängigkeit des biologischen Kohlendioxid-Puffers von der Temperatur sei auf jeden Fall kein gutes Zeichen, so Achterberg weiter. Wenn künftig weniger CO2 vom Ozean aufgenommen werde, verbleibe mehr davon in der Atmosphäre, und die Erwärmung steige schneller an.

Wie genau sich die biologischen Pumpe in Zukunft verändert, ist allerdings noch mit relativ großen Unsicherheiten behaftet. "Wir kennen eine Vielzahl von Mechanismen, die die biologische Pumpe verändern, beginnen aber gerade erst, deren Ineinander-Wirken zu verstehen", sagt Geomar-Professor Andreas Oschlies. Bisher habe man keinen Hinweis auf signifikante Änderungen der marinen Kohlenstoffaufnahme über den biologischen Weg.

"Aber wir wissen, dass die atmosphärische CO2-Konzentrationen ohne eine funktionierende marine Biologie etwa doppelt so hoch wären. Die marinen Ökosysteme zu schützen hat also auch eine direkte Klimarelevanz."

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